Controller Magazin 9/10-2020

62 Controller Magazin | Ausgabe 5 PRAXIS mus genutzt. Die Ermittlung von Treibern, die den MM wesentlich beeinflussen, erfolgte im Rahmen von Work- shops, bei denen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Be- reichen, wie etwa dem Commercial Management und der Vertriebssteuerung, ihre Expertise einbrachten. Die so ermittelten Treiber wurden im Anschluss kategori- siert, vorpriorisiert und mit Wirkungshypothesen hinter- legt. Wenn aus fachlicher Sicht ein Treiber nur auf einzel- ne Größen Einfluss hat, wurden imModell entsprechen- de Einschränkungen hinterlegt, um Korrelationen, die nicht gleichzeitig eine Kausalität aufweisen, exante aus- zuschließen. Neben der Treiberbaum-Basisstruktur und Treiber-Kom- ponenten sind Maßnahmen und Vertriebsaktionen, die zur Erreichung der gesetzten Ziele im Sinne von Gegen- steuerungsmaßnahmen durchgeführt werden, im trei- berbasierten Modell integriert und bilden die dritteMo- dellkomponente . ImModell werden dazu separate Trei- ber in Form von definierten Kennzahlen für bestimmte Typen von Maßnahmen, die regelmäßig auftreten, abge- leitet. Dies hat den Vorteil, dass keine Annahmen zu den Wirkungen der Maßnahmen hinterlegt werden müssen, die anfällig für Verzerrungen sind. Dieses Vorgehen eig- net sich aber vor allem für wiederkehrende Maßnahmen, da deren Wirkungen durch das Modell aus der Historie „angelernt“ werden können. Für seltene, disruptive Ef- fekte wurden Eingriffsmöglichkeiten imModell geschaf- fen, da für diese keine reproduzierbaren Zusammen­ hänge aus der Historie vorliegen. Die aus den erwarteten Effekten abgeleiteten Annahmebündel setzen dann bei den einzelnen Treibern an. Für alle im Modell verwendeten Größen, also auch für die Treiber und Kennzahlen, die die Maßnahmen be- schreiben, ist es notwendig, dass historische Daten vor- liegen. Aus den historischen Konstellationen von Trei- bern, Maßnahmen, Teilnehmern und Durchschnittskos- tensatzkomponenten „erlernen“ die verwendeten Algo- rithmenWirkungszusammenhänge, die auf zukünftige Treiberkonstellationen angewendet werden. Bei der Er- stellung von Prognosen werden dann realistische Ein- schätzungen zur Entwicklung der Treiber sowie der un- terstellten Maßnahmen als Inputfaktoren im Predictive Analytics Modell MM verarbeitet. Durch die Simulation können die Auswirkungen bestimmter Konstellationen von Treibern und Maßnahmen auf den MM getestet werden. Vielversprechend, aber tiefesWissen über dieWirkungsweise erforderlich Ziel ist es, ein Modell von hoher Prognosegüte mit dem notwendigen zeitlichen Vorlauf zu entwickeln, um auf Basis der Modellergebnisse Maßnahmen zur Gegensteu- erung einzuleiten. Hierzu wurde ein rollierender Progno- sehorizont von drei Monaten gewählt, der es ermöglicht, zeitgerecht Maßnahmen zu initiieren. Im Testzeitraum weist das Modell in seiner aktuellen Entwicklungsstufe auf Basis von Monatswerten innerhalb eines Jahres eine Genauigkeit von etwa 6 % gemessen an der mittleren absoluten prozentualen Abweichung auf. Bei der Interpretation der Ergebnisse gilt es zu beachten, dass die Gültigkeit nur für Entwicklungen gegeben ist, die in der Vergangenheit bereits in ähnlicher Form aufge- treten sind. In Bereichen, in denen sich der MM regelmä- ßig bewegt, kann eine adäquate Modellgenauigkeit er- wartet werden. Prognosen und Simulationen können je- doch nicht für neue, unbekannte Geschäftssituationen vorgenommen werden, beispielsweise um neue Ge- schäftsmodelle zu bewerten oder um disruptive Verän- derungen im Mobilfunkgeschäf t zu prognostizieren. Hierzu liegen dem Modell keine historischen Erfah- rungswerte vor. Für die schrittweise Verbesserung des Modells ist es erforderlich, die einbezogenen Treiber und die Prognosequalität fortlaufend zu überwachen und Anpassungen vorzunehmen. Aus theoretischer aber vor allem auch aus praktischer Sicht ist dabei stets zu fragen, was mit anderen Modelltypen, zusätzlichen Treibern, ei- ner höheren Datenqualität oder einem veränderten Mo- dellaufbau an zusätzlicher Genauigkeit gewonnen wer- den könnte. Für die Zukunft ist geplant, die treiberbasierte Prognose um ein treiberbasiertes Reporting zu ergänzen, um den Controllingprozess ganzheitlich zu unterstützen. Zudem soll der prototypische Aufbau auf weitere Bereiche, z.B. die laufenden Erlöse, schrittweise ausgeweitet werden. Teilweise lassen sich dort die einzelnen Prognosebe- standteile, wie etwa die zu erwartenden Neukunden, nutzen. Dieses Vorgehen fördert auch die Konsistenz in- nerhalb der Vorschaurechnungen. Erste Erfahrungen und Empfehlungen Die ersten Projekterfahrungen zeigen, dass vor allem ein funktionsübergreifendes Projektteam, das Wissen um die Beschränkungen des Modells und darauf auf- bauend regelmäßiges Erwartungsmanagement im Con- trolling und bei den Fachbereichen erforderlich sind, um treiberbasierte Simulationsprojekte erfolgreich durch- zuführen. Entscheidend für den Projekterfolg erscheint u.E. ein tiefes Business Understanding im ersten Projekt- schritt. Hierzu ist eine funktionsübergreifende Projekt- zusammensetzung zwingende Voraussetzung, damit „Für seltene, disruptive Ef fekte wurden Eingrif fsmöglichkeiten im Modell geschaf fen, da für diese keine reproduzierbaren Zusammenhänge aus der Historie vorliegen.” Jan Sturm ist Senior Controller im Finanzbereich der Telekom Deutschland. Dort ist er verantwortlich für den „Marktinvest Mobilfunk“ aus Finanzperspektive und betreut als Product Owner das Predictive Analytics Projekt „Marktinvest“. sturmj@telekom.de Prof. Dr. Andreas Wiesehahn ist Professor für Rechnungs- wesen und Controlling an der Hochschule Bonn-Rhein- Sieg. Er ist imVorstand des BRS Instituts für Internatio- nale Studien aktiv und berät Unternehmen zu allen Fragestellungen des anwendungsorientierten Controllings und der Unternehmensnachfolge. andreas.wiesehahn@h-brs.de

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