CONTROLLER Magazin 5/2019

27 leme und Bedürfnisse der Zielgruppe genau zu erfassen und zu analysieren. Im ersten Schritt wird das grundlegende Verständnis für die Aufgabenstellung hergestellt. Schon hier ergeben sich häufig unterschiedliche Sicht- weisen im Team. Sind diese geklärt, wird die Zielgruppe für die Aufgabenstellung (diese kommt meist von einem Themengeber) identi- fiziert und deren Beobachtung bzw. Befra- gung vorbereitet. Diese unterscheidet sich von der klassischen Marktforschung und ist viel- mehr qualitativ aufgebaut. In der abschließen- den Synthese-Phase werden die gesammel- ten Erkenntnisse im Team gesichtet und prio- risiert. Im vierten Schritt wird die vorab ein- grenzte Problemstellung kreativ bearbeitet. Dabei wird meist in einem Brainstorming ex- plorativ und mit Hilfe von Kreativitätstechniken nach Lösungen gesucht. Ab hier wird im zwei- ten Teil des Prozesses, dem „Lösungsraum“, schrittweise eine Lösung entwickelt. Ziel ist, von der Idee schnell zu einem Prototypen überzugehen und diesen mit den Nutzern zu testen. Spätestens hier schließt sich der Kreis: Adressiert die Lösung auch die Bedürfnisse, die in der ersten Phase gefunden wurden? Am Ende des Prozesses wird entschieden, ob die Lösung in die Umsetzung übergehen kann. Häufig wird dann im Unternehmen die techni- sche Machbarkeit oder die wirtschaftliche Rentabilität geprüft und die Lösung an das Produktmanagement übergeben. Bunter Werkzeugkasten Design Thinking wird fälschlicherweise von vielen als Methode bezeichnet. Aber die „De- sign Thinking Methode“ gibt es nicht. Wenn überhaupt ist Design Thinking ein Werkzeug- kasten für nutzerzentrierte Innovation, dessen Werkzeuge entlang des Prozesses angewen- det werden können. Diese Werkzeuge können zum Beispiel die Customer Journey Map, das Bilden von Personas oder das klassische Brainstorming sein. Es kommt immer auf die Fragestellung und den Kontext an, welches Werkzeug im Laufe des Prozesses das richtige ist. Es gibt freilich eine grobe Struktur, je mehr Erfahrung jemand im Prozess hat, desto grö- ßer ist die Flexibilität aus dem bunten Werk- zeugkasten zu schöpfen. Design Thinking im Unternehmen Grundsätzlich kann und sollte in Zukunft das Mindset und die Grundhaltung des Design Thinking in vielen Unternehmen Einzug nehmen können. Prinzipien wie Nutzerzentrierung, Inter- disziplinarität und Experimentierfreude sind nützliche Hilfsmittel im Rahmen der digitalen Transformation und der immer komplexer wer- denden Arbeitswelt. Wofür lassen sich der De- sign Thinking Prozess samt Werkzeugkasten aber nun konkret anwenden? Anwendungsbeispiele Design Thinking lässt sich zum einen für die Weiterentwicklung bestehender Produkte und Services oder die Erschließung neuer Märkte – beispielsweise im Bereich des Produkt- oder In- novationsmanagements eines Unternehmens einsetzen. Gleichzeitig können interne Organi- sationseinheiten wie das Controlling Design Thinking dafür nutzen, um sich selbst zu hinter- fragen. Denn auch interne Prozesse können einer Überprüfung mit konsequentem Nutzer­ fokus unterzogen und darauf aufbauend weiter- entwickelt werden. In der heutigen Zeit kann ein weiterer Aspekt betrachtet werden: Sie suchen nicht die Lösung für ein Problem, son- dern eine Problemstellung für eine Technologie! In Unternehmen starten zunehmend Teams mit Fragen, wie Technologien, wie zum Beispiel der 3D-Druck oder die Künstliche Intelligenz, kun- denorientiert genutzt werden können. Dafür identifizieren diese Teams im ersten Schritt Problemstellungen oder Bedürfnisse, auf die man die Technologie anschließend anwenden kann, um Produkte zu entwickeln. Anwendungsformate Grundsätzlich sollte Design Thinking im Rah- men von Projekten verwendet werden, in denen genügend Zeit für eine ausreichende Beob- achtungs- und Testphase geben ist. Gleichzei- tig gewinnen ein- bis zweitägige Workshops immer mehr an Zuspruch. Hier ist jedoch Vor- sicht geboten, da man Innovation nicht erzwin- gen kann, und auch ein Ansatz wie Design Thinking Raum braucht für Exploration, Offen- heit für das Ungewisse und Zeit zum Experi- mentieren. Unabdingbar ist jedoch die Nutzer- zentrierung. Sollte die Aufgabenstellung darin bestehen, eine rein technische Fragestellung zu lösen, wie es beispielsweise häufig im Inge- nieurs- oder Maschinenbauumfeld der Fall ist, dann ist es fraglich, ob Design Thinking der richtige Ansatz ist. Hier eignen sich andere Vorgehensmodelle wie Creative Problem Sol- ving oder TRIZ. Sie sollten also immer überle- gen, für was und welchen Kontext Sie Design Thinking einsetzen möchten. Mal macht es Sinn als Design Thinker aktiv zu werden, mal aber auch weniger. Autor Jens Springmann ist bei der creaffective GmbH in München als Trainer und Mode- rator tätig und berät Teams und Projektverantwortliche bei der Entwicklung innovativer Produkte und Services. Er hat Betriebs- wirtschaftslehre studiert und anschließend mehrere Jahre für verschiedene Verlage und Medienunternehmen gearbeitet. Zu- dem ist er als Lehrbeauftragter an verschiedenen Unviversitäten tätig, u. a. für das Thema Design Thinking. E-Mail: springmann@creaffective.de Abb. 1: Prozessgrafik (Quelle: creaffective GmbH) CM September / Oktober 2019

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