Controller Magazin 9/10-2020
16 Controller Magazin | Ausgabe 5 RISIKOMANAGEMENT & RATING Vanini: Methodische Engpässe gibt es ganz sicher nicht. Wir haben mittlerweile eine ganze Palette von Instru- menten und Methoden zur integrierten Rendite- und Ri- sikobewertung, die auch durch entsprechende IT-Tools unterstützt wird. Meine Bankerfahrung hat mich ge- lehrt, dass eine übermäßige Methoden- und Modell- gläubigkeit ein eigenes Risiko darstellen kann . Viel- mehr geht es darum, dass die Manager Erfolgs- und Ri- sikoinformationen auch zielgerichtet in entsprechen- de Entscheidungen umsetzen . Das kann zum Problem werden, da Menschen sich nicht immer mit Risikoinfor- mationen auseinandersetzen mögen oder diese Infor- mationen kognitiv nicht richtig verarbeiten können. Hier ist es m. E. entscheidend, dass Risikoziele in das Ziel- so- wie Anreizsystem eines Unternehmens aufgenommen werden. Biel: Und welche Auswirkungen bzw. welchen Beitrag erwarten Sie von der Digitalisierung? Vanini: Die Digitalisierung bzw. die gezielte Auswer- tung von Big Data durch Predictive Analytics bzw. durch den Einsatz künstlicher Intelligenz kann einerseits das Risikomanagement unterstützen . So können ökono- mische Risiken durch ein verbessertes Forecasting schneller identifiziert, nicht-finanzielle Risiken durch die Auswertung qualitativer Informationen erkannt oder Be- trugsfälle durch eine durch KI gestützte Ausreißeranaly- se von finanziellen Transaktionsdaten aufgedeckt wer- den. Andererseits werden durch die Digitalisierung und den Einsatz von Business Analystics neue Risiken ent- stehen . So kann z. B. insbesondere der Einsatz von Pre- scriptive Analytics zu Modellrisiken führen, wenn diese fehlerhaft konstruiert oder unreflektiert eingesetzt wer- den. Durch digitalisierte Geschäftsmodelle können zu- dem völlig neuartige Risiken entstehen. Biel: Mögen Sie noch einen Blick auf Ihre diesbezügliche Arbeit „mit Ihren Studierenden“ werfen? Vanini: Ich versuche daher, meinen Studierenden die Notwendigkeit und die verschiedenen Möglichkeiten ei- ner risiko-renditeorientierten Unternehmenssteue- rung zu vermitteln. Derzeit überlege ich, ein Entschei- dungstraining für Manager aufzubauen, das sich exem- plarisch mit konkreten Fragestellungen damit auseinan- dersetzt, welche Erfolgs- und Risikoinformationen für eine rationale Entscheidung vorliegen und wie diese ra- tional für die Entscheidungsfindung eingesetzt werden müssen. Biel: Sie sind sowohl dem ICV als auch der RMA verbun- den. Sie dürfen diesen Organisationen das Schlusswort widmen. Vanini: Sehr gernemöchte ich in diesemZusammenhang eine Arbeitsgruppe von ICV und RMA erwähnen, die un- ter der Leitung des Kollegen Werner Gleißner einen Leit- faden für die Erstellung risiko- und renditeorientierter Vorstandsvorlagen erarbeitet, damit dieser sich bei sei- nen Entscheidungen mit der Business Judgement Rule nach § 93 AktG auseinandersetzt. Hiernach hat der Vor- stand zur Einhaltung seiner Sorgfaltspflicht nachzu- weisen, dass er seine unternehmerischen Entscheidun- gen auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft getroffen hat. Kann er das nicht, können die Eigentümer ihn imZweifelsfall persön- lich für Fehlentscheidungen haftbar machen. Biel: Für eine umfassende Zusammenfassung, die der Text verdient hätte, fehlt uns leider der Platz. Ich möch- te 12 wesentliche Aspekte thesenartig herausgreifen und unterstreichen: 1. Entscheidungen unter Rendite- und Risikoaspekten zu betrachten, ist eine der wesentlichen Aussagen dieses Interviews. 2. Psychologische und menschliche Probleme im Um- gang mit Risiken werden verdeutlicht. insbesondere die Gefahr von exzessive risktaking wird betont. 3. Die Brisanz kultureller und verhaltensorientierter Probleme wird unterstrichen. 4. Der Nachholbedarf bei der Steuerung und Analyse nicht-finanzieller Größen wird bekräftigt. 5. Die Notwendigkeit des Zusammenwirkens der ver- schiedenen Überwachungssysteme wird akzentuiert, insbesondere zwischen Controlling und Risikoma- nagement. 6. Die Bedeutung der kommunikativen Kompetenz wird geltend gemacht. 7. Die Notwendigkeit ausreichender Informationen als Grundlage von Management-Entscheidungen wird hervorgehoben. 8. Compliance-Risiken zu vermeiden, ist eine wichtige Forderung. 9. Zur Sicherung des Unternehmens dienen die Überwa- chungssysteme als Verteidigungslinien. 10. Der Controller ist nicht der bessere Manager, lautet eine Erkenntnis. 11. Die Digitalisierung kann die Überwachungssysteme fördern und unterstützen, aber auch neue Risiken schaffen. 12. Die Zusammenarbeit von ICV und RMA ist nützlich und hilfreich. Nicht zuletzt darf ich mich bei meiner Interviewpartne- rin vielmals bedanken für die Qualität der Zusammen- arbeit bei der Vorbereitung, Erarbeitung und Abwick- lung dieses Interviews. Mit diesen Antworten hat meine Interviewpartnerin ihre hohe thematische Kompetenz vermittelt, sie dürfte viel Aufmerksamkeit für die ange- sprochenen Fragen geweckt haben. Das Thema, das In- terview und die Kooperation habenmir Freude gemacht und mich bereichert. Dipl.-Bw. FJS Alfred Biel arbeitet heute als freier Fachjournalist für verschie- dene Medien als Autor, Interviewer und Rezensent. Er hat in verantwortlichen industriellen Tätigkeiten umfangreiche betriebswirt- schaftliche Erfahrungen erworben, und über den Fachjournalismus vielfältige journalistische Kenntnisse und intensive Fachkontakte gewonnen. Der Deutsche Fachjournalisten Verband DFJV und der Internationale Controller Verein ICV verliehen ihm die Ehrenmit- gliedschaft. alfred.biel@gmx.de
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