Controllermagazin 6/2020
23 Controller Magazin | Ausgabe 6 Die Profession der Controller baut auf bestimmten Grundpositionen auf. Hierzu zählt die Überzeugung, wirtschaftliche Aktivitäten in Zahlen fassen zu können („was kostet das?“), ebenso wie das Streben nach Objek- tivität und Transparenz, zunehmend auch das Narrativ des unverzichtbaren Business Partners. Controller wollen aber nicht nur rechnen und zahlenbe- zogen informieren, sondern auch steuern. Das Bild des Steuermanns ist überaus verbreitet, begründet auch mit der Aussage, „to control“ hieße übersetzt doch ge- nau das. Stimmt diese wie selbstverständlich angenom- mene Grundposition aber wirklich? Steuern Controller? Trifft das Bild zu, dass der Manager als Kapitän die Ziele setzt und der Controller das Schiff dann auf Kurs hält? Sind es nicht vielmehr die Manager, die von morgens bis abends steuern? Und wenn doch, wie steuern dann die Controller? Indem sie Wertgrößen miteinander vergleichen und dem Ma- nager melden, dass es zu Abweichungen gekommen ist? Und wenn: Wie viel des Steuerungsproblems ist damit wirklich abgedeckt? Wäre es nicht ehrlicher zu sagen, dass Controller nur einen Beitrag zur Steuerung leisten, der zwar wichtig ist, aber auch nicht überschätzt werden sollte? Etwa nach dem Motto: Anregungen ja, Lösungen eher nein? Eine direkte Geschäftssteuerung ist mit Fi- nanzdaten ohnehin kaummöglich, da es zwar einen kon- kreten Weg gab, die Finanzdaten aus Geschäftsprozes- sen abzuleiten, ihre Rückübersetzung ins konkrete Ge- schäft aber viel zu viele Freiheitsgrade besitzt, die nur durch intime Geschäftskenntnis festgelegt werden kön- nen. Die reale Komplexität des Geschäfts wird in den Controller-Zahlen zudem gar nicht abgebildet; letztere reichen nur zur Beurteilung, ob die finanziellen Planwer- te erreicht wurden oder nicht. Bei den Finanzzahlen dominiert die Durchschnittsbil- dung, sei es, weil eine größere Auflösung viel zu teuer wäre, sei es, weil die Controller in Sinne eines Normalisie- rungsstrebens Ausreißer in den Zahlen beseitigen wol- len. Das Detail wird von ihnen also zum einen notge- drungen (weil zu aufwendig), zum Teil bewusst überse- hen. Details sind aber heute zur Steuerung essentiell. Viele nicht-Linearitäten (z. B. bei den Preisfunktionen) und eine hohe Varianz der einzelnen Vorgänge (z. B. bei kundenbezogenen Kosten) dominieren das Geschäf t. Die Instrumente der Controller sind darauf nicht ausge- richtet. Wer sich seine Variantenkalkulation näher an- schaut, weiß, wovon ich rede! Durch die Durchschnitts- bildung macht es auch keinen Sinn, die Finanzdaten im- mer aktueller zu machen. Real-Time ist auf Basis der Ein- zelprozesse äußerst hilfreich, ja essentiell, auf Basis von Durchschnitten aber eher blanker Unsinn. Sollten Controller also nicht viel bescheidener nur von ei- ner „Unterstützung der finanziellen Steuerung“ reden? Schon auf der Ebene des einzelnen Managers ist eine sol- che wichtig und hilfreich, mehr noch für das Zusammen- spiel der Manager über die unterschiedlichen Geschäfte und Unternehmensebenen hinweg. Allerdings wäre dann der Begriff der finanziellen Koordination präziser. Hier sind Controller tatsächlich segensreich unterwegs. Einzelne Bereichsinteressen in gemeinsame Pläne zu in- tegrieren, Planungsebenen miteinander zu verbinden, aufzupassen, dass Erfolg und Cash harmonieren, all das sind wesentliche Aufgaben und ein zentraler Grund für die hohe Bedeutung der Controller. Hier sind sie wirklich Partner des Business und unverzichtbarer Bestandteil der Planungsmaschinerie, die große Unternehmen erst möglich gemacht hat. Wird das so bleiben? Aus Controllerperspektive betrach- tet: leider eher nein. In Zukunft wird die klassische Koor- dination durch Pläne mehr und mehr von Selbstabstim- mung abgelöst werden. Hier übernehmen die Manager (bzw. viele Gruppen von diesen) die Koordination, sowohl inhaltlich wie prozessual. Schnell stellt sich die Frage: Was bleibt dann für die Controller, wo liegt deren USP? Darin, betriebswirtschaftlich rechnen zu können? In der Vermei- dung von Opportunismus der Manager? Im Management der wertmäßigen Steuerungssysteme? Es ist an der Zeit, sich damit genauer zu beschäftigen – es könnte ja sein, dass bei der Zusammensetzung eines Problemlösungs- teams jemand fragt, warum denn da ein Controller dabei sein sollte. Und es wäre ziemlich peinlich, wenn der selbst- ernannte Business Partner dann seinen part of the busi- ness nicht überzeugend klarmachen könnte! ⬛ Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC) der WHU -Otto Beisheim School of Management, Cmpus Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar. Er ist zudemMitglied des Kuratoriums des Internatio- nalen Controller Vereins (ICV). juergen.weber@whu.edu (Was) können Controller wirklich steuern? Von Jürgen Weber WEBER-KOLUMNE
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