CONTROLLER Magazin 2/2020

20 Becker: Das ausschlaggebende Risiko der Di- gitalisierung sind nicht etwa prominent erschei- nende Einzelrisiken. Vielmehr besteht die mei- nes Erachtens größte Gefahr darin, dass durch die Bündelung von Einzelrisiken signifikan- te Klumpenrisiken entstehen . Diese Klum- penrisiken können nicht nur die digitale Trans- formation insgesamt maßgeblich behindern, sondern vor allem in jedem Einzelfall existenz- bedrohende Wirkungen entfalten. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit, sowohl Chancen als auch Risiken bewusst und syste- matisch abzuwägen. Ein somit integriertes Chancen- und Risikomanagement zielt dar- auf ab, Chancen wie auch Risiken in einem zy- klisch-iterativ durchzuführenden Prozess syste- matisch und vor allem ganzheitlich zu identifi- zieren, zu analysieren, zu bewerten, zu steuern und letztlich zu überwachen. Eine grundlegen- de Voraussetzung hierfür ist die detaillierte Analyse des unternehmerischen Geschäftsmo- dells, um sowohl die Nutzenpotenziale als eben auch die Risikopotenziale möglichst frühzeitig aufzudecken und zu analysieren. Unternehmen müssen also Chancen und Risiken integrativ in Digitalisierungsentscheidungen einbinden und ihre Geschäftsmodelle im Sinne einer nachhal- tigen Wertschöpfung transformieren. Biel: Ich habe mich für die sehr angenehme Kooperation während der Vorbereitung und Durchführung unseres Interviews herzlich zu bedanken. Zudem darf ich meinen Dank und meinen Respekt für die aufschlussreichen Antworten vermitteln. Unternehmen mitarbeiterfreundliche Um- strukturierungen durchsetzen sowie zweck- dienliche Qualifikationsmaßnahmen offerieren. Außerdem kann eine stärkere Kooperation zwi- schen Bildungsinstituten und der Unternehmens- praxis dabei unterstützen, das Kompetenzprofil der heutigen und der künftigen Mitarbeiter zu schärfen und sie stärker für das Digitalisierungs- thema zu sensibilisieren. Biel: Wir haben uns bereits gefragt, welche möglichen Beziehungen können im Rahmen der Digitalisierung zwischen Ökonomie und Ökolo- gie bestehen. Zum Zeitpunkt unseres Inter- views werden Fragen der nachhaltigen Ent- wicklung intensiv diskutiert. Sehen Sie ein po- tenzielles Spannungsverhältnis zwischen Digi- talisierung und Nachhaltigkeitszielen? Becker: Zweifelsohne besteht ein deutlicher Zu- sammenhang zwischen der Digitalisierung und den genannten Nachhaltigkeitszielen. Die Ziel- beziehungen können jedoch grundsätzlich stets komplementär als auch konfliktär auftreten . Sehr wichtig scheint mir das Bewusstsein für das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen der Nachhaltigkeitsdimensionen im Unterneh- men zu sein. Ein häufiger Fehler besteht in der Praxis darin, dass man die genannten Nachhal- tigkeitsziele weniger gesamthaft verfolgt, son- dern als singularisierte Ziele betrachtet. Biel: Liegt vielmehr der Fokus auf ökonomische Betrachtungen? Stradtmann: Vor allem die Unternehmen, die sich zu stark lediglich auf ökonomische Risiken fokussieren, laufen Gefahr, durch mangelnde Mitarbeiterintegration frühzeitig interne Wi- derstände aufzubauen sowie zugleich unter ökologischen Gesichtspunkten wesentliche Fragen eines nachhaltigen Ressourcenmana- gements zu verfehlen. Biel: Im Rahmen unseres Dialogs konnten wir nur einige potenzielle Risiken des digitalen Wandels anreißen. Vieles bliebe noch zu sagen. Mich haben bei der Vorbereitung z. B. die stark wachsenden verschiedenen Formen des Ab- hängigseins überrascht. Möchten Sie abschlie- ßend noch einen besonderen Risikoaspekt er- wähnen oder unseren Leserinnen und Lesern Empfehlungen vermitteln? könnte in Deutschland beinahe jeder fünfte Ar- beitsplatz leicht durch Maschinen oder Soft- ware ersetzt werden. In der Debatte sind u. a. Stichworte wie Defizite in der Qualifikation und notwendige Um-Qualifizierungen, Öffnung der sozialen Schere, Widerstände oder Kulturprob- leme, weil neue Formen der Führung und Orga- nisation erforderlich werden. Sehen Sie darin übliche Begleiterscheinungen von Verände- rungsprozessen oder doch eher handfeste Probleme des digitalen Wandels? Becker: Die Digitalisierung unserer Wirt- schaftswelt ist zweifelsohne ein besonders weitreichendes Unterfangen, das in den Unter- nehmen grundsätzlich ein integratives Strate- gie- und Organisationsdesign erfordert, um nicht einem digitalen Darwinismus zu verfal- len. Dazu gehört es dann selbstverständlich auch, den Transformationsprozess durch einen geeigneten Change-Managementprozess zu begleiten, der die sozialen Spannungen auf- greift und diesbezüglich auch arbeitnehmer- verträgliche Lösungen findet. Biel: Sehen Sie also die Notwendigkeit eines besonderen Engagements zur Abfederung der personellen und sozialen Auswirkung der Digi- talisierung? Stradtmann: Im Vergleich zu kleineren projekt- basierten Einzelvorhaben kann die Tragweite der Digitalisierung durchaus weitreichendere Konse- quenzen im sozialen Bereich verzeichnen. Dem- zufolge bedarf es eines ganzheitlichen Verän- derungsmanagements im Unternehmen, um die Mitarbeiter für den anstehenden Wandel frühzeitig zu sensibilisieren. Dies ist unabhängig davon, ob das Geschäftsmodell radikal oder in- krementell digitalisiert wird. Aus diesem Grunde sollte der soziale Bereich frühzeitig durch ein ganzheitliches Change-Management in die Ver- änderungsprozesse eingebunden werden, um dem Gefühl von Überforderungen , dem Auf- kommen interner Widerstände und einer grund- legenden Angst vor Arbeitsplatzverlust zielge- richtet zu begegnen. Hinzuweisen ist auch dar- auf, dass die Digitalisierung auch Möglichkeiten eröffnet, um monotone Routinearbeiten zu ver- meiden und angemessene Mensch-Maschine- Interaktionen zu unterstützen. Dies kann aller- dings nur gelingen, wenn die Mitarbeiter frühzei- tig an die Thematik herangeführt werden und die Die Schattenseiten des Netzes · Millennial-Diskussion · Filterblasen · Fake News · Trolle · Viren, Würmer und andere Schadsoftware · NSA und Datenüberwachung · Darknet Quelle: Specht, Philipp: Die 50 wichtigsten Themen der Digitalisierung: Künstliche In- telligenz, Blockchain, Robotik, Virtual Reali- ty und vieles mehr verständlich erklärt. 4. Auflage. München: Redline 2019; Rezension im CM-Literaturforum 1/20 Infobox 3 Interview zum Thema: Digitaler Wandel

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