CONTROLLER Magazin 2/2020
88 tisch können im Betriebsalltag nur die Mitarbei- ter ohne Vorbehalte agil geführt werden, · die bereits eine hohe Routine beim Bewälti- gen ihrer Aufgaben haben und bei denen das Engagement stimmt, und/oder · die zum Beispiel in Teamstrukturen einge- bunden sind, die gewisse bei ihnen noch vor- handene fachliche und motivationale Defizite unterstützend ausgleichen. Alle anderen benötigen eine Unterstützung. Entsprechend groß muss die Verhaltensflexibili- tät der Führungskräfte sein. Entsprechendes gilt für agile Teams, die weit- gehend eigenständig und -verantwortlich ar- beiten. Auch sie erfordern einen gewissen Reifegrad der Mitglieder. Und diesen gilt es seitens der Unternehmen bzw. ihrer Füh- rungskräfte bei den Mitarbeitern und Teams zunächst zu entwickeln. Hierfür bietet das Lean-Leadership-Develop- ment-Modell einen geeigneten Ansatz, da es beim Entwickeln der Unternehmenskultur den Hebel zunächst bei den Führungskräften an- setzt, die als Coaches bzw. Befähiger und Er- mächtiger ihrer Mitarbeiter fungieren sollen (Stufe 1). Hierauf aufbauend wird dann · den Mitarbeitern das Bewusstsein vermittelt, dass die Notwendigkeit, sich zu verändern und regelmäßig die eigenen Denk- und Handlungsmuster zu überprüfen, künftig ein integraler Bestandteil des Arbeitsalltags ist und · sukzessiv ihr Selbstbewusstsein gestärkt „Irgendwie schaffe ich ...“ bzw. „... schaffen wir das schon“, so dass sie neue Heraus- forderungen beherzt angehen und sich eigenständig die erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen, um auch künftig Qualität zu produzieren. So wird allmählich bei den Mitarbeitern und Teams die Kompetenz aufgebaut, die für ein agiles, das heißt flexibles und weitgehend ei- genständiges und -verantwortliches Arbeiten nötig ist. Zudem wird in dem Unternehmen Schritt für Schritt eine Kultur verankert, bei der das Streben nach kontinuierlicher Verbesse- rung im Zentrum des individuellen und kollek- tiven Handels steht. Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen. In die letzte Entwicklungsstufe sind idealerwei- se alle Führungskräfte und die gesamte Organi- sation eingebunden. Nun geht es darum, das „Silo-Denken“ zu überwinden und alle Aktivitä- ten so aufeinander abzustimmen, dass die über- geordneten Unternehmensziele erreicht werden. Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, ver- sprechen sich die Unternehmen, dass sich die Innovationskraft ihrer Organisation erhöht; außer- dem, dass sie sukzessiv zu einer Entlastung der Führungskräfte führt – und zwar in dem Maße, wie ihre Mitarbeiter die Kompetenz entwickeln, eigenständig ihr Verhalten und Wirken zu re- flektieren und sich zu entwickeln. Insofern se- hen die Unternehmen hierin auch eine Maß- nahme, einem Burn-out ihrer Führungskräfte vorzubeugen. Auf dem Weg zur lernenden, agilen Organisation Zudem erhoffen sich die Unternehmen hiervon, dass hierdurch mittelfristig ihre Agilität steigt. Dies erachten sie für nötig, weil sie und somit auch ihre Führungskräfte und deren Bereiche in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt permanent vor neuen Herausforderungen stehen – zum Beispiel aufgrund der vielen Veränderungen, die sich im Unternehmen selbst sowie in des- sen Umfeld unter anderem aufgrund der Digi- talisierung von Wirtschaft und Gesellschaft vollziehen. Um diesen Veränderungen zeitnah Herr zu wer- den, streben aktuell immer mehr Unternehmen nach einer höheren Agilität, um beispielweise ihre Reaktionsgeschwindigkeit auf Marktverän- derungen zu erhöhen. Und von ihren Führungs- kräften fordern sie, ihre Mitarbeiter agil zu füh- ren. Dabei wird leider oft übersehen: Ein sol- cher Führungsstil, der weitgehend auf Selbst- organisation und Eigenverantwortung baut, setzt einen gewissen Reifegrad der Mitarbeiter, aber auch Führungskräfte voraus. Denn fak- Die Folge: Die Führungskräfte müssen im Ar- beitsalltag noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Außerdem müssen sie regelmäßig korrigierend und unterstützend eingreifen, weil die Leistung der Mitarbeiter nicht mehr den Kunden- und Marktanforderungen entspricht. Oder anders formuliert: Das Streben nach einer kontinuierli- chen Kompetenz- und somit Qualitätsverbesse- rung ist noch kein stabiler Prozess. Er muss stets aufs Neue angestoßen werden, was viel Zeit und Energie seitens der Führungskräfte erfordert und ihr Gefühl des Überlastetseins forciert. Lean Leadership: ein möglicher Lösungsweg Diesen Zusammenhang haben einige Unter- nehmen erkannt. Deshalb stellen sie ihre Per- sonal- und Führungskräfteentwicklungskon- zepte grundlegend in Frage und feilen an neuen Konzepten, um dieses Dilemma zu lösen. Dabei orientieren sie sich oft am Lean Leadership- Development-Modell. Dieses unterscheidet in der Kompetenzentwicklung von Führungskräf- ten 4 Stufen. Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln. Dahinter steckt die Annahme, dass es künftig eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, das eigene Verhalten und Wirken zu reflektie- ren und die eigene Performance systematisch zu erhöhen. Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln. Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und ihr Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren. Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen. Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen, Bereiche) in eine Rich- tung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu sichern. Agile Leadership
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