CONTROLLER Magazin 3/2020
62 ken geläufig sind, wird dann bei hoher Komplexi- tät und Unsicherheit getrost auf seine im Unbe- wussten abgespeicherte Erfahrung zurückgrei- fen. Er wird Intuition als wertvolles Hilfsmittel nutzen, um unsichere, komplexe Zukunftsszena- rien der VUCA-Welt in den Griff zu bekommen. Einige der wichtigsten, einfachen Faustregeln, die gerne in der Praxis verwendet werden, sei- en an dieser Stelle nochmal in Erinnerung geru- fen: Es sind dies die · Rekognitionsheuristik („Wähle die Alternative, die erkannt wird“), · Fluency Heuristik („Wähle die Alternative, die am schnellsten erkannt wird“), · Take the Best Regel („Wähle die Alter native, die den definierten Zielwert am besten erreicht“), · Satisficing Regel („Wähle die Alternative aus, die das gesuchte Kriterium als erstes erreicht“, Satisficing dabei als Wortkombi- nation aus „Satisfy“ und „Suffice“), · 1/N Equality Regel („Verteile die Ressour- cen gleich auf die Zahl der vorhandenen Alternativen“, z. Bsp. Investition in Aktien), · Imitate the Majority Regel („Mach es wie die Mehrheit“), · Imitate the Best Regel („Mach es wie die Besten“, z. Bsp. als Vertriebsstrategie). 7 All diese hier genannten Regeln reduzieren die Komplexität erheblich, sie stellen ressourcen- schonende, effiziente Lösungsstrategien dar und werden daher zu Recht „smarte“ Heuris- tiken genannt. 8 Man sollte sich zudem verge- genwärtigen, dass auch oder gerade im strate- gischen Management ganz selbstverständlich mit Heuristiken gearbeitet wird. Im Werkzeug- kasten des Controllers finden sich beispielswei- se die · SWOT-Analyse (Stärken-Schwächen-Analyse als Hilfsmittel zur Formulierung strategischer Optionen), · Benchmarkmethode (Vergleich von Leistungsindikatoren mit Unternehmen z. Bsp. der gleichen Branche), · Szenariotechnik (Best Case, Real Case, Worst Case), · Trendextrapolation (Fortschreibung von Trends auf Basis des bisherigen Verlaufs). Heuristiken sind also in der Praxis des strategi- schen Managements fest verankert und unver- Die Definition von Intuition ist nach Gerd Gige- renzer ein Urteil, das rasch im Bewusstsein auftaucht, dessen tiefere Gründe uns nicht voll- kommen bewusst sind und die stark genug sind, danach zu handeln. Oder die Fähigkeit, auf Anhieb eine gute Entscheidung zu treffen, ohne die zugrunde liegenden Zusammenhänge explizit zu verstehen. 5 In der Anwendung kommt es darauf an, welche Problemlösung für den speziellen Fall die geeig- netere Methode ist. Während Intuition gut funk- tioniert in einer komplexen, ungewissen Welt, ist der Logik immer dann Vorrang zu geben, wenn alle Risiken mit Sicherheit bekannt sind. Es empfiehlt sich bei hoher Ungewissheit, vie- len Alternativen und wenig verfügbaren Infor- mationen zu Vereinfachungsregeln (Heuristi- ken) zu greifen, das Prinzip „Weniger ist mehr“ gilt hier. Dagegen lohnt es sich bei niedriger Ungewissheit, wenig Alternativen und großen Datenmengen, genau zu rechnen. 6 (S. Abb. 1.) Somit eignet sich die Logik bestens für die Auswertung rein vergangenheitsbezogener Da- ten, denn es gibt keine Unsicherheit mehr und auch nur eine einzige Vergangenheit (= Alter- native), zudem sind Daten im Idealfall massen- haft vorhanden. Hier ist die Logik der Intuition überlegen, ja die menschliche Intuition zu be- kannten Risiken ist sogar oft falsch. Dies lässt sich am Beispiel der Präferenz des zu wählen- den Verkehrsmittels eindrücklich belegen. Der Mensch schätzt die Risiken intuitiv häufig an- ders ein als es die Auswertung der Unfallstatis- tiken tatsächlich belegt, Stichwort „Flugangst“. Sobald jedoch die der Zukunft naturgemäß inne- wohnende Komplexität und Unsicherheit ins Spiel kommen, sollten intuitive Lösungen in Betracht gezogen werden. Sie liefern nämlich überra- schend gute Ergebnisse, wenn man die Spielre- geln kennt. Der Anwender, dem die intelligenten Faustregeln der Intuition, die smarten Heuristi- diese Empfehlungen nun erste Anhaltspunkte oder bereits verlässliche Werte, die für die Pla- nungsrechnung verwendet werden können? Der Anwender steht damit vor der Aufgabe, eine Vielzahl neuer, KI-basierter Vorschlagswerte zu- nächst verstehen zu müssen, um sie dann ent- weder zu übernehmen oder zu verwerfen. Wenn sich etwa seit dem Einsatz von KI im Planungs- prozess neuerdings größere Abweichungen zur bisherigen, klassischen Planung ergeben, stellt sich die Frage, woran es liegt. 4 Kann der Con troller den durch KI vorgeschlagenen Werten vertrauen, etwa weil er an die Möglichkeiten der neuen Technologie glaubt? Oder wäre es rat- sam, eher eine gewisse Skepsis walten zu las- sen und die Ergebnisse anhand der herkömm- lich ermittelten Werte zu verifizieren? Die Folge: Entscheidungen treffen – rational oder intuitiv? Klar ist, es entstehen bei der Arbeit mit KI-ge- stützten Daten neue Herausforderungen. Im Grunde muss der Anwender für jeden angebo- tenen Vorschlagswert, für jede vorgeschlagene Option eine Entscheidung treffen. Dafür benö- tigt er passende Lösungsstrategien , nützliche Arbeits- und Entscheidungshilfen. Die Frage ist, ob er dabei eher auf Basis rationaler Logik ent- scheidet oder eher seiner Intuition, seinem Bauchgefühl folgt. Die Antwort muss lauten – sowohl als auch, oder wie der Berater sagen würde, „es kommt darauf an“. Zunächst ist schon mal hilfreich, beide Lö- sungsstrategien als gleichberechtigt anzuer- kennen. Intuition ist der Logik weder über- noch unterlegen. Bei einer intuitiven Entscheidung handelt es sich auch nicht um einen „eher weiblichen“ Lösungsansatz gegenüber der „männlichen“ Rationalität. KI und der menschliche Faktor Abb. 1: Die Wahl der passenden Lösungsstrategie
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==