Controller Magazin 9/10-2020

30 Controller Magazin | Ausgabe 5 RISIKOMANAGEMENT & RATING 1.) Die direkte Ableitung eines Ratings aus den Ergebnis- sen der Simulation bzw. der Häufigkeit der Illiquidität und Überschuldung sowie die 2.) indirekte Ableitung über die Auswertung der zukünf- tigen, unsicheren Ausprägung der Finanzkennzahlen des Unternehmens auf Basis der Simulationsergeb- nisse. Die direkte Ableitung erfolgt, indem für jeden Simula- tionslauf verglichen wird, ob das Unternehmen in die- sem Szenario insolvent wäre, sprich ob der Gesamtrisiko- umfang die Risikotragfähigkeit übersteigt, also das Un- ternehmen überschuldet bzw. illiquide wäre oder ob an- dere Bedingungen – wie Covenants – nicht eingehalten werden. Zu der in der Simulation bestimmten Häufigkeit der Verletzung einer dieser Vorgaben – z.B. 1,2% aller ge- zogenen Szenarien – kann dann wiederum eine Rating- Note zugeordnet werden. Bei der indirekten Ableitung werden ebenfalls die Er- gebnisse der Simulationsläufe in Bezug auf die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz ausgewertet. Da- bei wird jedoch insbesondere analysiert, wie sich für einzelnen Simulationsszenarien die ratingrelevanten Fi- nanzkennzahlen – verschiedene Verhältniszahlen aus den Jahresabschlüssen und Bilanzen – darstellen und wird somit je Szenario das (an sich deterministische) Fi- nanzrating bestimmt und eine Rating-Note ermittelt. Am Ende der vollständigen Simulation (mit z.B. 100.000 Simulationsläufen) kann das erwartete Finanzrating („Mittelwert“ der Szenarien) und ein Finanzrating basie- rend auf einem „Stressszenario“, z.B. dem 99% Konfi- denzniveau (oder anderem beliebig gewählten Sicher- heitsniveau), dargestellt werden. Dieses Stressszenario kann als eine Art „Worst-Case“ des Finanzratings bzw. der Finanzratingnote verstanden werden. Das Unter- nehmen wird in z.B. 99% der Fälle ein besseres Rating aufweisen. Im Folgenden wird die direkte Ableitung anhand eines Fallbeispiels – basierend auf einem realen Projekt – auf- gezeigt. Es wird zunächst das Unternehmen vorgestellt, bevor auf die Methodik der Risikoanalyse eingegangen wird. Danach wird gezeigt, wie auf Basis der Unterneh- mensplanung und der damit verbundenen Risiken eine direkte Prognose des Ratings erstellt werden kann. Kurzdarstellung des Unternehmens Das betrachtete Unternehmen produziert Reinigungs- und Pflegeprodukte an einem Standort und vertreibt diese über den Handel an Endverbraucher in Europa. Es wurde vor 40 Jahren gegründet und tritt unter eigenen Marken sowie unter Handelsmarken am Markt auf. Es plant, einen zweiten Standort 2021 zu eröffnen, damit die Produktion ausgeweitet aber weiterhin auch in ent- sprechender Qualität produziert werden kann. Hierzu wird in einen Neubau investiert mit dem Liquiditätsab- fluss im Jahr 2020, was teilweise durch eine Kreditauf- nahme finanziert wird. Der Kredit soll über 5 Jahre zu- rückgezahlt werden (jährlich 1,5 Mio. € Mittelabfluss inkl. Zinsen). Die Plandaten der ersten drei Jahre für we- sentliche Positionen sind in Abbildung 1 dargestellt. Methodische Hintergründe zur Risikoanalyse Risiken stellen die Möglichkeit der Abweichung von ge- planten Werten dar, womit Gefahren (für das Unter- nehmen negative Abweichungen) als auch Chancen Prof. Dr. Thomas Berger ist Professor an der Dualen Hochschule Baden-Würt- temberg im Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen. thomas.berger@ dhbw-stuttgart.de Dipl.-Vw. Endre Kamaras ist Analyst und Partner bei der FutureValue Group AG. e.kamaras@ futurevalue.de Abb. 1: Wichtige Plandaten des Fallbeispiels in TEUR

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