Controllermagazin 6/2020
90 Controller Magazin | Ausgabe 6 HINTERGRUND insgesamt mehr Faktoren für die Unter- nehmenssteuerung relevant und die Dynamik ist größer. ■ Zudem erfordert das Nachhaltigkeitscon- trolling auch einen Rollenwandel imCon- trolling . Horváth kam bereits vor einigen Jahren zur Erkenntnis, dass die Nachhal- tigkeit ein bedeutsamer Treiber für die Entwicklung der Controller hin zumBusi- ness Partner ist . Biel: Seit Längerem gibt es den Begrif f „Green Controlling“, wie er auch vom Inter- nationalen Controller Verein ICV unter- stützt und gefördert wird. „Als Green Cont- rolling wird ein Controlling bezeichnet, das eine nachhaltige Unternehmensentwick- lung stützt. Green Controlling erweitert den ökonomischen Part der Lotsenfunktion im Controlling nicht nur um den ökologischen Aspekt, denn nachhaltig ist mehr als Green!“ (ControllingWiki). Überlegungen zum Green Controlling oder zum Nachhal- tigkeitscontrolling sind fast „ein alter Hut“. Sie sind schon lange dabei, daher können Sie einordnen, wieweit die Diskussion um die Nachhaltigkeit das Controlling in einer fortwährenden Entwicklung tatsächlich be- einflusst und verändert hat. Sailer: Der ICV hat sich schon früh mit dem Green Controlling bzw. mit dem Nachhal- tigkeitscontrolling beschäftigt und hierbei wichtige Akzente gesetzt. In der Breite des Controllings, in der Praxis aber noch mehr in der Theorie, ist die Bedeutung immer noch gering. Biel: Und in vielen BWL- und Controlling- Büchern, die ich besprechen darf, spielt nach meinem Eindruck Nachhaltigkeit keine oder nur eine geringe Rolle. Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitscontrolling ist also in For- schung, Lehre und in den Fachmedien nur be- grenzt angekommen und vertreten. Stimmt diese Vermutung? Wegen dieser Lücke habe ich Sie umdieses Interview gebeten. Sailer: Ja, in den meisten Controlling-Lehr- büchern finden sich bis heute keinerlei Hin- weise zur Nachhaltigkeit. Mit dem hier dar- gelegten Verständnis eines Business Part- ners , der das Management bei der Zielerrei- chung unterstützt, ist dies unverständlich. Controller, die sich dieser Aufgabe praktisch annehmen, merken rasch, dass sie für ihre Fragen kaum Antworten finden. Sowohl in der Theorie, in der Ausbildung und in der Praxis besteht meines Erachtens noch ein großer Bedarf, die betriebliche Steuerung der Nachhaltigkeit zu professionalisieren . Biel: Bitte lassen Sie uns mit einemAusblick enden. Die lesenswerte „ICV-Studie zum nachhaltigen Unternehmenserfolg“ (ICV White Paper Green Controlling) aus dem Jahre 2010 betont ein Fünf-Stufen-Modell zum nachhaltigen Unternehmenserfolg. Bleibt dieses Stufenmodell 1. Ökologische Standards übertreffen 2. Wertschaffungsketten nachhaltig gestalten 3. Umweltfreundliche Produkte entwickeln 4. Neue Geschäftsmodelle einführen 5. Neue Märkte schaffen ein realistisches Zukunftsbild oder – in die Breite der Unternehmen gesehen – eher ein ferner Zukunftstraum? Sie stehen sowohl für Nachhaltigkeit als auch für Controlling. Was ist Ihr Zukunftswunsch? Sailer: Ich halte die fünf Stufen zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg für ein sehr positiv besetztes und hilfreiches Zu- kunftsbild . Nachdem die ersten Unterneh- men vor Jahren begannen, ökologische Stan- dards zu erfüllen und die Wertschöpfungs- ketten um die gröbsten ökologischen und sozialen Sünden zu bereinigen, hatten man- che schnell den Eindruck erweckt, die Haus- aufgaben seien gemacht. Doch der Wettbe- werb um Kunden, um Investoren und um die gesellschaftliche Akzeptanz geht weiter und erfordert die Arbeit an allen fünf Stufen des Modells. Biel: Hier müssen wir sicher die Verschie- denheit der Unternehmen erkennen und Unterschiede machen. Sailer: Das ist richtig. Es gibt große Unter- schiede insbesondere ■ in Abhängigkeit von den Interessen und Machtstrukturen der Unternehmen, ■ aber auch hinsichtlich der Branche, den Produkten oder der Wettbewerbssituation. Biel: Wir leben in einem gewaltigenWan- del. Glauben Sie, dass das damit verbunde- ne Sichwandeln auch die Nachhaltigkeit in den Unternehmen verstärkt erfassen und Denk- und Lernanstöße geben wird? Sailer: Der gesellschaf tliche Wandel stellt sich als so umfangreich und mächtig dar, dass auch der Wettbewerb dafür sorgen wird, die weiteren Stufen hin zum nachhalti- gen Erfolg zu erklimmen. Ein Beispiel für diesen Wandel ist der mittlerweile große Anteil von Betriebswirtschaftsstudierenden, die sich im Rahmen ihrer Abschlussarbeit mit den unterschiedlichsten betrieblichen Nachhaltigkeitsfragen auseinandersetzen. Biel: Und was möchten Sie den Controllerin- nen und Controllernmit auf denWeg geben? Sailer: Vor allem die Controllerinnen und Controller sollte sich über- und tiefgreifend Gedankenmachen , wie soziale, ökologische und ökonomische Ziele in Einklang gebracht werden können, wie diese integriert geplant werden, wie Maßnahmen aufeinander abzu- stimmen sind und wie in- und außerhalb des Unternehmens Transparenz verschafft wer- den kann. Die Überzeugung, Unternehmen zu langfristigem und nachhaltigem Erfolg zu führen, kann das Controlling zu einer der reizvollsten Aufgaben mit herausfor- dernden und sinnstiftenden Berufsbildern machen. Biel: Ich möchte ein kurzes Fazit ziehen: ■ Lieber Herr Prof. Dr. Sailer, Ihnen ist ein großartiges Schlusswort gelungen. ■ Der Dialogmit Ihnen war sehr aufschluss- reich. ■ Vieles bleibt beim Thema Nachhaltigkeit noch diskussionswert und diskussions bedürf tig. Beispielsweise könnte man auch unsere Rolle als Konsumenten hinter fragen. ■ Sinn dieses Interviews sollte sein, zu in- formieren und anzuregen – und auch zu motivieren, sich auf den Weg zur Nach- haltigkeit zu begeben. ■ Wir führen dieses Interview zu einer Zeit, in der die Corona-Krise das Leben und auch die öf fentliche Diskussion massiv bestimmt. Bemerkenswert ist, dass in vielen Berichten und Kommentaren häu- fig ein Strukturwandel gefordert wird, u. a. in Richtung Nachhaltigkeit. Vielleicht ist unser Interview auch daher zeitgemäß. ■ Leider ist der uns zur Verfügung stehende Platz im Controller Magazin nun aufge- braucht. Er muss aber noch dazu reichen, Ihnen einen großen Dank und viel Res- pekt für diesen Dialog und für die hervor- ragende Zusammenarbeit bei diesem In- terview auszusprechen. Mir hat es viel Spaß gemacht und mich auch bereichert. Für Sie und Ihre Arbeit alles Gute. ⬛
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