CONTROLLER Magazin 5/2019
85 Dieses Vorgehen erscheint auf den ersten Blick trivial. Die Schlichtheit ist allerdings eine Stär- ke. Sie funktioniert als strukturiertes Ordnungs- system für die Überlegungen. So werden alle Beteiligten dazu angeregt, darüber nachzuden- ken, welche Konsequenzen einer Entscheidung für das Unternehmen die wichtigsten sind: die kurz-, mittel- oder langfristigen. Damit können der übliche Tauschhandel, die lan- gen Diskussionen, welche meistens zu einem Treffen in der Mitte zwischen den Extrempositio- nen führen, verhindert und stattdessen klare Ent- scheidungen priorisiert und durchgesetzt wer- den. Davon profitiert nicht allein das Controlling, sondern die operativen Entscheider werden davor geschützt, sich zu verrennen und maximale For- derungen zu proklamieren, welche bei einer ob- jektiven Betrachtung realitätsfern erscheinen. Wenn für sämtliche Zeiträume die Folgen einer Entscheidung positiv oder negativ sind, stellt sich die Frage des richtigen Zeitpunktes der Umsetzung nicht. Unter diesen Bedingungen wird ein einfacher Konsens gefunden. Dann geht es schlicht darum, diesen umzusetzen, möglichst rasch zu handeln oder dauerhaft nichts zu tun, wobei sich im letzteren Fall ohne- hin die Frage stellen würde, warum in einer der- artigen Situation das Controlling Handlungs bedarf sieht. Dies ist allerdings häufig nicht der Fall, wie die einzelnen Beispiele aufzeigen werden. In Abbil- dung 1 sind typische Situationen dargestellt, welche zu Diskussionsbedarf führen, wobei ein + positive Folgen und ein - negative Folgen ei- ner Entscheidung bedeutet. Situation 1 Kurzfristig positive Auswirkungen auf Kosten mittel- und langfristiger Nachteile zu erzielen, erscheint unsinnig. Dennoch verlangen enga- gierte Controller dies gelegentlich. Selten aus Unwillen, als vielmehr, weil nicht alle Aspekte einer Entscheidung bekannt sind. Nicht wenige Probleme lösen sich im Zeitab- lauf. Bei der Konkretisierung dieser Perspektive hilft die Unterteilung nach Menschen, Leistun- gen und Märkten. Wenn eine Beendigung/ Trennung fest terminiert ist, gilt es zu prüfen, ob sich der Aufwand lohnt, Veränderungen durch- zusetzen. Das Controlling kann hier den Ein- druck des Übereifers, der Unwirtschaftlichkeit, ja der Unprofessionalität wecken. Vor allem wenn erforderliche Veränderungen längst fest- stehen, der einzelnen Controller davon aber nichts weiß. Ein solches Vorgehen wird Augen- maß signalisieren und verbessert die eigene Position bei später zu erläuternden Sachverhal- ten. Dabei kann es sich um Verträge handeln, welche eine gewisse Laufzeit festlegen, wenn bspw. Räumlichkeiten angemietet, zeitlich be- fristete Arbeitsverträge geschlossen oder be- stimmte Anlagen geleast werden. Situation 2 In dieser Situation tritt eine Fehleinschätzung zutage, welche vielen Menschen unterläuft: die Nichtberücksichtigung des Zinseszinseffektes. Davon ist vor allem flexibles, anlassbezogenes Handeln betroffen, welches im Gegensatz zu formalem Vorgehen präferiert wird. Ein typi- sches Beispiel ist die Situation in einem neuen Markt. Bei einer kleinen Auslandsgesellschaft sollten doch nicht die gleichen Maßstäbe wie an einen etablierten Standort angelegt werden. Gleiches soll für eine formal selbstständige Aus- gründung gelten, die neue Lösungen anbietet. Damit stellen die so argumentierenden Betroffe- nen hohe Ansprüche, weniger an sich selber, als vielmehr an das Controlling. Anstatt generel- le Vorgaben durchzusetzen, soll ad-hoc auf spe- zielle Situationen reagiert werden, allerdings un- verzüglich und positiv. Da beschäftigungslose Apathie die wenigsten Controller plagt, darf durchaus gefragt werden, wie die Ansprech- partner sich zu verhalten gedenken, wenn eine Antwort etwas Zeit in Anspruch nimmt. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie sich die betroffene Einheit zukünftig entwickeln wird, wozu die Daten der Unternehmensplanung her- angezogen werden. Dabei ergibt sich oftmals das Muster, dass kleine Einheiten, von einem bescheidenen Niveau ausgehend, in hohem Maße an Umsatz und Ergebnis zulegen sollen. Weiterhin stellt sich die Frage, in welchem Um- fang entsprechende Einheiten insgesamt vor- handen sind. Die Vertriebsniederlassung in Bul- garien mag primär die eigene Situation sehen, gibt es allerdings 24 derartige Organisationen weltweit, sollten alle Betroffenen einsichtig sein, dass individuelle Regelungen des Control- lings nicht darstellbar sind. Für alle Beteiligten wird es dann sinnvoll sein, dauerhaft wirksame Lösungen zu entwickeln, welche ohne ein Mindestmaß bürokratischer Regelungen nicht umsetzbar sind. Dies mag an- fangs einige Zeit dauern, schafft allerdings die Basis für dauerhaft leistungsfähige Prozesse. Situation 3 Warum stellen sich Betroffene gegen die Um- setzung offensichtlich gut begründeter Maß- nahmen? Zumal wenn bei dem Sachverhalt klar ist, dass das Controlling nachvollziehbar argu- mentiert und die eigene Position durchsetzen kann, gegebenenfalls über eine Eskalation bis zur Unternehmensleitung. Es gibt Aufgaben, die niemand gerne wahr- nimmt, welche unangenehm sind und/oder ho- hen Aufwand verursachen. Dass es dann im konkreten Moment nicht passt, ist offensicht- lich. Sicherlich gibt es Zeiten, in denen einzelne Unternehmensbereiche Belastungsspitzen auf- weisen. Das Rechnungswesen sollte zum Jah- resabschluss nicht noch zusätzliche Aufgaben bekommen, im Tourismus sollten sie nicht in der Hauptreisezeit anfallen. Dies ist aber selten das Hauptproblem, vielmehr liegen häufig zwi- schenmenschliche Herausforderungen vor. So sind aus Geschäftsbeziehungen teilweise per- sönliche Freundschaften erwachsen, eine Been- digung fällt schwer, der notwendige Personal abbau betrifft die Abteilung, in der die eigene Karriere begann. Dann auf einer ausschließlich rationalen, sach- lichen Ebene zu argumentieren führt oft nicht weiter, obwohl derjenige, der die unangenehme Aufgabe erfüllen soll, die Sinnhaftigkeit, ja Not- wendigkeit eingestehen müsste. Vielmehr sollte Abb. 1: Entscheidungen im Zeitablauf CM September / Oktober 2019
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