CONTROLLER Magazin 2/2020

52 „Multinationale Unternehmen zahlen (zu) wenig Steuern“! Das ist die Erkenntnis, zu der viele Studien wiederholt kommen und die regelmäßig zu Rechtsstreitigkeiten großer internationaler Konzerne (z. B. Apple, Amazon, Walt Disney, Starbucks) mit den jeweiligen Steuerbehörden führt. Ein Grund dafür ist Steuervermeidung durch Verrechnungspreise, mit denen multinati- onale Unternehmen (MNUs) ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben können. Um dies zu unterbinden, wurde eine Reihe an Richt- linien zur Verrechnungspreisgestaltung (z. B. OECD-Verrechnungspreisleitlinien) entworfen. Als Verrechnungspreise werden jene Preise be- zeichnet, die für innerbetrieblich ausgetauschte Güter und Dienstleistungen zwischen verschie- denen Bereichen im Unternehmen oder unter- schiedlichen Gesellschaften in einem Konzern verrechnet werden. Bedenkt man, dass in der Zwischenzeit bereits rund 50% des weltweiten grenzüberschreitenden Handels innerhalb der Unternehmensgrenzen stattfindet (siehe dazu OECD 2012), ist es verständlich, dass Regierun- gen ein Interesse daran haben müssen, dass diese Unternehmen ein Ergebnis dort ausweisen und versteuern, wo es erwirtschaftet wurde. Zielkonflikte von Steuer- und Steuerungs-Verrechnungspreisen Die angesprochenen Richtlinien verhindern zwar die Steuervermeidung multinationaler Un- ternehmen, beschränken allerdings die An- wendbarkeit von Verrechnungspreisen zu ihrem ursprünglichen Zweck, der Unternehmenssteu- erung. Denn steuerlich wasserdichte Verrech- nungspreise stehen häufig im Widerspruch zu betriebswirtschaftlichen Anforderungen. Inter- nationale Verrechnungspreise unterliegen dem, im internationalen Steuerrecht verankerten, Fremdvergleichsgrundsatz . Dieser besagt, dass bei grenzüberschreitenden Transaktionen innerhalb verbundener Unternehmen Verrech- nungspreise so festgesetzt werden müssen, wie dies bei einer vergleichbaren Transaktion unter voneinander unabhängigen Dritten auf ei- nem externen Markt der Fall wäre. Aus ökonomischer Sicht existieren Unterneh- men aber genau in jenen Bereichen, in denen sie besser als der Markt funktionieren. In die- sem Fall bietet der Fremdvergleichsgrundsatz allerdings kein funktionierendes Entschei- dungskriterium. Es ist im Interesse einer Cont- rolling-Abteilung, die zur Steuerung notwendi- gen Aufschläge einerseits möglichst gering zu halten und andererseits, zur besseren Ver- gleichbarkeit einzelner Einheiten, einheitlich über den Konzern zu gestalten. Wird die freie Festlegung solcher Verrechnungspreise aus steuerrechtlichen Gründen beschränkt, führt dies zu Verfälschungen in der Bewertung der Kosten und Leistungen und in der Folge zu fal- schen Entscheidungen. Die Unternehmen stehen somit vor einem Di- lemma: Einerseits brauchen sie ein effizientes Controlling-System, auf der anderen Seite müssen sie die Vorgaben für eine faire Besteu- erung erfüllen. Die konzeptionellen Unterschie- de der beiden Zielsetzungen verursachen Ziel- konflikte bei der Festlegung internationaler Ver- rechnungspreise. Illustriert wird dieser Zielkonflikt im Modell in Abbildung 1. In diesem Beispiel besteht das MNU aus einer vorgelagerten und einer nach- gelagerten Tochtergesellschaft. Die vorgelager- te Tochtergesellschaft, beheimatet in Land A mit Unternehmenssteuersatz t A , stellt ein Zwi- Internationale Verrechnungs- preise im Spannungsfeld von Steuerung und Steuern Ein Ansatz zur Lösung dieses Zielkonfliktes auf nationaler Ebene von Clemens Löffler © Cybrain – www.stock.adobe.com Internationale Verrechnungspreise

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