Controller Magazin 9/10-2020
100 Controller Magazin | Ausgabe 5 Liebe Leserinnen und Leser, seit Juni 2020 ist der neue IDW Prüfungs- standard 340 verfügbar. Es ist zunächst an- zumerken, dass dieser, anders als der DIIR RS Nr. 2, nur gesetzliche Anforderungen aus §91 AktG betrachtet und nicht diejenigen aus §93 AktG (Business Judgement Rule). Ba- sierend auf dem IDW PS 340 wird geprüft, ob ein Unternehmen in der Lage ist, mögli- che „bestandsgefährdende Entwicklungen“ (§91 AktG) früh zu erkennen. Ob und inwie- weit im Sinne der Business Judgement Rule Risikoinformationen bei der Vorbereitung „unternehmerischer Entscheidungen“ (§93 AktG) Berücksichtigung finden, ist dagegen nicht im Fokus. Stärker betont wird nun die Pflicht eines Unternehmens zur Risikoag- gregation der (Brutto-)Risikotragfähigkeit (Risikodeckungspotenzial). Zudem wird klargestellt, dass bei der Risikoquantifizie- rung letztlich „Netto-Risiken“ zu zeigen sind. Auf die notwendige Betrachtung mög- licher bestandsgefährdender Entwicklun- gen durch die „Herabsetzung des Ratings“ oder einer Verletzung von Kreditklauseln („Covenants“) wird nun hingewiesen. Die wesentlichen Grundelemente eines Risiko früherkennungssystems und die Dokumen- tationspflichten des Unternehmens werden ebenfalls präzisiert. Die Präzisierungen im IDWPS 340 n.F. waren notwendig, weil 1. Rahmenbedingungen sich geändert haben (siehe Basel II) und 2. empirische Studien zeigen, dass die heute implementierten Risikofrüherkennungs- systeme die gesetzlichen Mindestanforde- rungen meist nicht erfüllen. Wie gravierend die Defizite sind, zeigen die aktuelle Studie von Köhlbrandt/Gleißner/ Günther (Corporate Finance, Heft 7-8/2020, S. 250-259) und die „Benchmark-Studie Risi- komanagement“ 2020 von Deloitte. Es ist erschreckend, dass gemäß der Umfrage von Deloitte 43% der Unternehmen angeben, die „Addition von Schadenserwartungswer- ten“ vorzunehmen. Besonders erschreckend ist, dass viele Abschlussprüfer offenbar bisher nicht klarstellen, dass dies kein geeignetes Risikoaggregationsverfahren ist. Dies ist leicht zu erkennen: Angenommen ein Unternehmen mit Eigen- kapital 80 hat genau zwei Risiken, R1 und R2. R1 hat eine erwartete Schadenshöhe von 200 und eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 10%. R2 eine erwartete Schadenshöhe von 100 und eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 20%. Der Gesamtschadenserwartungs- wert ist damit 200 x 10% + 100 x 20% = 40 und kleiner als das Eigenkapital. Aber jeder Risikoeinschlag führt zur Überschuldung und ist bestandsgefährdend. Zudem scheinen nur 18% der Unternehmen die Liquiditätsreserven des Unternehmens mit dem Risikoumfang zu vergleichen, ob- wohl heute Illiquidität – und nicht Über- schuldung – die Hauptbedrohung darstellt. Die vom IDWPS 340 nun (wie auch schon im DIIR RS Nr. 2, 2018) geforderten Risikotrag- fähigkeitskonzepte fehlen bei 52% der be- fragten Unternehmen. Die Studienergebnis- se zeigen, wie wichtig es ist, dass der IDWPS 340 n.F. nun die Bedeutung der Risikoag- gregation zur Identifikation möglicher „be- standsgefährdender Entwicklungen“ aus Kombinationsef fekten von Einzelrisiken deutlich betont. Aber genau hier hat der IDW PS 340 n.F. eine sehr problematische Unschärfe. Die Anforderung an die Risiko Der neue IDW PS 340 n.F. (2020) für die Prüfung der Risikofrüherkennungs- systeme Verbesserungen und Unschärfen Prof. Dr. Werner Gleißner, FutureValue Group AG (Vorstand) TU Dresden (BWL, insb. Risikomanagement) kontakt@FutureValue.de www.FutureValue.de www.werner-gleissner.de RMA EDITORIAL Geschäftsstelle RMA Risk Management & Rating Association e.V. Tel.: +49.(0)1801 – RMA TEL (762 835) office@rma-ev.org, ww w.rma-ev.org
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