Controller Magazin 6/2019
12 können aber eine rollierende finanzielle Planung um eine rollierende Maßnahmenplanung ergänzen . Somit können die sehr wertvollen Paradigmen hinter den OKRs auf den Kontext traditioneller Unternehmen und Branchen über- tragen werden – und diese letztendlich flexibler und umsetzungsstärker machen. Eine 1:1 Übertragung von Unternehmen aus dem Silicon Valley ist sicher nicht anzuraten. Biel: An Ihre Ausführungen schließt sich fast zwangsläufig eine weiterführende Frage an. Passen OKRs auch in ein bestehendes Control- ling-Konzept – oder überkreuzen und über lagern sich die Ansätze? Sind also OKRs eher eine Ergänzung und Anreicherung des beste- henden Instrumentariums oder mehr eine Al- ternative mit weitreichenden Anpassungen des bestehenden Steuerungskonzeptes? M. a. W.: Erfordert die OKR-Einführung ein mehr oder minder großes Projekt? Flinspach: John Doerr argumentiert vor sei- nem Hintergrund, dass OKRs das zentrale Steuerungsinstrument darstellen. Er betont aber auch, dass diese stark auf den spezifi- schen Kontext angepasst werden sollen. Bei traditionellen Unternehmen sehe ich die Chan- ce durch die OKRs in der Ergänzung des bestehenden Instrumentariums . Hierbei muss – wie gesagt – stark darauf geachtet werden, dass diese nicht im Widerspruch zuei- nander stehen. Die Einführung ist damit nicht notwendigerweise ein großes Projekt, benötigt aber das Commitment der handelnden Perso- nen und die Berücksichtigung der kontextspe- zifischen Faktoren. Biel: Können Sie uns diesen Sachverhalt mit ei- nem Beispiel veranschaulichen? Flinspach: Bei Barmenia Versicherungen konnten wir die OKRs als kleinen Piloten im Be- reich Kundenbetreuung einführen. Es wurde darauf geachtet, dass die Methode in das be- stehende Instrumentarium passt, und damit war es nahezu auf Anhieb ein Erfolg. Nun erfolgt der sukzessive Roll Out in der Organisation. Im Vor- wort zu unserem OKR-Buch schreibt der Grün- der von Google, Larry Page: „Nehmt die OKR als Blueprint und macht sie zu Eurer Methode ...“ Die OKRs wurden gemeinsam mit den Mit- arbeitern im Rahmen der Implementierung der richtigen Strategie wird immer eine Art Kunst bleiben, deren Umsetzung ist am Ende nur disziplinierte Arbeit. Diese Arbeit ist das Herunterbrechen der Strategie in das Tages geschäft. Der Fokus der OKR liegt auf der Um- setzung und schnellen Anpassung und schließt damit in der Tat die operative Lücke zwischen den strategischen Zielen (zeitliche Ausrichtung ca. 3 Jahre) und dem Tagesgeschäft. Insofern können klassische Instrumente wie die BSC die strategische Ausrichtung sicherstellen und die OKRs die Flexibilität in der Umsetzung ... so zusagen auf den letzten Metern der Strategie- umsetzung. Biel: Bitte lassen Sie uns auf unseren Aus- gangspunkt mit einer anderen Perspektive zu- rückkommen, und uns die Frage nach der unternehmensspezifischen Eignung stellen. Start-up-Unternehmen oder Technologie-Un- ternehmen wie Google, Intel und andere OKR- Anwender haben ja eine bestimmte Struktur und Komposition, die sich z. B. von einem nor- malen Maschinenbauunternehmen unterschei- det. Sind OKRs nur für spezielle Unternehmen oder doch für mehr oder weniger alle Unterneh- men geeignet und verwendungsfähig? D ie Umsetzung ist nicht „plug and play“. Flinspach: OKRs sind aus meiner Sicht auch für „traditionelle“ Unternehmen wie Maschi- nenbau oder Automobil geeignet. Die Umset- zung ist jedoch nicht „plug and play“ , viel- mehr müssen die OKR auf den jeweiligen Kontext angepasst werden. Das beinhaltet die Volatilität der Branche, das Geschäftsmodell, die bereits angesprochenen unternehmens- kulturellen Komponenten sowie die Interaktion mit den bestehenden Steuerungsinstrumenten, Entscheidungskompetenzen und dem Füh- rungsstil. Biel: Aber, was können OKRs anders oder besser leisten als herkömmliche Ansätze? Und wo liegen die Grenzen und Probleme dieses Ansatzes? Flinspach: OKRs können nach meinem Ver- ständnis in einem Maschinenbauunternehmen sicherlich nicht die Funktion des Investitions- budgets oder der Projektplanung ersetzen. Sie Anforderungen aus Sicht der mangelnden Plan- barkeit, Veränderung der Kundenbedürfnisse und des Führungsstils. Die OKRs sind in der Neuausrichtung des Performance Management Systems eine Methode zur stärkeren Fokussie- rung auf die Umsetzung von Maßnahmen im Sinne einer rollierenden Maßnahmenplanung. Insofern müssen die OKRs in das gesamte Per- formance Management System integriert sein und dürfen nicht losgelöst neben der etablier- ten Budgetierung stehen. Sonst ist klar, wel- cher Ansatz sich am Ende durchsetzt. Biel: Sind OKRs „nur“ ein weiteres Vorgehen, um die formulierte Strategie konkret umzuset- zen? Wie unterscheiden sich OKRs kurzgefasst von vorhandenen Management-Methoden? Dieser Ansatz erinnert an das MbO-Konzept (Management by Objectives) von Peter Dru- cker? Wie „neu“ sind OKRs wirklich? Flinspach: Die OKRs sind in der Tat eine An- passung des MbO-Konzepts von Peter Drucker und nicht wirklich neu. Der hauptsächliche Un- terschied ist die kürzere zeitliche Kadenz für das schnelle Feedback und der Fokus auf we- nige Ziele. Im Gegensatz zur häufig gelebten Praxis bei den MbOs werden OKRs nicht mit Vergütungssystemen verbunden. Viele Studien zeigen, dass die extrinsische Motivation durch individuelle ex ante Ziele zu negativen Effekten wie der Verdrängung von intrinsischer Motivation führt. Diese ist jedoch notwendig, um kognitiv anspruchsvolle Tätigkeiten zu fördern. Extrinsische Motivation eignet sich für repetitive Tätigkeiten, es sind aber gerade die kreativen Tätigkeiten, welche heute gefördert werden sollten. Biel: Unternehmen scheitern oft an der Umset- zung ihrer Strategie. Was sind die Gründe? Wir haben doch viele methodische Fortschritte er- reicht, beispielsweise ist Performance Manage- ment ein Gebiet, an dem sowohl viele Universi- täten und Hochschulen, Beratungen und Unter- nehmen intensiv arbeiten? Flinspach: Es ist zunächst verwunderlich, dass Unternehmen bis heute an der Umsetzung der Strategien scheitern , obwohl das Perfor- mance Management im Sinne der Ausrichtung der Organisation auf die Strategie diese The- men systematisch adressiert. Die Entwicklung Interview zum Thema: OKR
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