CONTROLLER Magazin 2/2020

32 Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren konsequent Marktstellung, Innovationsleistung, Produktivität und Führungskompetenz verbes- sert. Sie stehen heute kerngesund da, aber das Management weiß, dass der nächste Schritt in der Unternehmensentwicklung deutlich digitaler sein wird: Transformation von Daten in Nutzen, Mehrwert durch künstlichen Intelligenz, Bespie- lung aller Vertriebskanäle, Effizienzsteigerung durch Automatisierung ohne gleichzeitige Kom- plexitätsbremse usw. Aktuell stellt die „Digita- lisierung als unternehmerischer Zehnkampf“ ganz andere Herausforderungen an das Ma- nagement dar als früher: viel schneller, viel ver- netzter, viel gleichzeitiger. „Echtzeit“ bekommt vor diesem Hintergrund eine zusätzliche Bedeu- tung, nämlich die Herausforderung, zügig zu dis- kutieren, rasch zu entscheiden und unmittelbar in die Umsetzung zu gehen. Dabei gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Wir verfügen seit langem über bewährte Instrumen- te. Die schlechte: Diese Werkzeuge sind im Kon- text der Digitalisierung zu wenig bekannt. Der Hintergrund Vor einem viertel Jahrhundert haben Kaplan und Norton die Balanced Scorecard BSC ent- wickelt 1 . Eines ihrer Ziele war es, der Unterneh- mensführung ein pragmatisch einsetzbares Werkzeug zur Verfügung zu stellen, um Strate- gien und generell Zukunftsprogramme zu ope- rationalisieren. Kaplan und Norton haben im Rahmen ihrer Studien immer wieder zwei Prob- leme in der Strategieentwicklung festgestellt: Entweder sind Strategien viel zu abstrakt, so- dass die Umsetzung nicht stattfinden kann; oder die Führung ist vom Tagesgeschäft so ab- sorbiert, dass die Umsetzung nicht stattfinden wird. Genau diese beiden Probleme liegen heu- te beim Thema Digitalisierung vor. Die betriebs- wirtschaftliche Zeitrechnung verläuft oft nicht linear, sondern zirkulär. Dieselben Phänomene oder Herausforderungen tauchen – in anderem Kontext – immer wieder auf. Die Digitalisierung ist ein „unternehmerischer Zehnkampf“ In der Führungspraxis bedeutet die Digitalisie- rung die permanente Gefahr der Verzettelung, der Unübersichtlichkeit, des unterschiedlichen Verständnisses und der mangelhaften Umset- zung. Aus diesem Grund ist eine einfache, aber wirksame Methode notwendig, um die Komple- xität des Themas zu absorbieren. Dies bedeu- tet, die Vieldimensionalität der Digitalisierung zwar zuzulassen, aber auf eine umsetzbare Form zu komprimieren. Die Digital Scorecard (DSC) ist ein solches Verfahren und wendet die klassische BSC auf die Digitalisierung an. Und wie die BSC ist sie ein Katalysator für Diskussi- on, Entscheidung, Umsetzung und Review. Ein Merkmal der Digitalisierung besteht darin, dass sie umfassend in Geschäftsmodell, Strate- gie und Struktur eingreift und damit auch Kultur und Führung beeinflusst. Waren Schlüsselthe- men früher noch separiert umsetzbar, so gilt dies für die Digitalisierung und die „Neue Welt“ definitiv nicht mehr. Ein Beispiel hierfür ist die Balanced Scorecard selbst: Wenn ein Unterneh- men vor zwanzig Jahren die BSC eingeführt hat, war dies sicher ein anspruchsvolles Unterfan- gen. Aber Umfang und Komplexität hielten sich in Grenzen, weil „nur“ Führungs-, Reporting- bzw. Reviewprozesse betroffen waren und nicht die gesamte Unternehmens- bzw. Geschäftslo- gik. Klarerweise gab es immer wieder Beispiele, wo die BSC in der Praxis gescheitert ist. Dies ändert aber nichts am Befund, dass die Einfüh- rung dieser Methodik deutlich einfacher ist als die Digitalisierung des Geschäftsmodells. Die Digitalisierung scheitert nicht an Ideen, sondern an der Umsetzung Die digitale Transformation stellt sehr hohe An- forderungen hinsichtlich Umfang, Vernetzung, Interdependenz, Cross-Funktionalität und Kom- plexität. Wenn beispielsweise die Icahn School of Medicine patientenbezogene Datensysteme zur Prognose und frühen Gegensteuerung von Krankheiten einführt, so hat dies umfangreiche Konsequenzen für die gesamte Organisation. Wenn Rewe Digital den Lebensmitteleinzelhan- del neu aufstellt, wird diese Lösung nicht mit der „Alten Welt“ vergleichbar sein. Und wenn Morgan Stanley KI-Lösungen für das Anlagege- schäft einführt, bedeutet dies eine Revolution des Geschäfts. Unternehmen werden die gro- ßen, digitalen Themen nur dann stemmen kön- nen, wenn Management und Mitarbeiter über ein funktionierendes Steuerungsinstrument verfügen, das bei der Konkretisierung der Ziele und bei der Realisierung hilft. Wie für fast alle Führungsthemen, so gilt auch hier: Die Digitali- sierung scheitert nicht an den Ideen, sondern an der Umsetzung. Die Methodik Die Logik der DSC besteht aus vier Score- cards 2 und hat sich gegenüber der ursprüngli- chen BSC nicht wesentlich verändert. Die erste nennt sich „digitale Kunden und Märkte“. Es geht um Marktanteile, Umsatz, Absatz, Kun- dennutzen, Kundenbindung, Akquisition und In- novationsrate in der digitalen Welt. Zweitens werden die digitalen Prozesse und Produktivitä- ten betrachtet. Kernthemen sind die Effizienz- Die Digital Scorecard als Instrument der Unternehmensführung von Roman Stöger Digital Scorecard

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