Controller Magazin 9/10-2020
35 Controller Magazin | Ausgabe 5 KOLUMNE Planung spielt im Controlling eine zentrale Rolle. Ohne Planung ist die Führung eines Unternehmens nicht denk- bar – selbst in turbulenten Krisenzeiten nicht, in denen Pläne keine gewohnt hohe Standzeit besitzen. Generell wollen die Manager und die Anteilseigner frühzeitig Klarheit darüber, was auf das Unternehmen zukommt. Nicht nur der Kapitalmarkt liebt keine Überraschungen („no surprise“). Eine bekannte Controller-Weisheit lautet: Keine Planung ohne Kontrolle. Insofern ist das Controlling nicht nur durch systematische Planung geprägt, sondern auch durch regelmäßige Plan- bzw. Soll-Ist-Vergleiche. Beides galt schon in einer Zeit, als die Controller noch Planer oder Kostenrechner hießen. Die Kostenrechnung wurde vor gut einem halben Jahrhundert von einer Ist-Rech- nung zu einer kombinierten Ist- und Plan-Rechnung wei- terentwickelt; kostenstellenbezogene Kostenplanung und regelmäßige Abweichungsanalysen helfen, die Kos- teneffizienz auf Kurs zu halten. Planwerte wurden deshalb eingeführt, um belastbare Referenzgrößen für die Ist-Kosten zu gewinnen und zu vermeiden, aktuelle Ist-Kosten nur mit weiter zurücklie- genden Ist-Kosten vergleichen zu müssen, um dadurch Hinweise für die Veränderung der Kosteneffizienz zu er- halten. Von Eugen Schmalenbach, dem Ur-Vater der deutschen Betriebswirtschaftslehre, stammt das Zitat, dass man damit nur Schlendrian mit Schlendrian verglei- chen würde. Heute erleben Istwerte eine Renaissance. Dies gilt insbe- sondere hinsichtlich der Prognose bzw. des Forecasting. Forecasts basieren auf Istwerten und deren Entwicklung. Im Zuge der Digitalisierung werden sie mittlerweile in vielen Unternehmen bereits „durch die Maschine“ er- stellt, mit sehr guter Prognosegüte. Die hinter den Ist- werten stehenden Zusammenhänge sind – in normalen Situationen – also zum einen konstant genug, um darauf eine valide Prognose stützen zu können. Zum anderen steckt in den Istwerten ein Effizienzniveau, das dem von Planwerten nahe kommt – sonst wären die Istwerte für die Steuerung nicht so bedeutsam. Exakt hier liegt ein zentraler Unterschied zur Plankostenwelt in den 1950er Jahren: Schlendrian kann sich heute niemand mehr er- lauben; er würde imWettbewerb nicht bestehen. Brauchen Unternehmen – einen Schritt weiter gedacht – dann überhaupt noch eine detaillierte Planung? Reichen nicht aus demWettbewerb abgeleitete Benchmarks zu- sammen mit Istkosten zur laufenden Kostenkontrolle aus? In einem Forschungsprojekt habe ich kürzlich den Controller der Leica Camera AG, Volker Hagemann, inter- viewt. Der Prägnanz wegen möchte ich seine Sicht der Thematik imOriginal wiedergeben: „Nehmen wir mal an, wir würden das Vorjahr nehmen als Plan und das ganze Jahr gegen das Vorjahr laufen lassen. Wenn Sie dann in einem Monat plötzlich eine Riesenab- weichung haben, müssen Sie sich eh damit beschäftigen. Und was habe ich denn gekonnt, wenn ich vorhergesehen habe, dass wir im Mai doppelt so viele Reisekosten ha- ben? Dann wird mir das bei den Monatszahlen gar nicht auffallen. Vielleicht ist es mir bei der Planung aufgefallen, aber nur weil ein cleverer Manager schnell die Reisekos- ten erhöht hat, kommt er dann locker im Tagesgeschäft durch. Wäre es nicht besser, wenn ich das zum Vorjahr vergleiche und dann frage: ‚Was ist da passiert?‘ Bekom- me ich dann eine ordentliche Begründung dafür, ist es in Ordnung. Wenn es keine ordentliche Begründung gibt, dann nutzt mir auch nichts, wenn es geplant war. Lohnt sich also der hohe Aufwand, den wir betreiben, um auf Kostenarten- und Kostenstellenebene für jeden Monat eine sehr detaillierte Planung zu betreiben, wirklich?” Vielleicht versuchen Sie selbst einmal, für ihr Unterneh- men diese Frage zu beantworten. Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis Sie dabei kommen! Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC) der WHU – Otto Beisheim School of Management, Campus Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar. Er ist zudemMitglied des Kuratoriums des Internatio- nalen Controller Vereins (ICV). juergen.weber@whu.edu Plan-Ist oder Ist-Ist? von Jürgen Weber WEBER-KOLUMNE ©stonepic–www.istockphoto.com
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