CONTROLLER Magazin 3/2020
54 Kosten als auch von Erlöspotenzialen mit dem üblichen Instrumentarium recht schnell an un- sere Grenzen. Daran müssen wir noch arbeiten. Biel: Sehen Sie weitere Digitalisierungspoten- ziale, z. B. auch im Hochschulbereich? Baltzer/Ulrich: Ja, auch die Controlling-Lehre sollte sich noch weiter digitalisieren: Der Ein- satz von Blended-Learning-Konzepten, die Nutzung von IT-Tools in Lehrveranstaltungen und der Anwendungsbezug bzgl. Digitalisie- rungsfragen können gar nicht hoch genug sein. Ob dann für jedes einzelne Instrument eine „Digitalisierung“ notwendig ist oder ob es sich manchmal auch nur um alten Wein in neuen Schläuchen handelt, wird sich in den nächsten Jahren in Theorie und Praxis des Controllings recht schnell zeigen. Biel: Ich möchte ein Resümee versuchen: · Ihre Ausführungen machen deutlich, die Controlling-Wissenschaft ist erkenntnisori- entiert und befasst sich mit Controlling im Allgemeinen und im Grundsätzlichen. Die Controlling-Praxis ist hingegen handlungs- orientiert und richtet sich nach den spezifi- schen Bedingungen des einzelnen Unterneh- mens. Zwischen Wissenschaft und Praxis gibt es viele Verbindungen und Zusammen- hänge, aber auch Unterschiede und manch- mal auch Spannungen. · Sie haben skizziert, wie das Zusammen- spiel Wissenschaft und Praxis zum Vorteil beider Seiten gestaltbar ist und die wechsel- seitige Hol- und Bringschuld betont. · Sie haben einige Hinweise und Vorschläge in die Diskussion gebracht. Besonders interes- sant finde ich Ihren Vorschlag, „Beipackzettel für Controlling-Lösungen“ zu entwickeln. Manche Missverständnisse und Probleme könnten durch eine frühzeitige gesamthafte Betrachtung vermieden oder reduziert werden. · Sie haben auf neue Aufgaben insbesondere im Zusammenhang mit der Digitalisierung verwiesen, z. B. auf die Steuerung digitaler Geschäftsmodelle. · Nicht zuletzt ist es mir ein Anliegen, Ihnen sowohl für Ihren gehaltvollen Beitrag zum „90. unserer Interviewreihe“ als auch für die sehr erquickliche Zusammenarbeit bei der Vorbereitung und Durchführung dieses Interviews herzlich zu danken . sich Fragen, wie die Berichte aufgebaut sein sollen, welche Information am besten in Form von Tabellen, Grafiken oder Texten erfasst wer- den können, wie die wichtigsten Informationen am besten hervorgehoben werden können usw. Auf der anderen Seite werden immer mehr Un- ternehmen damit konfrontiert, über ökologische und soziale Aspekte berichten zu müssen. Die entsprechenden Kennzahlen müssen dann nicht nur definiert und erhoben werden, son- dern auch in der Steuerung des Unternehmens Berücksichtigung finden. Biel: Die Digitalisierung mit ihren vielfältigen Erscheinungsformen zieht zunehmend in die Praxis ein – und beschäftigt vermehrt Control- lerinnen und Controller. Digitale Technologien begründen vielfältige Veränderungsprozesse und führen auch zu Umformungen des Control- lings. Beispielsweise findet sich in älteren Ver- öffentlichungen der Begriff „Betriebswirt- schaftliche Planung“, in der neueren Literatur aber „Digitale Planung“. Was verschiebt sich hier in Theorie und Praxis? Baltzer/Ulrich: Die Digitalisierung als Mega- Trend durchzieht aktuell ja nicht nur die Theorie und Praxis des Controllings, sondern die gesam- te Wirtschaftspraxis. Wenn man die Digitalisie- rung in die Bereiche „Digitization“ (also Transfor- mation