Controller Magazin 9/10-2020

75 Controller Magazin | Ausgabe 5 AKC-KOLUMNE Diese Verschiebung der Schwerpunkte bringt auch für die Kostenrechnung wesentliche Änderungen mit sich (vgl. Abb. 1). Als Zurechnungsobjekte dominieren in der traditionellen Kostenrechnung Produkte, Organi- sationseinheiten oder auch Kunden (z.B. mehrstufige DB-Rechnung). Die Erfassung der Kosten und Erlöse eines Wertstroms oder der explizite Ausweis von Kos- ten der Verschwendung nach Lean-Prinzipien ist aber meist unmöglich. Fakt ist daher: Wenn sich ein Unternehmen dem Lean- Management verschreibt, dann hat die traditionelle Kostenrechnung Schwächen. In Praxis und Wissen- schaft wurden verschiedene Vorschläge zur Abkehr von der traditionellen Kostenrechnung und Implementie- rung eines „accounting for lean“ gemacht. Diese sind als „Value Stream Costing“ (vgl. Maskell et al. 2012), „Throughput Accounting“ (vgl. Goldratt/Cox 2013) oder „Kostenrechnung für Ganzheitliche Produktionssyste- me“ (vgl. Michalicki 2019) bekannt. Handlungsempfehlung Für ein Unternehmen mit Lean-Fokus stellt sich damit die Frage, inwelcher Form es seine Kostenrechnung anpassen soll. Ein radikaler Umstieg ist unrealistisch, weil rechtliche Vorgaben (Bewertung von Beständen, Periodenabgrenzung von Erlösen und Kosten, etc.) weiterhin eingehalten wer- den müssen und die Beteiligten leicht überfordert werden. Zu empfehlen ist deshalb eher eine Pilotie- rung, welche parallel zur gewohnten Kostenrechnung erfolgt und Vergleichsrechnungen zwischen den Sys- temen ermöglicht. Erste Ansätze können hier sein:  ▶ Einführung eines zusätzlichen Kostenobjekts „Wert- strom“, für den Kosten ermittelt werden.  ▶ Aufgliederung der Bestände in „betrieblich notwen- dig“ und „vermeidbar“ – wobei letztere als Verschwen- dung behandelt werden.  ▶ Einführung einer Kapazitätsrechnung, welche genutz- te und nicht genutzte Kapazitäten ermittelt und diese den Kosten gegenüberstellt. Ausblick Lean hat sich etabliert. Auch ohne Umstieg auf ein völlig neues System müssen Unternehmen prüfen, wie Wertstrom und Verschwendung besser in ihrer Kos- tenrechnung abbildbar sind. „Accounting for lean“ gibt hier wertvolle Anregungen, die sich auch schrittweise umsetzen lassen. Literatur  ■ Charifzadeh, M./Taschner, A./Bettache, A. (2013): Werttreiber Lean Production, in: Controlling & Management Review, 57. Jg., Heft 2, S. 48-57.  ■ Goldratt, E./Cox, J. (2013): Das Ziel. Ein Roman über Prozessoptimierung, Frankfurt: Campus.  ■ Horsch, J. (2018): Kostenrechnung : Klassische und neue Methoden in der Unternehmenspraxis, 3. Aufl., Wiesbaden: SpringerGabler.  ■ Maskell, B./Baggaley, B./Grasso, L. (2012): Practical Lean Accounting, Boca Raton: CRC Press.  ■ Michalicki, M. (2019): Entwicklung eines Systems zur Bewertung Ganzheitlicher Produktionssysteme, Dissertation Uni Magdeburg.  Arbeitskreis Controlling-Professuren anHochschulen Sprecher dieser Artikelreihe: Prof. Dr. Andreas Wiesehahn, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, E-Mail: andreas.wiesehahn@h-brs.de Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. Hanno Drews (Verhaltensorientiertes Controlling), Prof. Dr. Nicole Jekel (Marketingcontrolling), Prof. Dr. Britta Rathje (Operatives Controlling, insb. Kosten- und Erfolgsmanagement), Prof. Dr. Solveig Reißig-Thust (Controlling und Compliance, Value Based Management, Unternehmensbewertung, Controlling in Gründungsunter- nehmen), Prof. Dr. Andreas Taschner (Management Reporting, Investitionscontrolling, Supply Chain Controlling), Prof. Dr. Andreas Wiesehahn (Einkaufscontrolling, Nachfolgecontrolling, Nachhaltigkeitscontrolling) Arbeitskreis Controlling-Professuren an Hochschulen Prof. Dr. Andreas Taschner ist Professor für Rechnungs- wesen und Controlling an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Er ist Mitglied imArbeitskreis der Controlling-Professoren an Hochschulen. andreas.Taschner@ reutlingen-university.de Abb. 1: Verschiebung der Schwerpunkte in der Kostenrechnung

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