CONTROLLER Magazin 3/2020

49 1. Der Prozesskostensatz ist beim TD ABC nicht einheitlich, sondern wird bei jeder konkreten Prozessdurchführung in Abhängigkeit von den Ausprägungen der Kostentreiber und Pro- zessparameter individuell ermittelt. Das TD ABC kann durch die Zeitverbrauchsfunktionen auf schlanke Art und Weise Prozessvarianten abbil- den. Um die Prozessvarianten in ähnlicher Form abzubilden, müssten in der Prozesskostenrech- nung eine Vielzahl unterschiedlicher (Teil-) Pro- zesse definiert werden, was die Komplexität des Prozessmodells deutlich erhöhen würde. 2. Während in der Prozesskostenrechnung die Ermittlung der Prozesskostensätze typischer- weise auf einer pauschalen Verteilung der Ar- beitszeit in den Kostenstellen beruht, können in den Zeitverbrauchsfunktionen prinzipiell unbe- grenzt viele Prozessparameter in beliebiger Form integriert werden. Dadurch kann die Ge- nauigkeit der ermittelten Prozesskostensätze beliebig erhöht werden. 3. Während bei der Prozesskostenrechnung jede Änderung im Prozessmodell eine Neube- rechnung der Prozesskostensätze erfordert (die daher oftmals unterbleibt), können die Zeitver- brauchsfunktionen jederzeit und einfach aktua- lisiert werden. 4. In der Prozesskostenrechnung wird in den Kostenstellen die Arbeitszeit üblicherweise voll- ständig auf die (Teil-) Prozesse verteilt. In der Konsequenz enthalten die Prozesskostensätze auch etwaige Leerkosten und schwanken mit den Auslastungsgraden der Kostenstellen. Beim TD ABC entlasten sich die Kostenstellen hingegen nur in Höhe der bei jeder Prozess- durchführung individuell ermittelten Prozess- kostensätze. Etwaige Leerkosten verbleiben somit auf den Kostenstellen und werden hier- durch transparent (vgl. Abbildung 1). In der Kal- kulation bilden die Prozesskostensätze somit die echte Ressourceninanspruchnahme ab, während die Leerkosten als separate Abwei- chungsposition in der Kalkulation ausgewiesen werden können. Handlungsempfehlung Unternehmen, die ei- ner Einführung der Prozesskostenrechnung an- gesichts ihrer bekannten Schwachstellen bis- her skeptisch gegenüberstanden, sollten sich mit der Weiterentwicklung zum TD ABC befas- sen. Es liegen in der internationalen Literatur eine Vielzahl von Fallstudien zum erfolgreichen Einsatz des TD ABC in den unterschiedlichsten Branchen vor (vgl. Baltzer 2019, S. 182f.), die als Anregung genutzt werden können. Ausblick In den Zeitverbrauchsfunktionen soll- ten nur solche Prozessparameter Verwendung finden, die automatisiert aus den IT-Systemen des Unternehmens abgerufen werden können. Andernfalls wäre eine manuelle und damit auf- wändige und fehleranfällige Ermittlung der Pro- zesskostensätze notwendig. Und natürlich gilt auch für das TD ABC der Grundsatz, dass jedes Unternehmen eine Abwägung zwischen dem erwarteten Nutzen des Einsatzes und dem mit Einführung und Pflege verbundenen Aufwand treffen muss. Literatur  Baltzer, B./Zirkler, B. (2007): Time-driven Ac- tivity-based Costing, Saarbrücken 2007.  Baltzer, B. (2019): Zum Stand des Time-driven Activity-based Costing, in: Ulrich, P./Baltzer, B. (Hrsg.): Wertschöpfung in der Betriebswirt- schaftslehre, Wiesbaden 2019, S. 167-186.  Jórasz, W./Baltzer, B. (2019): Kosten- und Leistungsrechnung, 6. Aufl., Stuttgart 2019. Abb. 1: Gegenüberstellung der Vorgehensweise von Prozesskostenrechnung und Time-driven Activity-based Costing (Quelle: Jórasz/Baltzer 2019, S. 392) Autor Prof. Dr. Björn Baltzer ist Professor für Controlling und Rechnungswesen an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Würzburg- Schweinfurt und leitet dort den MBA-Studiengang Internatio- nales Business. Er ist Mitglied des Arbeitskreises der Control- ling-Professoren an Hochschulen. E-Mail: bjoern.baltzer@fhws.de Sprecher dieser Artikelreihe: Prof. Dr. Andreas Wiesehahn, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, E-Mail: andreas.wiesehahn@h-brs.de Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Hanno Drews (Verhaltensorientiertes Con- trolling), Prof. Dr. Nicole Jekel (Marketingcontrolling), Prof. Dr. Britta Rathje (Operatives Controlling, insb. Kosten- und Erfolgsmanagement), Prof. Dr. Solveig Reißig-Thust (Controlling und Compliance, Value Based Management, Unternehmensbewertung, Controlling in Gründungsunternehmen), Prof. Dr. Andreas Taschner (Management Reporting, Investitionscontrolling, Supply Chain Controlling), Prof. Dr. Andreas Wiesehahn (Einkaufscontrolling, Nachfolgecontrolling, Nachhaltigkeitscontrolling) CM Mai / Juni 2020

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