von analogen in digitale Daten) sowie „Digitalization“ (also die Entstehung digitaler Lösungen, Ideen und Produkte in Unternehmen wie z. B. digitale Plattformen) trennt, dann ist zu- mindest der erste Punkt für das Controlling we- der in Theorie noch Praxis vollkommen neu. Das Controlling hatte schon immer eine besondere Nähe zur IT , ob es nun MS-Excel, SAP oder spezifische Controlling-Softwarelösungen wa- ren. Der zweite Punkt hingegen stellt das Cont- rolling schon vor größere Herausforderungen. Das Standard-Controlling kann inzwischen sämtliche Produkte – d. h. Produkte i. e. S., aber auch „industrielle“ Dienstleistungen wie Soft- ware – recht gut abdecken. Biel: Stellen uns jedoch die digitalen Ge- schäftsmodelle betriebswirtschaftlich vor neue Herausforderungen? Baltzer/Ulrich: Ja, im Rahmen der Bewertung und Steuerung digitaler Geschäftsmodelle kom- men wir jedoch bei der Einschätzung sowohl von konzeptionellen Diskussionen in der Control- ling-Wissenschaft ja eher mit Schmunzeln, Un- verständnis oder Augenrollen begleitet. Aber auch hier gibt es einen wichtigen Aspekt, der von der Praxis beachtet werden sollte: Control- ling sollte nicht nur eine reine Ansammlung von genutzten Instrumenten sein. Vielmehr sollte vorgeschaltet von Unternehmen die Frage ge- stellt und beantwortet werden, was mit Cont- rolling bezweckt wird . Welche Ziele will man mit Controlling erreichen? Welche Rolle(n) sol- len die Controller des Unternehmens erfüllen? Und (wie) können sie diese Erwartungen erfül- len? Bei der Beantwortung dieser wichtigen Fragen können die verschiedenen Konzeptio- nen helfen. Es ist also weniger wichtig, welches Verständnis letztendlich im Unternehmen vor- herrscht, als dass diese Fragen diskutiert wer- den und eine allseits geteilte Antwort gefunden wird. Zwar ist die Anzahl der Konzeptionen tat- sächlich sehr groß, aber es gibt hierzu diverse gute Überblicksartikel, deren Lektüre auch für Praktiker lohnenswert sein kann. Biel: Die Betriebswirtschaftslehre ist die Basis des Controllings. Aber auch die BWL unterliegt der Veränderung und unterschiedlichen Sicht- weisen, wie ein Blick in neuere Veröffentlichun- gen deutlich zeigt. Beispielsweise gibt es Be- strebungen, Ökonomie und Ökologie klarer auf- einander zu beziehen, der sozialwissenschaftli- che bzw. verhaltenswissenschaftliche Ansatz der BWL gewinnt an Bedeutung, um einige Bei- spiele zu nennen. Welchen Einfluss haben die- se Entwicklungen auf Controlling-Wissenschaft und Controlling-Praxis? Baltzer/Ulrich: Die großen Tendenzen der BWL spiegeln sich natürlich auch in ihrer Teil- disziplin Controlling in vielfältiger Weise wider. Und gerade die genannten Entwicklungen, öko- logische sowie sozial- und verhaltenswissen- schaftliche Aspekte stärker zu berücksichtigen, sind für ein wirkungsvolles Controlling auch un- gemein wichtig. Das Berichtswesen zeigt z. B. die Bedeutung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse. Klassischerweise standen beim Berichtswesen die Fragen im Vordergrund, wie schnell die Berichte erstellt werden können und welche Zahlen berichtet werden sollen. Nicht minder wichtig für ein wirkungsvolles Be- richtswesen ist aber die Frage, wie Berich- te wahrgenommen werden . Dann stellen Wie beeinflussen sich Controlling-Praxis und Controlling-Wissenschaft?
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==