Controller Magazin 6/2019
15 Fixpreisvertrag auf Basis des vorgelegten Fein- konzeptes. Hardware- und Softwareinstallation, Individualprogrammierung und Customizing werden ohne weiteren Verzug durchgeführt und der Echtstart könnte zum gewünschten Termin gemäß Abbildung 2 erfolgen. Die Betonung liegt auf „könnte“ – tatsächlich wird der Echtstart zweimal verschoben, obwohl buchstabengetreu genau das geliefert wurde, was in der Leistungsbeschreibung dediziert be- schrieben wurde. Nur benötigt der Anwender bei Echtstart genau das nicht mehr. Die Gründe können vielfältig sein, z. B.: · · die Vertriebskonditionen sind in sich schlüssig, aber der Konditionsbaum entspricht nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten; · · die installierte EDI-Lösung passt zwar für ein Handelsunternehmen, kann aber nicht rentung der Programmierer nicht mehr garan- tiert werden kann. Er stellt also einen Budget- antrag zum Erwerb eines neuen ERP-Systems. Zu diesem Zeitpunkt hat er als Fakt nur die Vision eines Echtstarts in 24 Monaten. B udgetantrag – auf welcher Basis? Der erste Schritt zum Projekterfolg ist der Bud- getantrag – aber auf welcher Basis? Die 20 Jahre alten Daten des Software- und Hard- wareerwerbs von seinerzeit 500.000 DM las- sen sich nicht mehr heranziehen. Messe- und Verbandsinformationen und ein gutes Bauch- gefühl ergeben den ersten Budgetrahmen von 1 Mio. Euro. Der Antrag wird genehmigt und ein Lastenheft wird erstellt. Nach 12 Monaten fällt nach der Ausschreibungsphase die Entschei- dung für ein mittelständisches Systemhaus mit Die Phasenergebnisse (PE) gehen wie bei ei- nem Wasserfall immer als bindende Vorgaben in die nächsttiefere Phase ein. In einem Was- serfallmodell hat jede Phase vordefinierte Start- und Endpunkte mit eindeutig definierten Ergeb- nissen. Als Negatives „Nicht-Softwareprojekt- Beispiel“ mag der Versuch der Instandsetzung der „Gorch Fock“ dienen. Diese hatte Ende 2015 begonnen und sollte für rund 10 Millionen Euro in 4 Monaten überholt werden. Das Para- de-Schulschiff der Deutschen Marine liegt heu- te immer noch in der Werft, aber auseinander- gebaut. Matthias Gebauer führt im Januar 2019 an: „Ein vertraulicher Prüfbericht rügt, dass die Kostensteigerung für die Reparatur auf rund 135 Millionen Euro nur durch gravierendes Missmanagement bei Marine, Beschaffungs- amt und auch im Ministerium möglich wurde.“ 2 Auch in den anderen lang-laufenden Projekt- gräbern ist jemand der Nutznießer, das Budget ist ja nicht verschwunden, sondern nur ohne das prognostizierte Projektergebnis auf den Konten der Auftragnehmer und eingebundenen Berater gelandet. Projektplanung – Der Weg zum Erfolg? Wie kann es zu solchen Desastern kommen? Ich möchte die Problematik der Preisfindung, Budgetierung und Projektierung an einem ein- fachen IT-Projekt zeigen: Der IT-Leiter eines mittelständischen Produktions-Unternehmens stellt fest, dass die Wartung seines perfekten, vor 20 Jahren beschafften, modifizierten AS/400 ERP-Systems in 2 Jahren wegen Ver- Abb. 2: ERP-Projekt im traditionellen „Wasserfallmodell“ Autoren Hans-Peter Schreiber hat in den letzten 25 Jahren für die Comarch Software und Beratung AG, München (Vormals SoftM AG), als Projektleiter, Entwickler und Controller weit über 100 Projekte in KMU er- folgreich abgeschlossen, heute ist er als Consultant, Coach und Projektleiter freiberuflich tätig. E-Mail: p.schreiber@cpscon.de Henrik Schreiber ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Osna- brück Fakultät Wirtschaft- und Sozialwissenschaften, Wirt- schaftspsychologie mit dem Schwerpunkt interkulturelle Psy- chologie und Diversity und Lehrbeauftragter für besondere Aufgaben der Fakultät WiSo. E-Mail: h.schreiber96@web.de CM November / Dezember 2019
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