Controller Magazin 9/10-2020

27 Controller Magazin | Ausgabe 5 RISIKOMANAGEMENT & RATING eingegangen werden dürfen, um Unternehmensziele zu erreichen. Damit wird klar, dass risikopolitische Rahmen- bedingungen oft unabhängig von der Entscheidungsrea- lität imUnternehmen definiert werden. Hier besteht ho- hes Verbesserungspotenzial, die Risikopolitik besser in die betriebliche Realität zu überführen und dadurch ent- scheidungsrelevante, risikopolitische Grundsätze zu schaffen. Oft fehlen in Schweizer Unternehmen bewertete Risiko- szenarien, die mögliche Zielabweichungen aufzeigen. Hier zeigt sich erneut, dass die Integration von risikorelevanten Informationen nicht in direkter Verbindung mit dem Per- formance Management steht, was den Wirkungsgrad ei- nes ERM erheblich reduziert. Weiter zeigen die Ergebnisse, dass in der Schweizer Praxis sehr unterschiedlich damit umgegangen wird, ob Finanzinformationen mit Informa- tionen aus dem ERM verknüpft werden oder nicht. Ledig- lich ein Drittel der Unternehmen adjustieren ihre Finanz- kennzahlen mit risikorelevanten Informationen. Ebenso interessant ist die Tatsache, dass fast die Hälfte der Unternehmen risikorelevante Informationen aus un- ternehmensinternen Quellen aufbereiten, diese aber nicht für Entscheidungsprozesse nutzen. Auch hier liegt viel Potenzial brach, diese Informationen zur Erhöhung der Entscheidungsqualität zu nutzen. Vergleichsweise deutlich mehr Unternehmen wünschen sich, dass mehr unternehmensexterne Risikoinformationen verfügbar wären. Dies bestätigt auch die Erkenntnis, dass Unter- nehmen tendenziell zu stark auf unternehmensinterne Informationen bei der Risikoidentifikation und -beurtei- lung fokussieren. Allerdings haben jedoch strategische Risiken ihren Ursprung in der Regel unternehmensex- tern, z. B. aufgrund von Veränderungen der Kundenbe- dürfnisse. Eine umfassende Umfeldanalyse (Environ- mental Screening) anhand einfacher Hilfsmittel wie z. B. der PESTL-Analyse fehlt oft gänzlich, dies wäre aber sehr wertvoll für ein effektives ERM. Intuition versus Rationalität Strategierelevante Entscheidungen werden auf oberster Führungsebene getroffen. Die dafür notwendigen ERM- Informationen werden hingegen meist auf niedrigerer Hierarchieebene verarbeitet und sind damit von den Entscheidungsträgern getrennt. Dies erhöht das Risiko, dass sich Entscheidungsgremien in erster Linie auf Intui- tion und Erfahrungen stützen, obwohl rationalere Infor- mationen vorhanden wären. Allerdings kann der Zu- stand, dass qualitative Risikobewertungen die tatsächli- che Risikoexposition nicht transparent darstellen kön- nen, durchaus erwünscht sein. Der Grund dafür hängt von der Dif ferenzierung zwischen Ergebnis und Ent- scheidung ab: Führt eine Entscheidung zu einem erfreu- lichen Ergebnis, wird sie oft mit einer hohen Entschei- dungsqualität begründet. Bei schlechten Ergebnissen können u. a. ungenügende Risikoanalysen aus unteren Hierarchieebenen verantwortlich gemacht werden (vgl. Gleiβner und Hunziker 2019, S. 748). Schweizer Führungskräfte bewerten ihre Entscheidungs- prozesse als ausgewogen, das heißt, Intuition und Ratio- nalität haben gleichermaßen ihre Berechtigung. Eines von vier Unternehmen gibt an, ihre Entscheidungen pri- mär oder ganz intuitiv zu treffen. Grundsätzlich spielt In- tuition eine wichtige Rolle bei Entscheidungen. Allerdings fehlen dann rationalere, quantifizierte Risiko- und Chan- Abb. 2: Relevanz von ERM-Informationen für Entscheidungen II

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