Controller Magazin 9/10-2020

34 Controller Magazin | Ausgabe 5 RISIKOMANAGEMENT & RATING im darauf folgenden Jahr (2022). Ausge- drückt als einjährige Ratingnote entspricht dies 2022 in etwa einem B-Rating. Gut zu se- hen ist, dass auf ein Jahr gesehen der ge- plante Liquiditätsabfluss dem Unterneh- men noch keine Probleme verursacht. Auch im „Worst Case“ (Konfidenzniveau 99%) hat das Unternehmen 2020 keine Verluste und die mit Hilfe der Simulation abgeleitete In- solvenzwahrscheinlichkeit liegt im Jahr 2020 bei 0% (A-Rating). Aber es ist auch erkenn- bar, dass – wie in der Praxis oft zu beobach- ten – die sehr wohl mögliche zeitliche Ku- mulation von mehreren schlechten Jahren nacheinander Insolvenzen verursachen kön- nen, auch bei einem Unternehmen, das auf ein Jahr gesehen sehr stabil ist. Die durch- schnittliche jährliche Ausfallwahrscheinlich- keit bis 2027 beträgt ca. 1,1%, was in etwa einem „BB“ bzw. „BB-“ – Rating über die Ge- samtlaufzeit (mehrjährige Ratingnote) ent- spricht. Die Bandbreite der jährlichen Insol- venzwahrscheinlichkeit beträgt 0 % bis 4,6%, was für ein Unternehmen dieser Grö- ßenordnung noch akzeptabel ist. Zusätzlich wurde auch abgeleitet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines freien Liquidi- tätsrahmens über 2 Mio. € ab 2021 wäre, um den Kredit zurückzahlen zu können, falls die Bank dies unplanmäßig zurückfordern wür- de (trotz nicht vorhandener Covenants). Die- se Wahrscheinlichkeit lag ab 2024 bei 100%, lediglich für die Jahre 2021 bis 2023 wären die Wahrscheinlichkeiten deutlich geringer, im schlimmsten Fall für 2021 betrug diese Wahrscheinlichkeit lediglich 54,7%, für 2022 75,3% und für 2023 schließlich 98,2%. Im Rahmen des dargelegten Projektes wur- den die Ergebnisse anschließend in einer Entscheidungsvorlage zusammengefasst und der Unternehmensführung vorgelegt. Die Unternehmensführung hat die Auswer- tungen auch in der Diskussion mit den Ban- ken genutzt, nachdem die geplante Investi- tion positiv beurteilt und auch vom Beirat genehmigt wurde. Fazit Wie das Fallbeispiel gezeigt hat, kann im Rahmen eines Risikomanagements ohne deutlichen Zusatzaufwand auch eine Ablei- tung des Ratings erfolgen. Eine solche Ra- tingprognose dient auch als Frühwarnfunk- tion, da ein evtl. nicht zu akzeptierendes „zu schlechtes“ Rating in späteren Jahren recht- zeitig erkannt werden kann. Dies erlaubt es auch, die Wirkung von Gegenmaßnahmen in Bezug auf das Rating zu simulieren. Risi- komanagement kann damit zur Krisenver- meidung beitragen, in dem es hilft, ein Ra- ting und damit die Finanzierung zu sichern und Investitionsalternativen oder Projekte risikogerecht zu beurteilen. Durch die früh- zeitige Bereitstellung von Informationen über die Risikosituation besteht zudem ein Informationsvorsprung gegenüber Externen wie Banken. So kann sich ein Unternehmen frühzeitig auf eine mögliche Verschlechte- rung des Ratings einstellen und auch evtl. mit Hilfe der Simulation als wirksam erkann- ten Gegenmaßnahmen ergreifen (vgl. Bohmfalk 2014). Durch die Modellierung ist es auch möglich, Covenants z.B. in Form von mindestens ein- zuhaltenden Finanzkennzahlen in die Ana- lyse einzubeziehen. Diese Klauseln finden sich in vielen Kreditverträgen und müssen für eine praxisgerechte Analyse in den Mo- dellen hinterlegt werden, da eine Verlet- zung oft ein Kündigungsrecht der Kapital- geber nach sich zieht. Dazu wird im Modell für die Simulation hinterlegt, was als Verlet- zung der vereinbarten Covenants (Finanz- kennzahlen) gilt und wie so ein Fall die Grenzen der Kreditaufnahme beeinflusst. Eine solche Vorgehensweise hat zum Ziel, dass für jeden Simulationslauf die verein- barten Kennzahlen errechnet und mit den Vorgaben abgeglichen werden. Werden die- se Vorgaben verletzt, wird dies bei der Si- mulation als Ausfall gewertet und in die Ab- leitung der Insolvenzwahrscheinlichkeit ein- bezogen. Gerade die Verletzung von Cove- nants ist für viele Unternehmen ein Szenario, das bei der Betrachtung der Be- standsgefährdung stark im Fokus steht und oft schon deutlich vor einer Überschuldung schlagend werden kann.  Literatur Bohmfalk, Tim-Benjamin (2014): Stochastische Szenarioanalyse: Einsatzmöglichkeiten für die Unternehmensplanung, in: in: Klein, Andreas, Gleißner, Werner (Hrsg): Harmonisierung von Controlling und Risikomanagement, Freiburg 2016, S. 228-237 Fuchs, Jörg (2018): Quantifizierung von schwankungs- behafteten Sachverhalten imRisikomanagement – Risi- ken, Chancen, Grundlagen und Umsetzung, in: Controller Magazin, Heft März/April 2018, S. 66-73 Gleißner, Werner/Kimpel, Ralf (2019): Prüfung des Risikomanagements und der neue DIIR Revisionsstan- dard Nr. 2, in: ZIR, Heft 4/2019, S. 148-159 Gleißner, Werner/Wolfrum, Marco (2017): Risikotrag- fähigkeit, Risikotoleranz, Risikoappetit und Risikodeckungspotenzial, in: Controller Magazin, November / Dezember 2017, S. 77-84 Schilling, Benjamin (2018): Risikoadjustierte Unterneh- mensplanung – Integration von Unternehmensplanung und Risikomanagement, in: Controller Magazin, Heft November/Dezember 2018, S. 30-36 Vanini, Ute (2014): Instrumente für eine systematische Identifikation von Risiken, in: Klein, Andreas, Gleißner, Werner (Hrsg): Harmonisierung von Controlling und Risikomanagement, Freiburg 2014, S. 67-83 Abb. 6: Ergebnisse zur möglichen Illiquidität über den Analysezeitraum

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