CONTROLLER Magazin 3/2020
53 selten darum, einen weiteren Titel zu erwerben, sondern darum, ihr Wissen aktuell zu halten, zu erweitern und zu vertiefen . Weiterbildung wird jedoch seitens der Unternehmenspraxis (damit sind nicht die Mitarbeiter selbst gemeint) leider immer noch zu häufig erst einmal als Kostenfaktor interpretiert. Und noch dazu als ein Kostenfaktor, der im Falle von Budget- knappheit relativ geräuschlos gestrichen wer- den kann. Biel: Als Service-Partner treten heute verschie- dene Institutionen auf, ganz besonders der In- ternationale Controller Verein ICV, ebenso eini- ge Organisationen der Weiterbildung, etwa die Controller Akademie sowie Beratungsunter nehmen, z. B. Horváth & Partners. Bestimmte Hochschulen engagieren sich bereits im Theo- rie-Praxis-Transfer, beispielsweise die WHU, die ein wissenschaftliches Portal für die Con trolling-Praxis betreibt. Wo verorten Sie in die- sem Angebotsspektrum die Hochschulen und ein mögliches „Mehr“? Baltzer/Ulrich: Wir denken, dass jede Hoch- schule individuell entscheiden muss, in welcher Form sie sich um Wissenstransfer bemüht. Es gibt in der Tat schon einige tolle Angebote, z. B. das Controlling Wiki des ICV . Es macht nun keinen Sinn, wenn jeder Controlling-Professor sein eigenes Controlling-Wiki aufbauen würde. Gleichermaßen ist das Angebot der WHU mit den Studien des Controller-Panels , den Ver- anstaltungen wie dem Campus for Controlling, dem Einsatz von Videos etc. natürlich ein Mus- terbeispiel für Wissenstransfer. Es ist aber auch klar, dass ein solches Angebot nicht von jeder Hochschule geleistet werden kann. Gerade für Hochschulen für angewandte Wissenschaften ist ja auch der Bezug zur regionalen, oft mit- telständischen Wirtschaft wichtig. Hier sind kleinere, dafür fokussierte Aktivitäten wie Arbeitskreise und kleinere Veranstaltungen vermutlich sinnvoller als ein Youtube-Kanal. Biel: Manche theoretisch perfekten Methoden scheitern in der Praxis an Umsetzungshürden oder Akzeptanzproblemen. Die Einfluss- und Bestimmungsgründe von Wissenschaft und Praxis unterscheiden sich mitunter deutlich. Sind Wissen und Erkenntnisse das eine, Um- setzung, Anwendung und Nutzung das andere? Wo verlaufen die Grenz- und Problemlinien, fundiertes und handhabbares Wissen der Praxis zur Verfügung zu stellen? Baltzer/Ulrich: Zunächst ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Controlling-Wissen- schaft allgemeingültige Lösungen entwi- ckeln möchte, die von einer möglichst großen Zahl von Unternehmen angewandt werden kön- nen, und keine unternehmensindividuellen Lösungen . Solche generellen Lösungen müs- sen dann aber von den Unternehmen – ggf. un- ter Zuhilfenahme von Beratern – oftmals noch mehr oder weniger stark unternehmensspezi- fisch angepasst werden. Das ist nicht anders als bei komplexer Unternehmenssoftware, bei der in aller Regel auch ein Customizing erfolgen muss. Zwar können Wissenschaftler Lösungen in Fallstudien implementieren und dann hiervon berichten, aber das löst die Problematik nur be- dingt, denn kein Unternehmen ist wie das andere. Biel: Sollte die Wissenschaft gegenüber der Praxis ihre Informationsaufgaben und insbe- sondere die fachliche Aufklärung intensiver wahrnehmen und so auch wirksamer werden? Baltzer/Ulrich: Ja, diese wichtige Aufgabe hat die Wissenschaft, und sie wird in der Tat nicht immer beachtet: Es geht um den berühmten „Beipackzettel“ zu den Controlling-Lösun- gen . Bei der Wissensvermittlung z. B. zu neuen Controlling-Instrumenten steht zumeist im Vor- dergrund, wozu dieses Instrument dient und wie es methodisch funktioniert. Kaum weniger wichtig sind aber die Fragen, welche Voraus- setzungen für den Einsatz dieses Instru- ments im Unternehmen gegeben sein oder ge- schaffen werden müssen, auf welche Hürden die Unternehmen bei der Implementierung und bei der Nutzung des Instruments typischerwei- se stoßen könnten und wie diese Barrieren überwunden werden können. Hierzu gibt es so- wohl schon allgemeine wie auch instrumenten- spezifische Erkenntnisse, die von den Wissen- schaftlern besser kommuniziert und von den Praktikern stärker beachtet werden sollten. Biel: Können Sie uns hierzu ein Beispiel geben? Baltzer/Ulrich: Ein gutes Beispiel sind Big-Da- ta-Lösungen im Controlling. Diese werden von der Praxis zwar stark nachgefragt. Aus unserer Sicht ist eine saubere Datenhaltung (bspw. durch Stammdatenmanagement) ein erster Schritt, bevor moderne Methoden und Instru- mente angegangen werden sollten, die auf die- ser Basis aufbauen. Manchmal wollen Theo retiker und auch Praktiker hier den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Biel: Wenn wir Konzeptionen als Grundvorstel- lung, als Leitprogramm oder auch als gedankli- chen Entwurf verstehen, und in diesem Sinne nach Controlling-Konzeptionen und Controlling- Definitionen fragen, stoßen wir auf eine Vielzahl von Konzeptionen und Definitionen. Es gibt un- verändert Unterschiede im Controllingverständ- nis, verschiedene Controlling-Schulen mit Ge- meinsamkeiten, aber auch greifbaren Unter- schieden. Das mag den theoretischen Diskurs beflügeln. Aber – was sagt dies der Praxis, wie lässt sich so Orientierung finden? Baltzer/Ulrich: Dass es eine Vielzahl ver- schiedener Controlling-Konzeptionen gibt, ist aus Sicht der Wissenschaft weder eine Überraschung noch ein Manko. Ob man nun wie wir ein wertschöpfungsorientiertes Verständnis hat, Controlling als Rationalitäts- sicherung versteht usw., ist letztlich ja eine Glaubensfrage. Die praktischen Problemstel- lungen des Controllings sind aber davon unab- hängig vorhanden und lassen sich auch nicht wegdiskutieren. Abseits aller Unterschiede im Detail ist der Konsens aber eigentlich auch re- lativ groß: Controlling bedeutet insbesondere Informationsversorgung des Managements, die Gestaltung und Durchführung von Planungs- und Kontrollprozessen sowie die Sicherstellung, dass die Aktivitäten des Unternehmens an des- sen Zielen ausgerichtet sind – seien diese nun primär finanzieller Art oder auch sozialer, öko logischer oder sonstiger Art. Biel: Unabhängig von der unterschiedlichen Bestimmung des Controlling-Begriffs und der Erklärung des Inhalts ist der Controlling-Kern einheitlich? Baltzer/Ulrich: Ja, dass die Deckung zwi- schen den verschiedenen Konzeptionen relativ hoch ist, lässt sich z. B. auch daran erkennen, dass unabhängig vom Controlling-Verständ- nis in den allermeisten Lehrbüchern mehr oder weniger dieselben Controlling-Instru- mente behandelt werden . Die Praxis hat die CM Mai / Juni 2020
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