CONTROLLER Magazin 3/2020
42 Der digitale Wandel und die Einführung von agi len Vorgehensweisen in Unternehmen haben Auswirkungen auf die Entscheidungsvorgänge. Da das teilweise irrationale Verhalten der Men schen die Ergebnisse bestimmt, sind traditio nelle, rein ökonomische Modelle im Controlling und Berichtswesen nicht mehr ausreichend. Auf dem Gebiet des Behavioral Controlling werden Ansätze entwickelt, die psychische Phänomene wie z. B. Wahrnehmungsverzerrungen, Über legenheitsgefühle, Überoptimismus mit berüch sichtigen. Wird dieses Wissen der Praxis zur Verfügung gestellt, können Controller die Infor mationen und Daten entsprechend bewerten und damit möglichen Fehlentscheidungen auf der Führungsebene vorbeugen. Traditionelles vs. Behavioral Controlling Die traditionelle entscheidungsorientierte Controlling-Konzeption geht davon aus, dass die Versorgung des Managers mit entschei- dungsrelevanten Informationen sowie den notwendigen Instrumenten ausreicht, damit dieser optimale Entscheidungen im Sinne der Unternehmensziele treffen kann. (Vgl. Interna- tionaler Controller Verein, 2013, S. 10.) Die Modelle basieren auf dem immer rational han- delnden homo oeconomicus. Im Gegensatz dazu stehen im verhaltensorientierten Con trolling Unternehmensakteure mit sogenann- ten kognitiven und motivationalen Beschrän- kungen im Vordergrund. Das menschliche Verhalten wird im Lichte des ökonomisch- psychologisch geprägten Verständnisses be- stimmt. Faktoren, die das „Können“ und „Wol- len“ sowie das „Dürfen“ und „Sollen“ bestim- men – eingebettet in einen sozialen und kultu- rellen Kontext – spielen eine Rolle. Wird die Funktion des Controllings in der Ratio- nalitätssicherung der Führung gesehen, sind die Entscheidungsanomalien der Führungkräfte zu identifizieren und zu reduzieren. Behavioral Controlling nutzt dazu Erkenntnisse und Metho- den der Psychologie, besonders der experi- mentellen Forschung, die untersucht, durch welche Verzerrungen die Rationalität beein- flusst wird. (Vgl. Hirsch, 2007, S. 262.) Auch Controller, obwohl sie einen zahlenbasierten Ansatz vertreten und analytisch denken, unter- liegen Rationalitätsdefiziten. (Vgl. Hirsch/ Schäffer/Weber, 2008, S. 9.) Diese Rationali- tätsengpässe beschreiben Situationen, in de- nen Begrenzungen der Fähigkeiten der Akteure und ihr individuelles opportunistisches Handeln auf das Ergebnis wirken können, wenn aus Un- ternehmenssicht suboptimale oder irrationale Entscheidungen getroffen werden. (Vgl. Hirsch et al., 2005, S. 51.) Modelle eines Behavioral Controllings Sind sich Controller über die Inhalte eines Beha- vioral Controlling bewusst und haben sie diese verinnerlicht, können sie Fehlentscheidungen re- duzieren und die Entscheidungsqualität verbes- sern – und somit ihre Funktion als Business Part- ner. (Vgl. Hirsch/Schäffer/Weber, 2008, S. 8 f.) Die Principal-Agent-Theorie 1 kann auch für Pro- blemstellungen im Kontext von Wollensdefiziten (opportunistisches Verhalten) Gestaltungsemp- fehlungen, bspw. bei Interessenskonflikten, Anreizproblemen oder Entlohnungsverträgen, geben. Sie hat nur geringe Erklärungskraft bei Könnensdefiziten. Mit diesen hat sich die Theo- rie bisher weitaus weniger beschäftigt. (Vgl. Hirsch, 2007, S. 110 f.) Im Kontext der Könnensdefizite ist das, von Kahneman geprägte und weiterentwickelte, zwei System-Modell von zentraler Bedeutung. Bei diesen beiden kognitiven Systemen arbeitet System 1 automatisch, schnell und weitgehend mühelos, ohne willentliche Steuerung. System 2 lenkt die Aufmerksamkeit auf anstrengende mentale Aktivitäten. In der Regel ist die Arbeits- teilung zwischen System 1 und 2 sehr effizient. System 1 arbeitet im Allgemeinen zuverlässig und die Modelle von vertrauten Situationen und kurzfristigen Vorhersagen sind richtig. Jedoch wird die Leistungsfähigkeit von System 1 von kognitiven Verzerrungen 2 beeinträchtigt, wel- che sich als systematische Fehler bezeichnen lassen. (Vgl. Kahneman, 2016, S. 33 ff.) Kogni- tiven Verzerrungen gehen meist Heuristiken voraus. Obwohl Heuristiken oft gute Lösungen liefern, können sie zu starken und langanhal- tenden Verzerrungen führen. Die Kenntnis der systematischen Irrationalitäten des menschlichen Handelns ist ein Ansatz- punkt, Controllingprozesse zu verbessern. Zur Systematisierung der kognitiven Verzerrungen im Controlling ist die Betrachtung der Control- ling-Prozesse eine geeignete Methode, da hier in den Prozessschritten mögliche Verzerrungen im Verhalten von Controllern und Managern transparent gemacht werden können. Innerhalb dieser sollen Rationalitätsengpässe identifiziert werden, die sich aus den individuellen Verzer- rungen von Managern und Controllern ableiten lassen, um in Anschluss diese Probleme zu ver- Welche Lehren können Controller für das Management Reporting aus der Verhaltensökonomie ziehen? von Eugenia Schmitt und Adrian Manzenrieder Verhaltensökonomie und Reporting
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