Controller Magazin 9/10-2020

59 Controller Magazin | Ausgabe 5 PRAXIS Die klassischen Planungssysteme des Con­ trollings gehen üblicherweise von einer ge- wissen Stabilität des Unternehmensumfelds und der nahezu unveränderlichen Kenntnis der Umfeldeinflussgrößen aus. Aktuell macht aber die Coronakrise schmerzlich deutlich, dass in volatilen, unsicheren, kom- plexen und mehrdeutigen Zeiten diese trä- gen und vergleichsweise starren Prozesse und Modelle nicht ausreichen, um die Steu- erbarkeit von Unternehmen sicherzustellen. Damit ist der Controller mehr denn je zuvor gefragt, die richtigen Instrumente zur Un- terstützung des Managements bereitzustel- len. Die Werkzeuge der Digitalisierung ver- sprechen, hier Hilfestellungen zu geben. Aber werden diese Instrumente den voll- mundigen Versprechungen der IT- und Bera- tungsbranche gerecht? Bisherige Erfahrungen mit treiberbasierten Simulationsmodellen Einige, vor allem große Unternehmen, sam- meln zur Zeit Erfahrungen mit treiberbasier- ten Simulationsmodellen: So konnte Sie- mens nach eigenen Angaben die Effizienz, Qualität und Flexibilität der Planung signifi- kant erhöhen (vgl. Hagl et al. 2018, S. 25) und auch BASF (vgl. Schäffer 2017, S. 25ff) und Infineon (vgl. Federmann et al. 2020) nutzen diese Werkzeuge. Bei vielen Unternehmen herrscht aber auch Unsicherheit, ob der Nut- zen der Verbesserung der Steuerungsfähig- keit des Unternehmens den hohen Aufwand der Implementierung dieser Werkzeuge tat- sächlich übersteigt. Eine aktuelle Umfrage von 49 mit der Unternehmensplanung be- fassten Controlling-Verantwortlichen zeigt, dass 59 % der Teilnehmer in Unternehmen über 1.000 Mitarbeitern Predictive Planung zwar interessant finden, aber diesem Thema zukünftig eine nur geringe Bedeutung be- scheinigen. In Unternehmen unter 1.000 Mitarbeitern finden dies sogar alle beteilig- ten Controller (vgl. Bley et al. 2020). Der folgende Beitrag soll im Sinne einer Fallstudie das Vorgehen und die wesentli- chen Erfahrungen der Telekom Deutsch- land GmbH (TelekomDeutschland) mit der treiberbasierten Prognose und Simulation skizzieren. Nach einer kurzen Darstellung der Vorgehensweise des Projektes auf Basis des CRISP-DM Modells wird die praktische Umsetzung im Privatkundencontrolling am Beispiel der Kennzahl „Marktinvest- Mobilfunk“ vorgestellt. Der Beitrag endet mit Empfehlungen, die auf der Basis der ersten Projekterfahrungen gegeben wer- den können. Digitalisierung des Finanzbereichs bei der TelekomDeutschland Die Deutsche Telekom gehört mit etwa 184 Millionen Mobilfunk-Kunden, ca. 28 Millio- nen Festnetz-Anschlüssen und rund 21 Mil- lionen Breitband-Kunden im Geschäftsjahr 2019 nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden integrierten Telekommunika­ tionsunternehmen. Im gleichen Zeitraum wurde mit weltweit etwa 211.000 Mitarbei- tern ein Umsatz von ca. 80,5 Mrd. €, davon etwa 21,9 Mrd. € in Deutschland, erwirt- schaf tet. Die Privatkunden sind mit etwa 11,6 Mrd. € für mehr als die Hälfte des Um- satzes in Deutschland verantwortlich und dadurch eine steuerungsrelevante Kunden- gruppe. Der gleichzeitige Ausbau von Breit- band- und Mobilfunk-Infrastruktur (Glasfa- ser und 5G) in Deutschland erfordert hohe Investitionen bei anhaltendem öffentlichen und politischen Druck, insbesondere zur Ausbaustrategie des Unternehmens, und macht daher eine zukunftsfähige Unterneh- mensteuerung zwingend erforderlich (vgl. Deutsche Telekom 2020). Vor diesem Hintergrund werden auch im Privatkundencontrolling der Telekom Deutschland immer mehr Analyticsprojekte durchgeführt. Basis hierfür ist eine breit an- gelegte Digitalisierungsoffensive im Finanz- bereich des Konzerns mit den wesentlichen Eckpunkten „Vereinfachen, Digitalisieren, Beschleunigen“ (Deutsche Telekom 2020, S. 41). Zu Beginn des Jahres 2019 hat sich das Unternehmen das Ziel gesetzt, den Finanz- bereich zur „Finanzorganisation der Zu- kunft“ weiterzuentwickeln. Der Bereich soll dazu Treiber für Wachstum und Innovation werden und noch stärker in die Rolle des strategischen Business Partners der Ge- schäftsbereiche hineinwachsen. In diesem Zielbild erfährt der Controller eine Weiter- entwicklung vom „Kontrolleur“ und „Busi- ness-Case-Hüter“ hin zum „Strategischen Enabler“ der Fachbereiche. Diese Entwick- lung soll einerseits durch die Nutzung neuer Technologien zur Auswertung großer Da- tenmengen und die Integration der so ge- wonnenen Erkenntnisse in Prozessen sowie andererseits durch gezielte Qualifizierung der Mitarbeiter des Finanzbereichs ermög- licht werden. Das Transformationspro- gramm verfolgt das Ziel, im Finanzbereich die Analysefähigkeit von Finanzdaten und steuerungsrelevanten Non-Financials aufzu- bauen und so dem Bereich eine führende Rolle bei den Themen Data Analytics und Big Data zu ermöglichen. Gemäß dieser Vorgehensweise wurde im Privatkundencontrolling das Zielbild eines algorithmenbasierten Steuerungsmodells entwickelt. Das Financial Reporting wurde dazu um rollierende Prognosen basierend auf Predictive Analytics ergänzt und wird nun sukzessive um Simulationen von Maß- nahmen und Aktionen in der Planung, die genau diese Algorithmen zur Vorhersage von Ergebnissen nutzen, erweitert. Im ers- ten Schritt wurde hierzu ein Modell auf Basis einfacher Fortschreibungs- und Regressions- modelle aufgestellt. Dieses Modell liefert monatlich einen rollierenden Forecast für 16 relevante GuV-Positionen, der im Reporting neben den Ist- und Planwerten ausgewiesen wird. Die Berechnungen basieren auf mehr- Summary Dieser Beitrag skizziert im Sinne einer Fallstudie das Vorgehen und die wesent- lichen Erfahrungen der TelekomDeutsch- land GmbH mit der treiberbasierten Prognose und Simulation. Nach einer kurzen Darstellung der Vorgehensweise des Projektes auf Basis des CRISP-DM Modells wird die praktische Umsetzung im Privatkundencontrolling am Beispiel der Kennzahl „Marktinvest-Mobilfunk“ vorgestellt. Der Beitrag endet mit Emp- fehlungen, die auf der Basis der ersten Projekterfahrungen gegeben werden können. „In diesemZielbild erfährt der Controller eineWeiterentwick­ lung vom „Kontrolleur“ und „Business-Case-Hüter“ hin zum „Strategischen Enabler“ der Fachbereiche.“

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