CONTROLLER Magazin 2/2020
22 arbeiter, denn diese sind heute weitgehend „di- gital natives“, die wissen: Ohne eine effektive Nutzung der modernen Informations- und Kom- munikationstechnik ist ein konkurrenzfähiges Arbeiten heute kaum noch möglich. Eine flexible, kreative Workforce entwickeln Doch die hierfür erforderlichen flexiblen, kreati- ven Workforces fallen nicht vom Himmel: Sie entwickeln sich allmählich. Zwar stehen tech- nik-affine Mitarbeiter den neuen Möglichkeiten, Arbeitsprozesse zu gestalten, meist offener ge- genüber als solche, die sich von ihnen tenden- ziell überfordert fühlen, doch wie bei jeder Ver- änderung gilt auch beim Etablieren neuer For- men der Arbeitsorganisation und Zusammenar- beit: Neben Befürwortern gibt es Gegner sowie eine unentschlossene Masse. Also stellt sich die Frage: Wie kann die für den Erfolg des Pro- jekts erforderliche Zahl von Mitstreitern gewon- nen werden? Ein wirkungsvoller Transmissions- riemen kann hierbei das Um- oder Neugestal- ten der physischen Arbeitsumgebung sein – in zweifacher Hinsicht. Neue Formen der (Zusammen-)Arbeit, die zum Beispiel · einen hohen Grad an Technisierung und Automatisierung, · eine bereichs- und hierarchieübergreifende sowie crossfunktionale Teamarbeit und · kurze Entscheidungswege anstreben, erfordern meist auch andere Ar- beitsumgebungen. Also gilt es Arbeitsräume zu schaffen, die diese Ziele unterstützen. Ein Großraumbüro mit einer Rekreationsoase und einem Kicker in der Ecke kann hier eine einfa- che Lösung sein; oft ist sie jedoch nicht die beste. Denn letztlich gilt es, eine Arbeitsumge- bung zu kreieren, die den (künftigen) Arbeits- prozessen und -anforderungen entspricht und die Teams kreativ und produktiv macht. Deshalb empfiehlt es sich auch beim Umgestal- ten bestehender Arbeitsstätten im Vorfeld ge- nau solche Faktoren zu analysieren wie: · Wieviel Arbeitszeit wenden die Team- mitglieder künftig für gemeinsame Teamaufgaben auf? · Wie oft ist eine konzentrierte Einzelarbeit nötig? · Welche technischen Prozesse und Tools müssen wie integriert werden? Und: · Wie oft wird – mit Kollegen, externen Dienstleistern, Kunden usw. – konferiert oder telefoniert? Aus den Ergebnissen können Unternehmen dann das passende Raumkonzept ableiten und eine wirklich unterstützende Arbeitsumgebung für ihre Mitarbeiter schaffen. Zudem bietet eine solche Analyse die Chance zum Identifizieren und Beseitigen von Arbeitsprozessen, die zu ei- ner Verschwendung von Ressourcen, einer aus Kundensicht niedrigen Qualität und unnötigem Stress bei den Mitarbeitern führen. Nicht nur räumlich, sondern auch mental umziehen Ziehen Unternehmen, Bereiche oder Teams in neue Räume um, sollte sich generell mehr als die räumliche Umgebung ändern, denn: Jeder Umzug beinhaltet die Chance, außer mit dem Körper auch mit dem Kopf umzuziehen – also die Weichen auch mental neu zu stellen. Jedem Umzug geht ein längerer Planungspro- zess voraus. In ihm werden teils auch die Kar- ten neu gemischt. Das wissen die Mitarbeiter. Entsprechend neugierig, gespannt und (teilwei- se) „verunsichert“ blicken sie der Veränderung meist entgegen. Deshalb sollte aus Change- Management-Perspektive ein Umzug als ein or- ganisationaler „unfreeze“-Moment im Sinne Kurt Lewins genutzt werden: Die Mitarbeiter werden aus ihrer Komfortzone geholt und in Bewegung versetzt. Dementsprechend sollte die Phase geplanter Umzug bzw. geplante Neu- gestaltung der Arbeitsumgebung für das Entwi- ckeln, Testen und gegebenenfalls Etablieren zum Beispiel · neuer agiler Arbeitsweisen, · neuer Kommunikations- und Informations- formen sowie · neuer Führungsstile genutzt werden. Dabei geht es weniger um das Einführen neuer Tools als das Entwickeln eines veränderten Mindsets, denn: Organisationen werden nur schneller und flexibler, lernbereiter und kun- denorientierter, wenn die Mitarbeiter ihre Rolle anders verstehen – und ihre Führungskräfte top-down ein eigenständigeres und selbstbe- stimmteres Handeln real zulassen. Dieses neue Rollenverständnis gilt es zu reflektieren und in neuen Aufgaben- und Funktionsbeschreibungen sowie Vereinbarungen zu operationalisieren. Erfolgsfaktor „Beteiligung der Betroffenen“ Dabei ist eine Beteiligung der Betroffenen der Schlüssel zum Erfolg. Nutzen Unternehmen das Planen der neuen Arbeitsumgebung zum Über- denken und Weiterentwickeln der Arbeitswei- sen und -routinen mit den Mitarbeitern, dann können überkommene Strukturen sowie Denk- und Verhaltensmuster aufgebrochen und ver- ändert sowie zielführendere Prozesse imple- mentiert werden. Ermöglichen Unternehmen schon in der Pla- nungsphase eine Beteiligung der Mitarbeiter, können sie bereits in ihr eine größere Mitver- antwortung und mehr (Mit-)Gestaltungsmög- lichkeiten anstelle des gewohnten Top-down- Bestimmens in ihrer Organisation etablieren. Zudem können so viele Mitarbeiter, die dem Change noch abwartend bzw. kritisch-distan- ziert gegenüberstehen, bereits in einer frühen Phase als Mitstreiter gewonnen werden. Autor Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensbera- tung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner. de). Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Busi- ness-School und der technischen Universität Clausthal. E-Mail: info@kraus-partner.de New Work
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