Controllermagazin 6/2020
79 Controller Magazin | Ausgabe 6 HINTERGRUND 5. Bewertung der Bestandszu- und -abgän- ge immer zu Standard Auch bei der Bewertung von Zu- und Abgän- gen im Halbfabrikate- oder Fertigwarenla- ger sowie bei der Bewertung von Ware in Produktion (WIP) sollen Standardsätze an- gewendet werden. Materialbezüge und auf Fertigungsauf träge erbrachte Fertigungs- leistungen werden immer zu Standardkos- ten (prop. Plankostensatz der jeweils leisten- den Kostenstelle und Plan-Einstandspreise) bewertet. Denn wenn gegenüber dem Stan- dard Abweichungen in der Fertigung oder im Einkauf entstehen, sind die Kostenstel- lenleiter und der Einkauf dafür zuständig, dass diese durch Korrekturmaßnahmen wieder aufgeholt werden. Aus Führungssicht ist es deshalb richtig, dass Abweichungen immer am Entstehungsort ausgewiesen und nicht an die beziehenden Einheiten wei- terverrechnet, sondern erst im Gesamter- gebnis berücksichtigt werden. Da kein direk- ter Verursachungszusammenhang zwischen der Abweichungsursache und den Handlun- gen des Beziehers besteht, wäre eine Wei- terverrechnung an Folgestufen sowieso nur mittels Umlagen möglich. 6. Erlös- und Deckungsbeitragsrechnung mit Standard-Herstellkosten Den geplanten und den realisierten Erlösen (brutto und netto) sollen immer nur die prop. Standard-Herstellkosten der verkauf- ten Produkte gegenübergestellt werden. Für Abweichungen auf der Herstellkostenseite sind die Leistungserstellungsbereiche ver- antwortlich; der Verkauf steht für die reali- sierten Nettoerlöse gerade. 7. Jahresendbestände umwerten Die Anwendung des Standardsystems für die Zieloperationalisierung bringt es mit sich, dass beim Übergang vom alten zum neuen Jahr auch alle Bestände mit den Planansätzen des neuen Jahres zu bewerten sind. Wird z. B. ein Artikel im neuen Planjahr wegen Preis- steigerungen im Einkauf teurer oder steigen wegen höherer Personalkosten die prop. Plan-Kostensätze gegenüber dem Vorjahr, sind die am Jahresende vorhandenen Bestän- de mit den neuen Standardsätzen umzuwer- ten, sollen im Planjahr nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Diese Umwertung muss ergebnisneutral erfolgen, da die Ergebnisbe- urteilung des laufenden Jahres auf den Stan- dardsätzen des laufenden Jahres basiert, die- jenige des Folgejahres aber auf den Planwer- ten des Folgejahres. 8. Anlagevermögen zuWiederbeschaf- fungswerten und kalkulatorische Abschreibung Um verantwortlichen Managern ein Gefühl zu geben, welche Anlagenkosten für Her- stellung und Verkauf der Produkte und Dienstleistungen entstehen und welcher ak- tuelle Vermögenseinsatz für den Betrieb des Unternehmens nötig ist, empfiehlt es sich, Wiederbeschaf fungswerte anzuwenden. Dazu ist zu beantworten: „Wie viel müsste für ein Anlagegut heute bezahlt werden, wenn es neu zu beschaffen wäre und welche Plan-Nutzungsdauer hat das Management für dieses Gut zum Beschaffungszeitpunkt vorgesehen?” Daraus kann die kalkulatori- sche Abschreibung pro Anlageobjekt und damit auch pro Kostenstelle berechnet wer- den. Die Summe der Wiederbeschaffungs- Restwerte zeigt dem Management, wie viel heute unter Berücksichtigung des Alters der Anlagen zu investieren wäre, um das vor- handene Nutzen- und Leistungspotenzial wieder zu beschaffen (betriebsnotwendiges Anlagevermögen). 9. Keine Fixkosten umlegen Fixe Kosten werden weder von einer Kosten- stelle an eine andere weiterverrechnet, noch auf hergestellte oder verkaufte Artikel um- gelegt. Denn die Höhe der Fixkosten wird durch die Entscheidungen des jeweiligen Kostenstellenleiters und seiner Vorgesetz- ten bestimmt und damit auch verantwortet. Zudem können Umlagen nie verursa- chungsgerecht weiter verrechnet werden , da der sogenannte „möglichst realistische Verursachungszusammenhang“ real nicht existiert, sondern mit einem Kostenschlüs- sel konstruiert wird. Deshalb werden im füh- rungsorientierten Management Accounting weder volle Herstellkosten noch Selbstkos- ten pro Einheit berechnet. Die fixen Kosten „landen“ als Kostenblöcke in der stufenwei- sen DB-Rechnung. 10. Nur direkt beeinflussbare Erlös- und Kostengrößen in die Berichte Eine Führungskraft kann nur verantworten, was sie auch direkt selbst beeinflussen kann. Alle Pläne und Auswertungen zu Erlösen und Kosten sollen immer auch leistungsbezogen präsentiert werden, damit der Adressat den Zusammenhang sofort erkennt. Nicht beein- flussbare Positionen (z. B. Umlagen) sind gar nicht zu zeigen. Vorleistungen aus anderen Bereichen sollen wie beschrieben immer zu prop. Standardsätzen bewertet sein, da die Beeinflussung beim Leistungsersteller er- folgt. Der Berichtsempfänger soll für sich ab- leiten können, in welchem Zeitraum er ein- zelne Positionen verändern kann. Insoweit die Rechnungslegungsstandards, das lokal geltende Steuerrecht oder die Be- stimmung von Verrechnungspreisen den Ausweis von vollen Herstellkosten erfor- dern, sollen diese Berechnungen außerhalb des Management Accountings vorgenom- men werden (in der Finanzbuchhaltung). Denn intern steht imVordergrund, dass jede Führungskraft für ihren Bereich umgehend erkennen kann, für welche Positionen sie die direkte Verantwortung trägt und folglich auch reagieren muss, wenn Korrekturmaß- nahmen nötig werden. Externe Abschlüsse sollen nur denjenigen Führungskräften gezeigt werden, die (Mit-) Verantwortung für diese Abschlüsse tragen, damit die unterschiedlichen Wertansätze nicht Verwirrung stiften. Im größeren Teil der uns bekannten integrierten ERP- und Rechnungswesen-Applikationen lässt sich die Umsetzung der zehn Prinzipien ohne Sof twarewechsel einrichten. In der Praxis mussten wir leider oft feststellen, dass die Berechnung voller Herstell- und Selbstkos- ten pro Einheit höher gewichtet wird als die konsequente Entscheidungsorientierung des Management Accountings. In der Wirt- schaft wird jedoch täglich bewiesen, dass der Markt die Verkaufspreise macht, nicht die eigenen Kosten. Insgesamt erwarten die Führungskräfte von den Con trollern ein Management-Control-System bestehend aus den drei Teilsystemen Früh- warnung, Vorsteuerung und Management Accounting. Diese Teilsysteme unterstützen und ermöglichen den gesamten Planungs- und Steuerungsprozess vomUnternehmens- zweck bis zur erfolgreichen Abwicklung ei- nes einzelnen Auftrags. Controller werden zu wertvollen Management-Partnern. ⬛ Literaturhinweise: Anthony, R.N.; Govindarajan, V. (2007): Management Control Systems, 12th ed., NewYork International Group of Controlling IGC (2010): Controller-Wörterbuch (CWB), 4. Auflage, Stuttgart Rieder, L. (2020): Management-Control-System / integriert planen und steuern, Stuttgart Simons, R. (1995): Levers of Control.
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