Controller Magazin 9/10-2020
89 Controller Magazin | Ausgabe 5 HINTERGRUND 2019 noch keine 200 Tsd. elektrisch betriebene Fahrzeu- ge und das, obwohl ab Neuzulassung 18.5.2016 eine Prä- mie von 4000 € eingeführt wurde, um zumindest 300 Tsd. Elektrofahrzeuge in den Markt zu bringen. Auch die- ses Ziel wurde verfehlt. Die Förderung wurde im Februar 2020 auf 6000 € erhöht, wovon die Hersteller wieder die Hälf te tragen (rückwirkend für Erstzulassungen nach dem 4.11.19). Und Anfang Juni 2020 erhöhte sich die staatliche Subvention nochmals um 3000 €, so dass bei kleineren Fahrzeugen der Gesamtrabatt 50% überstei- gen kann. Dass Autoindustrie und Autofahrer bereits am Subven- tionstropf hängen, zeigt die Tatsache, dass zwischen An- kündigung der erhöhten Prämie im Dezember 2019 und der letztendlichen Einführung Mitte Februar 2020 der Verkauf der Elektrofahrzeuge zusammengebrochen ist. In diesem Fall kann der Controller erneut feststellen, dass schon die Ankündigungen von Subventionen oder ihrer Änderung den Markt auf den Kopf stellen können. Der Staat engagiert sich aber noch weiter, indem er die Kfz-Steuer für 10 Jahre erlässt. Zudem erhält der Staat pro gefahrenen 100 km bei Elektrofahrzeugen wesent- lich weniger Steuern als über die Mineralölsteuern/Ener- giesteuern der Verbrenner. Zusätzlich muss der Controller auch noch die neuen Re- geln für Dienstfahrzeuge berücksichtigen. Es geht insb. um die steuerlichen Vergünstigungen beim geldwerten Vorteil von Dienstfahrzeugen. Statt 1% des Listenpreises müssen die Dienstwagenfahrer nur noch 0,5% bei Plug- in-Hybriden und nur noch 0,25% bei Elektrofahrzeugen versteuern. Und schließlich dürfen die Mitarbeiter den Wert des während der Arbeitszeit geladenen Stroms steuerfrei kassieren. Es gibt also jede Menge zusätzliche Arbeit für Controller, um im Subventionsdschungel neue Ansätze zu finden und dazu die richtigen Entscheidungs- grundlagen inkl. der Wirkung der jeweiligen Subventio- nen zu erstellen. Folgen für Unternehmen, die keine Fahrzeuge herstellen Der Controller sollte u. a. die Dienstwagenstrategie über- prüfen. Es kann sinnvoll sein, den Mitarbeitern z. B. Plug- in-Hybride anzubieten, obwohl die damit möglichen elektrischen Kilometer ggf. kaum genutzt werden. Aber der Aufpreis liegt teilweise unter der Prämie, weil die Hersteller für jeden Plug-in-Hybrid mehr profitable SUVs verkaufen dürfen (vgl. dazu Hoberg (2020), S. 1 ff.). Die Mitarbeiter werden begeistert sein, weil sie nur noch die Hälfte (bei einem reinen E-Fahrzeug ein Viertel) der frü- heren Beträge als geldwerten Vorteil versteuern müssen. Bei einem Listenpreis des Plug-in-Hybriden von 40 T€ werden somit nicht mehr 400 € monatlich versteuert, sondern nur noch 200 €. Für die Mitarbeiter ist das ein Vorteil von oft über 1000 € jährlich. Bei reinen Elektro- fahrzeugen verdoppelt sich der Vorteil sogar. Der Kraft- stof fverbrauch und damit auch der CO 2 -Ausstoß der Plug-in-Hybride werden hingegen kräftig steigen, weil die Fahrzeuge insb. auf Langstrecke deutlich mehr ver- brauchen. Der Mehrverbrauch gilt nicht nur gegenüber dem geringen Normverbrauch (teilweise 1,6 l/100km), sondern auch gegenüber den Fahrzeugen ohne Elektro- komponenten. Letztere erhöhen wesentlich das Gewicht der Hybride und führen wegen des Platzbedarfs auch zu größeren Fahrzeugen, wenn das Raumangebot gleich bleiben soll. Der Normverbrauch ist auch deswegen so niedrig, weil nur die ersten 100 km gemessen werden, wobei eine volle Batterie unterstellt wird. Dass der Stromverbrauch bei der Ermittlung des CO 2 -Ausstoßes nicht berücksichtigt werden muss, überrascht inzwi- schen nicht mehr. Der Mehrausstoß an CO 2 muss den Dienstwagenfahrer nicht interessieren, weil der Kraft- stoffverbrauch für Privatfahrten mit der Versteuerung des geldwerten Vorteils abgegolten ist. Der Controller kann angesichts dieser Subventionen vor- schlagen, dass die Entgeltpolitik mit positiven Folgen für Unternehmen und Mitarbeiter verbessert wird. Das Un- ternehmen darf den Mitarbeitern anbieten, dass sie ihre privaten Elektrofahrzeuge kostenlos aufladen. Da die meisten Fahrzeuge tagsüber auf dem Mitarbeiterpark- platz stehen, bietet sich häufig eine Kombination mit ei- ner Photovoltaikanlage an. Diese erzeugt den Strom i. d. R. für unter 10 Cent/kWh. Der geldwerte Vorteil für den Mitarbeiter unterliegt nicht der Versteuerung. Die nächs- ten Lohnerhöhungen könnten angesichts solcher Vor- teile berechtigterweise etwas geringer ausfallen. Folgen für Fahrzeughersteller Die Fahrzeughersteller müssen sich in Europa auf eine ganz neue Welt mit neuen Spielregeln einstellen, wo- bei die Basisverordnung 443/2009 des europäischen Parlaments und des Rates bereits 2009 verabschiedet wurde. Danach muss im Jahre 2020 der durchschnitt liche CO 2 -Ausstoß auf durchschnittlich 95 gCO 2 / km gesenkt werden. Die Autohersteller hatten also genug Zeit zur Vorbereitung. Trotz der Erfahrungen mit den Dieselbetrügereien hat der Staat aber wieder zugunsten der Autoindustrie ein- gegriffen. Es gibt einige erstaunliche Sonderregelungen, mit denen die Härte des Ziels aufgeweicht wird. So dür- fen sich die Hersteller den Verkauf von Elektrofahrzeu- gen mit 0 gCO 2 / km anrechnen lassen, für das Jahr 2020 sogar doppelt. Damit können dann deutlich mehr profi- table Verbrenner verkauft werden, deren Ausstoß über demGrenzwert von 95 gCO 2 / km liegt. Auf dieser Grund- lage lohnt es sich sogar, die Elektrofahrzeuge unter Kos- ten zu verkaufen, wenn die Deckungsspannen der Ver- brenner hoch genug sind (vgl. hierzu die Analyse von Ho- berg (2020), S. 1 ff.). Insb. die VW-Gruppe müsste 2020 ohne Elektrofahrzeuge über 4 Mrd. € Strafe zahlen. Kein Wunder, das der Preis der Elektrofahrzeuge mehr als hal- Prof. Dr. Peter Hoberg lehrt als Professor für Betriebswirtschaftslehre an der FachhochschuleWorms. Auf Basis einer 15-jährigen Erfahrung in internationalen Unternehmen beschäftigt er sich insb. mit Themen des Controllings und der Investitionsrechnung. Schwerpunkt seines Interesses ist die Verbindung von Theorie und Praxis. hoberg@hs-worms.de
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