CONTROLLER Magazin 5/2019
20 für die Kunden zu schaffen. Dies ist bei vielen Software-basierten Angeboten oft viel früher der Fall als die Einführung einer scheinbar per- fekten Lösung. Und vielleicht gelingt es uns hierdurch, schneller als die Wettbewerber zu sein. Denn im Silicon Valley habe ich alle nur von „Time-to-Value“ sprechen hören! Um ein Gegenargument gleich zu entkräften: Es geht nicht darum, den Kunden unfertige Produkte und Services anzubieten! Diese würden ja auch kein „Value“ kreieren! Dies erfordert allerdings ein frisches Denken! Biel: Ihre Darlegungen führen uns stärker zum Themenkomplex Führung. Wenn sich die Unter- nehmen ändern, was bedeutet dies für die Füh- rung? Wenn z. B. Empowerment der Mitarbeiter und Teams zu einem wesentlichen Thema wird, ist zu fragen, was folgt daraus für Führungsphi- losophie und Führungsprozesse? Kreutzer: Um die oben angesprochene Schnel- ligkeit und Agilität zu erreichen, müssen wir nicht nur Aufgaben, sondern auch Kompeten- zen und Verantwortung delegieren . „Klassi- sche“ Führungskräfte delegieren gerne Aufga- ben, halten Kompetenzen und Verantwortung aber in den eigenen Händen. Das funktioniert natürlich nicht – bzw. es funktioniert, führt aber zu langsamen Prozessen und häufig zu frust- rierten Mitarbeitern! Biel: Was folgt daraus für Führungskräfte? Komponenten Flexibilität und Innovation im Un- ternehmen verankern? Kreutzer: Die Innovation-Engine stellt das or- ganisatorische Gerüst dar. Dort gilt es, mit neu- en Denkkonzepten und Methoden zu arbei- ten , um zügig spannende Produkt- und/oder Service-Innovationen oder sogar neue Ge- schäftsmodelle zu entwickeln. Neben bereits bewährten und vielfach im Einsatz befindlichen Varianten des Business-Model-Canvas geht es auch darum, kundenzentrierte Innovationspro- zesse durch Methoden wie Design-Thinking, Lean-Start-up und Scrum voranzubringen. Hierfür ist es allerdings im ersten Schritt erfor- derlich, die im Unternehmen bestehenden Kompetenzprofile zu erfassen und ggf. weiter- zuentwickeln. Die entsprechenden Herausfor- derungen sind in Abbildung 8 zu finden. Biel: Was bedeutet dies für die Dauer von der Produktentwicklung bis zur Platzierung des Produkts am Markt? Muss sich unsere Sicht- weise verändern? Kreutzer: Besonders die Überwindung der „Time-to-Market“-Orientierung stellt für vie- le Unternehmen eine große Herausforderung dar. Statt zu fragen, wann ein perfektes Pro- dukt oder ein perfekter Service am Markt ein- geführt werden soll, ist es besser zu fragen: Bis zu welcher Stufe muss ein Produkt oder Ser- vice bereits entwickelt sein, um ersten Nutzen Kreutzer: Gerne. Wie beim Blick auf Abbil- dung 7 deutlich wird, liegen beiden Konzepten ganz unterschiedliche Leitideen und Wer- te zugrunde. Deshalb ist es für viele Unter- nehmen schwer, diesen Dualismus von „Re- gelwerk hier“ und „Flexibilität dort“ auszuhal- ten. Aber es gibt keine Alternative! Es ist häu- fig empfehlenswert, die Innovation-Engine nicht am Standort der Zentrale zu errichten, damit das Denken frei vom bestehenden Ge- schäftsmodell erfolgen kann. Nicht umsonst hat der Axel Springer Verlag seinen Plug & Play Accelerator auch im Silicon Valley ange- siedelt. Die Deutsche Telekom hat ihren Tech- Incubator in Berlin eröffnet. Das schwedische Möbelhaus hat seine Innovation-Engine Space 10 in die dänische Hauptstadt Kopenhagen verlegt. Weg vom Stammsitz soll Freiheit im Denken erzeugen! Biel: Und wie gehen wir mit den Kulturunter- schieden dieser Modelle um? Kreutzer: Es ist nicht einfach, den KPI-getrie- benen Leistungsträgern der Performance- Engine deutlich zu machen, dass die – häufig besonders smarten – Akteure der Innovation- Engine ein Projekt nach dem anderen versen- ken können auf der Suche nach dem „next big thing“! Und trotzdem laufend gelobt werden! Biel: Zu Ihrer Antwort eine Vertiefungsfrage: Wie lassen sich nun die offenbar wichtigen Abb. 9: Strategische Qualifizierungslücke (eigene Abbildung) Interview: Führungs- und Organisationskonzepte in der Zukunft
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