Controller Magazin 9/10-2020

69 Controller Magazin | Ausgabe 5 PRAXIS Zur Ermittlung der Produktionskosten der Szenarien erfolgte die Hinterlegung der ver- schiedenen Mengengerüste und ihrer jewei- ligen OEE-Daten im MES-System HYDRA. Weiterhin wurden neue Fertigungsvarian- ten angelegt, damit auch die Alternative „manuelle Endverpackung“ berücksichtigt werden konnte. Diese Szenarien sind sodann im Leitstand (Produktionsplanungsmodul) der HYDRA ex-ante simuliert und daraus die Produktionskosten der Szenarien aus den Ergebnissen der Simulation abgeleitet wor- den. Das Ergebnis der Kostenvergleichsrech- nungen ist in Abbildung 4 gegenüberge- stellt. Hierbei ist die Kostenentwicklung für die manuelle Endverpackung deutlich güns- tiger, bedarf jedoch anderer und teurerer Verpackungsmaterialien. Folglich sind die Gesamtkosten der manuellen Endverpa- ckung zwar höher als die der optimierten maschinellen Endverpackung, jedoch liegen ihre Kosten zwischen dem vorgefundenen Ist-Szenario und denen der Ertüchtigung der Verpackungsmaschine. Ferner zeigte sich, dass die Belassung des Status Quo nicht wei- ter in Betracht kam, da beide anderen Alter- nativen weniger Gesamtkosten aufwiesen. Neben dem Vergleich der Kosten ist die Amortisationszeit wichtiger Entscheidungs- parameter bei Investitionsentscheidungen der DEGRO. Da der Status Quo wegfiel, re- duzierte sich hier die Betrachtung auf die beiden anderen Handlungsalternativen. In Abbildung 5 sind die Einsparungen, Investi- tionskosten und daraus abgeleitet die Amortisationszeit aufgeführt. Letztere nur für die Ertüchtigung, da die manuelle End- verpackung keinen zusätzlichen Investiti- onsbedarf notwendig machte. Investitionsentscheidung auf Basis der Investitionsrechnungen Die Betrachtung der Investitionsrechnun- gen und hier insbesondere die Einsparungs- potenziale legten zunächst eine Entschei- dung für die Investition in die Ertüchtigung der Verpackungsanlage nahe, da diese die höchsten jährlichen Einsparungen aufwies. Jedoch waren nicht nur die reinen Produkti- onskennzahlen bzw. Investitionsrechnun- gen bei der Entscheidung von Bedeutung, sondern auch vertriebliche Einflussfaktoren zu berücksichtigen, welche schließlich den Ausschlag gegen die Investitionsentschei- dung gaben. Das wesentliche Argument ge- gen die Investition lag darin begründet, dass nur ein (Haupt-) Kunde die Abpackauf- träge benötigte, der zudem nicht gewillt war, seine Endverpackung zu ändern. Eine weitere Randbedingung – trotz der in dem maximalen Mengenszenario recht geringen Amortisationszeit – sind die in diesen Marktsegmenten üblichen Verträge mit kurzen Laufzeiten, die wiederum häufig er- neuert werden. Die daraus folgende große Unsicherheit gab schließlich den Ausschlag zu Gunsten der Alternative „manuelle End- verpackung“. Zusammenfassung Das Investitionscontrolling steht in Zeiten von Industrie 4.0 u. a. vor der Herausforde- rung, Investitionsentscheidungen in diese Technologien zu bewerten. Gleichzeitig ver- fügt es mit neuen IT-Systemen, die den Shop-Floor Bereich anbinden, über neue Datenquellen und Funktionalität. Diese Da- ten und ex-ante Simulationen von Hand- lungsalternativen fundieren dabei die In- vestitionsentscheidungen, sollten aber auch nur ein, wenn auch nicht unwichtiges Kriterium, bei Investitionsentscheidungen sein. Das Anwendungsbeispiel hat hierzu das Zusammenspiel zwischen Kennzahlen bzw. KPIs, dem PDCA-Zyklus und den Mög- lichkeiten von MES-Systemen aufgezeigt. Auch wenn die Entscheidungen der DEGRO wider Erwarten gegen die Automatisie- rungsalternative ausfiel, so erzeugte das Produktionscontrolling auf Basis der MES- Daten eine Kostentransparenz, die zur Ob- jektivierung der Entscheidungen und damit zu einer Aufwertung des Investitionscont- rollings führte.  Fußnoten vgl. (Thiele, Munck, Riechmann 2016, S. 67) 2 Vgl. (Kratzsch, Kress 2019) 3 vgl. www.mpdv.com 4 vgl. (Thiele, Munck, Riechmann 2016, S. 75) 5 vgl. (Parmenter 2010, S. 2 ff.) 6 vgl. (Wiendahl, Kluth, Kopp, 2019, S. 23 ff.) 7 vgl. (VDMA 66412-2, S.2, 2010) 8 vgl. (Haller, Kress, Vauth, 2015, S. 55) 9 vgl. (Kostka, Kostka, 2017, S. 34 ff.) 10 vgl. eine ausführliche Beschreibung dieser Kennzahl und des Einsatzes bei DEGRO findet sich bei (Kratzsch, Kress, 2019 S. 18 ff.) Literaturverzeichnis Haller, P.; Kress, S.; Vauth, J.: Steuerung mittels Leitstand bei Airbus Bermen, in: Controlling &Management Review, S. 50 – 58, Heft 2, 2015 Kostka, C; Kostka, S.: Der kontinuierliche Verbesserungs- prozess: Prinzipien undMethoden, 7. Auflage, Hanser. München, 2017 Kratzsch, T.; Kress, S.: Controlling in Zeiten von Industrie 4.0 – Einsatz vonMES-Daten für das Produktionscont- rolling bei der DEGRO. In: Controller-Magazin, Heft 4, S. 16 - 22, 2019 Parmenter, D.: Key Performance Indicators (KPI): Developing, Implementing and UsingWinning KPIs, New Jersey, 2010 Thiele, P.; Munck, J. C.; Riechmann, D.: Controller-Kom- petenzen imZeitalter von Industrie 4.0 gezielt weiterentwickeln. In: Gleich, R.; Losbichler, H.; Zierhofer, R: Controlling und Industrie 4.0. Konzepte, Instrumente und Praxisbeispiele für die erfolgreiche Digitalisierung, S. 43 - 60, Haufe, Freiburg, 2016 VDMA: Manufacturing Execution Systems (MES), Kennzahlen-Wirkmodell, VDMA-Einheitsblatt 66412-1 ff., Frankfurt, 2010 Wiendahl, H.-H.; Kluth, A.; Kipp, R.: Marktspiegel Business-Software. MES-Fertigungssteuerung 2019/2020, Tovarit AG, Aachen 7. überarbeitete Auflage, 2019 Bestseller mit Basiswissen Ef fektives Controlling erfordert Fachwissen und Verhaltenskenntnisse Mit dem umfassenden, topaktuellen Controlling-Wissen dieses Buches verschaffen Sie sich Sicherheit bei der Steuerung Ihres Unter­ nehmens. Durch die Fokussierung auf die Praxis ist das Buch der ideale Begleiter im Controlleralltag und zeigt Ihnen die Entwicklung zum Business-Partner des Managements auf. Für die 18. Auflage hat das Autorenteam, Dr. Dr. h.c. Albrecht Deyhle, Dr. Klaus Eiselmayer und Dipl-Oec. 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