Controllermagazin 6/2020
36 Controller Magazin | Ausgabe 6 AKTUELL Fall 1: Direkte Auswirkungen durch das nEHS . Von den Be- richts- und Abgabepflichten direkt betroffene Unterneh- men sind Unternehmen, die als Erzeuger bzw. Inverkehr- bringer von Brennstoffen agieren. Diese müssen ab dem Jahr 2021 am nationalen Emissionshandel teilnehmen und damit Zertifikate erwerben bzw. abgeben, Emissio- nen berichten sowie ein Registerkonto einrichten und führen. Inverkehrbringer von Brennstoffen gemäß Anla- ge 1 des BEHG sind rund 4000 Unternehmen – Erdgas lieferanten, Importeure von Heizölen und Kraftstoffen, Großhändler von Kraftstoffen und Heizölen sowie Raffi- nerien, wenn die dort hergestellten Produkte direkt in den Verkehr gebracht werden. 5 Diese Unternehmen tragen je nach Verschmutzungsgrad (in CO 2 /kWh) ihrer Energieträger den politisch festgeleg- ten Preis (€/t CO 2 ) für die Zertifikate, die zunächst auch dort in der Ergebnisrechnung aufschlagen. Die entstehen- den Zusatzkosten werden jedoch regelmäßig per Preisauf- schlag an die Kunden weitergereicht werden. Inwieweit dies bei bestehenden Lieferverträgen möglich ist, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab. Enthalten Ver- träge sogenannte Steuern- und Abgabenklauseln, auch für entstehende Kosten durch Emissionszertifikate, so ist eine Umlage auf die Kunden zulässig. Bestehende Lieferverträ- ge, die die Mehrheit bei Brennstofflieferungen bilden dürften, müssen daher geprüft und ggf. entsprechend an- gepasst werden. Abgesehen von den Zertifikatskosten ver- bleibt der bürokratische Aufwand in Verbindung mit dem Emissionshandel bei den Inverkehrbringern. 6 Die größere Kostenbelastung wird allerdings bei den ver- brauchenden Unternehmen erwartet – besonders bei denen, die einen hohen Anteil an fossilen Brennstoffen im Energiemix aufweisen. Hier sind allerdings einige Sonderregelungen zu beachten. Fall 2: Indirekte Betroffenheit, aber „Ausschluss“ auf- grund von Doppelbelastung (§ 11 Abs. 2 BEHG). Doppel- belastungen aus dem EU-EHS und dem nEHS sollen grundsätzlich vermieden werden. Wird ein Brennstoff im Anwendungsbereich des BEHG an eine dem EU-EHS unterliegende Anlage geliefert und dort eingesetzt, fallen die Emissionen dieses Brennstoffs unter beide Systeme. Zur Vermeidung einer solchen Doppelbelastung sieht das BEHG aktuell zwei Mechanismen vor: ■ Ex ante Vermeidung: Vorzugsweise können Inverkehr- bringer ihre Abgabeverpflichtung um die an EU-EHS Anlagen gelieferten und dort eingesetzten Brennstoff- mengen reduzieren. Damit fällt der nationale CO 2 -Preis für den Brennstoffverbrauch der EHS-Anlage gar nicht erst an. Dies funktioniert allerdings nur bei direkten Lieferbeziehungen (z. B. bei Erdgas als Brennstof f). Hierfür muss der EU-EHS-Anlagenbetreiber sowohl die Brennstoffmenge als auch die Berücksichtigung der Anlage im EU-EHS glaubhaft darlegen können und zu- dem im Jahr darauf den Nachweis für die erfolgte Ein- bringung der EU-EHS-Zertifikate liefern. ■ Ex post Kompensation: Kann eine Doppelbelastung im Vorhinein nicht vermieden werden, so sieht das BEHG eine nachträgliche, vollständige finanzielle Kompensa- tion vor (§11 Abs. 2 BEHG). Diese ist durch den Betrei- ber einer EU-EHSAnlage entsprechend zu beantragen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Mechanismen ist noch durch eine Rechtsverordnung zu regeln. 7 Fall 3: Indirekte Betroffenheit, aber Nutzung der Härte- fallregelung (§ 11 Abs. 1 BEHG). Führt das BEHG und die damit verbundene CO 2 -Kostenbelastung zu einer unzu- mutbaren Härte, kann in Ausnahmefällen die vorgesehe- ne Härtefallregelung genutzt werden. Betroffene Unter- nehmen, die fossile Brennstoffe verbrauchen, können hier einen Antrag auf finanzielle Kompensation in einer zur Vermeidung der unzumutbaren Härte erforderlichen Höhe stellen. 8 Von einemHärtefall ist dann auszugehen, wenn die Kosten für Brennstoffe mehr als 20 Prozent der Gesamtkosten betragen oder der Anteil der Zusatzkos- ten durch die Einführung des Brennstoffemissionshan- dels an der Bruttowertschöpfung mehr als 20 Prozent beträgt. Dafür müssen betrof fene Unternehmen den Brennstof fanteil der Gesamtkosten nachweisen (Pro- duktkosten). Fall 4: Carbon Leakage (§ 11 Abs. 3 BEHG). Eine weitere Sonderregelung ist vorgesehen, um Carbon Leakage (§11 Abs. 3), also ein Abwandern der Unternehmen in Länder mit weniger strengen Emissionsauflagen, zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit nationaler Unternehmen zu sichern. Deutliche Wettbewerbsnachteile sind insbesondere bei Betreibern von Industrieanlagen, die nicht unter den Eu- ropäischen Emissionshandel fallen (weniger als 20MW M.Sc. Wirt.-Ing. Lukas Michalsky Horváth & Partner GmbH, Managing Consultant bei Horváth & Partners im Bereich Energy, Environment & Telecommunication am Standort Hamburg. lmichalsky@ horvath-partners.com Dipl.-Kffr. (Univ.) Andrea Kämmler-Burrak Horváth & Partner GmbH, München, Principal/ Prokuristin bei Horváth & Partners imBereich Controlling & Finance am Standort München. akaemmlerburrak@ horvath-partners.com Summary Mit dem nationalen Emissionshandel startet ab 2021 in Deutschland ein weiteres Vehikel zur Bepreisung von CO 2 , welches das europäische Handelssystem um die Bereiche Verkehr und Gebäude erweitert. Deut- sche Unternehmen werden mit den neuen regulatori- schen Pflichten und den damit verbundenen Kostenbe- lastungen direkt oder indirekt konfrontiert. Unter- nehmen sollten sich daher mit den Zusammenhängen der eigenen Geschäftstätigkeit und mit dem Klima- wandel auseinandersetzen. Der Beitrag beleuchtet die Auswirkungen und Handlungsbedarfe für Unterneh- men, die sich aus der nationalen CO 2 -Bepreisung erge- ben, und zeigt auf, welche Instrumente für die Unter- nehmenssteuerung unter Berücksichtigung der Klima- risiken genutzt werden können.
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