Controller Magazin 9/10-2020
12 Controller Magazin | Ausgabe 5 RISIKOMANAGEMENT & RATING Wechselkursschwankungen. Revision, Compliance und Qualitätsmanagement haben eine eher interne Sichtweise, d. h. welche Fehlerquellen muss das Unterneh- men in seinen Prozessen und Regelungen eliminieren, um Beeinträchtigungen der Ordnungs- und Rechtmäßigkeit seiner Pro- zesse und Handlungen sowie der Qualität seiner Leistungen zu vermeiden. Sowohl ex- terne Unsicherheiten als auch Fehler führen zu Risiken im Sinne einer Gefährdung der Unternehmensziele. Interne Fehler lassen sich jedoch nahezu vollständig vermeiden, die Wirkungen externer Einflussfaktoren kann ich dagegen z. B. durch entsprechende Sicherungsgeschäf te nur auf ein gewisses Maß begrenzen, aber nie vollständig aus- schließen. Zudem können aus den Umwelt- unsicherheiten auch Chancen resultieren, d. h. dass das Unternehmen seine Ziele auch übererfüllt. Robuste Unternehmen sind in gewissemMaße risikotolerant, d. h sie verfü- gen über ausreichende Risikotragfähigkeit. Biel: Wenn wir uns den Dieselskandal, ver- schiedene Lebensmittelskandale oder auch diverse Finanzskandale sowie vielfältige Strafen und Bußgelder vergegenwärtigen, kommt die Frage auf, ob diese Brandmauer wirklich überall ausreichend stabil und funktionsfähig ist. Die Corona-, die Finanz- marktkrise 2007/2008 oder einige Vorgänge im Bereich Nachhaltigkeit und Klima wer- fen Fragen auf. Sehen Sie Grenzen in der Re- alisierbarkeit der Überwachung und Steuer- barkeit oder eher Versäumtes und Ausge- lassenes in den spezifischen Fällen? Vanini: Gerade die Finanz- undWirtschafts- krise zeigt m. E., dass wir kein methodi- sches Problem im Risikomanagement und Controlling haben, sondern eher ein kultu- relles und ein verhaltensorientiertes Pro- blem , d. h. einerseits beschäftigen sich Menschen ungern mit Risiken und haben oft Probleme, diese richtig einzuschätzen. Da Risiken häufig erst mit einer gewissen Zeitverzögerung eintreten, sieht man diese zwar kommen, hofft aber, dass diese letzt- endlich doch nicht durchschlagen werden. Anders ist die Höhe der aufgelaufenen Ver- luste in einigen Bankenwährend der Finanz- undWirtschaftskrise nicht zu erklären. Biel: Hat dieser Umgang der Menschen mit risikobehaf teten Situationen schon eine wissenschaftliche Aufarbeitung gefunden? Vanini: Ja, schon Kahneman und Tversky ha- ben mit ihren Experimenten gezeigt, dass Menschen in Verlustsituationen risikofreu- diger handeln und so hoffen, den Verlust zu vermeiden. Ihr simples Experiment führe ich jedes Semester mit meinen verschiede- nen Studierendengruppen durch – immer mit demselben Ergebnis. Da dieser Effekt offensichtlich stark im menschlichen Ver- halten verwurzelt ist, ist es wichtig, die Ge- fahr von excessive risk-taking durch ent- sprechende Zielvereinbarungs-, Leistungs- messungs- und Vergütungssysteme zu be- grenzen. Auch Investoren und andere Stakeholder dürfen in wirtschaftlichen Er- folgsphasen nicht gierig werden. Biel: Sie sprechen hier ein kritisches, diskus- sionsbedürftiges Thema an. Lassen Sie uns bitte einen Schritt weitergehen. Sehen Sie in diesemZusammenhang Nachhol- oder Verbesserungsbedarf? Was sollte aufgear- beitet werden? Vanini: Nachholbedarf besteht sicherlich in der Analyse und Steuerung nicht-finanzi- eller Risiken . Rein methodisch führt eine Erweiterung des unternehmerischen Ziel- systems um z. B. Nachhaltigkeitsziele dazu, dass auch potenzielle Abweichungen von diesen Zielen als Risiken identifiziert, ge- messen und gesteuert werden müssen. Grundsätzlich können nach meiner Auffas- sung die bereits vorhandenen Instrumente wie z. B. die Monte Carlo-Simulationen auch für diese Risikokategorien genutzt werden. Biel: Und dies ist leicht und glatt möglich? Vanini: Ihre Nachfrage ist berechtigt. Aller- dings macht dies die Unternehmenssteue- rung natürlich deutlich komplexer, da zwi- schen den verschiedenen Zielen und damit letztendlich auch zwischen den Risiken zahl- reiche Konflikte und Komplementaritäten existieren. Biel: Bitte lassen Sie mich nachhaken. Was mögen die Gründe etwaiger Schwachstel- len im Sicherungssystem der Unternehmen sein? Vermuten Sie a) eher zu hohe Prob- lemkomplexität, b) organisatorisch-metho- dische Probleme c) oder doch mangelnde Prüf- und Kritikfähigkeit beispielsweise in- folge gegebener Interessenkonflikte, beste- hender Abhängigkeiten oder aus angepass- temVerhalten? Vanini: Vermutlich ist es eine Kombination aus allen drei Faktoren. Insbesondere das Auftreten neuer externer Risiken oder die Identifikation und Bewertung von Abhän- gigkeiten zwischen Risiken verursachen im- mer wieder Probleme im Risikomanage- ment, da sich ggf. niemand für diese Risiken zuständig fühlt oder die kombinierte Wir- kung nicht vollständig überblicken kann. Biel: Heißt dies, es müssen organisatorisch eine Reihe von Voraussetzungen geschaf- fen werden und gegeben sein? Vanini: Letztendlich müssen bei einem er- folgreichen Risikomanagement sehr viele Akteure im Unternehmen zusammenwir- ken . Damit diese zusammenarbeiten kön- nen, bedarf es zum einen entsprechende or- ganisatorische Regelungen , die vielfach in den Unternehmen vorliegen. Dann müssen diese Regelungen auch entsprechend gelebt werden. Wir sprechen in diesem Zusam- menhang von einer Risikokultur , in der Risi- ken offen – auch gegenüber Vorgesetzten – adressiert werden können. Hier hakt es doch in vielen Unternehmen. Aber auch eine zu blinde Methoden- und Modellgläubigkeit kann zu einem Versagen von RM-Systemen führen. Problematisch sind vor allemKombi- nationenmehrerer Faktoren, wie wir es wäh- rend der Finanz- undWirtschaftskrise beob- Summary Das 92. Interview in der Reihe Experten- Interview befasst sich mit der Bedeutung, den Möglichkeiten und Grenzen der inter- nen Überwachung und wesentlicher in- terner Überwachungssysteme – insbeson- dere des Risikomanagements. Dazu wer- den Funktionen und Bedeutung einzelner Systeme betrachtet sowie einige grund- sätzliche Hemmnisse und Probleme ange- schnitten. Zudem werden grundsätzliche Feststellungen getroffen, etwa auf den Zusammenhang von Rendite und Risiko zu achten. Schließlich werden verschiede- ne zwingende Anforderungen hervorge- hoben, etwa die strenge Beachtung der Compliance-Regeln und die Untermaue- rung von Entscheidungen durch eine an- gemessene Informationsbasis.
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