Controller Magazin 9/10-2020
39 Controller Magazin | Ausgabe 5 AKTUELL Die Corona-Krise im Frühjahr 2020 hat auf der ganzen Welt alle gesellschaftlichen Be- reiche schwer getrof fen. Im vollständigen Lockdown im März und April wurden alle Geschäf te und Restaurants geschlossen. Nur noch Güter des täglichen Bedarfs wur- den in physischen Läden verkauft. Schulen und Kindertagesstätten mussten schließen, genauso wie Bibliotheken, Museen oder sonstige Orte, wo sich Menschen begegnen. Social Distancing wurde ausgerufen, Men- schen sollten zuhause bleiben, im Homeof- fice arbeiten, sich nicht näher als 1,5m kom- men und Ansammlungen von mehr als fünf Personen vermeiden. Schnell bekam auch die Wirtschaft die Auswirkungen zu spüren durch verminderte Nachfrage oder Liefer- schwierigkeiten. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist die Wirtschaftsleis- tung rückläufig in Höhe von 20% bis 28%, und die gesamte Corona-Krise könnte in der Schweizer Wirtschaft Kosten von 30 bis 80 Mrd. CHF verursachen (vgl. NZZ (2020), S. 7). Für viele einzelne Unternehmen bedeutet dies, dass sie in eine Gewinn- oder Liquidi- tätskrise geraten, womöglich sogar in eine Existenzkrise. 4 Szenarien für eineWelt nach Corona Wie die Zeit nach Corona aussehen wird, ist aktuell völlig unklar. Das Zukunf tsinstitut Frankfurt hat dafür in einem White Paper vier mögliche Zukunftsszenarien entwickelt, die sich in einemQuadrantenmodell auf den Achsen optimistisch/pessimistisch und dis connected/connected einordnen lassen (sie- he Abb. 1). Szenario 1 (pessimistisch/discon- nected) beschreibt eine totale Isolation, in der der erlebte Lockdown inklusive sozialer und internationaler Distanz zur Normalität geworden ist. In Szenario 2 (pessimistisch/ connected) ist das globale System nachhal- tig gecrasht, und jede Nation kümmert sich in erster Linie um sich selbst. In Szenario 3 (optimistisch/disconnected) dominiert der Rückzug ins Private. Man pflegt die Gemein- schaft im Kleinen, lokale Produkte sind im- mens wichtig. Szenario 4 (optimistisch/con- nected) ist das positivste von allen vier und beschreibt eine resiliente Gesellschaf t, in der die Krise die Welt gestärkt hat, und man sich flexibel an veränderte Rahmenbedin- gungen anpasst. Sogar die Wirtschaft hat das Postulat des konstanten Wachstums aufgegeben und strebt mehr nach sozialer und ökologischer Wohlfahrt. Es fällt auf, dass auch hier der Begrif f der „Resilienz“ für ein optimistisches Zukunfts- szenario verwendet wird. Resilienz scheint eine erstrebenswerte Eigenschaf t zu sein, sowohl in Bezug auf eine einzelne Person, auf die Gesellschaft, als auch für die Wirt- schaft. Es gibt bereits Arbeiten zu resilien- ten Geschäftsmodellen (vgl. Palzkill 2018) als auch resilienten Organisationen (vgl. Hel- ler 2013). In diesem Artikel soll ein konzep tioneller Rahmen entwickelt werden, wie Resilienz in verschiedenen Bereichen eines Unternehmens Ausdruck findet, und wie und welche Controlling-Instrumente zur Un- terstützung herangezogen werden können (vgl. Abb. 2). Dazu werden zunächst allge- meine Merkmale von Resilienz erarbeitet und beschrieben. Anschließend wird für die Bereiche Strategie, Unternehmenskultur, Prozesse und IT-System analysiert, wie diese Merkmale Ausdruck finden. Kennzeichnung eines resilienten Geschäf tsmodells Widerstandsfähigkeit gegen Krisen ist zwei- fellos ein wünschenswertes Attribut jedes Geschäftsmodells. In der Psychologie drückt der Begriff der Resilienz eine solche Wider- standsfähigkeit aus und wird konkret ver- standen als dynamische Fähigkeit eines Menschen, mit widrigen Umständen und Si- tuationen umzugehen (vgl. Borgert (2013), S. 9). In diesemAbschnitt werden sogenann- te Resilienzmerkmale beschrieben, die aus Sicht der Autoren ein Geschäftsmodell wi- derstandsfähig machen. Zunächst ist wichtig, sich zu verdeutlichen, dass ein resilientes Geschäftsmodell „instink- tiv vorbereitet“ auf Krisen. Das bedeutet, es verfügt über gewisse Eigenschaften und Res- sourcen, auf die in Krisenzeiten zurückgegrif- fen werden kann, ohne dass man das konkre- te Eintreffen der Krise hat kommen sehen. Dies unterscheidet Resilienz stark von bei- spielsweise Planung in vordefinierten Szena- rien, da für die konkret eintreffende Krise, wie im aktuellen Fall das Corona-Virus, vermut- lich noch Ende 2019 kein Szenario definiert worden wäre. Im Folgenden werden allge- meine Resilienzmerkmale beschrieben. Flexibilität: Das erste grundlegende Resili- enzmerkmal ist Flexibilität. Ein Geschäfts- modell, das seine Tätigkeit flexibel auf einen Summary Während der Coronakrise sind zahlreiche Unternehmen in eine Existenzkrise gera- ten, die manche nicht bewältigen konn- ten. Damit wird das Thema eines resilien- ten Geschäftsmodells prominent, mit demWunsch besser auf eine nächste Kri- se vorbereitet zu sein. In diesem Artikel werden Resilienzmerkmale erarbeitet, und deren Ausprägungen in Strategie, Kultur, Prozessen und IT-Systemen eines Unternehmens aufgezeigt. Abb. 1: Zukunftsszenarien
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