Controller Magazin 6/2019
10 weise gehoben. Als die Methode gerade „en vogue“ war, haben viele Unternehmen einfach eine weitere Scorecard eingeführt. Die beste- henden finanziellen Reportings, Meeting- Strukturen, Budgets, Vergütungssysteme etc. wurden allerdings unverändert belassen. Am Ende hat sich niemand wirklich für das neue Konzept im Alltag interessiert und die erhoff- te Wirkung blieb dementsprechend aus. Die optimale Integration und Abstimmung mit den vorhandenen Methoden, Prozessen und Sys- temen stellt daher aus meiner Sicht einen we- sentlichen Erfolgsfaktor neuer Methoden wie den OKRs dar. Biel: Sie sehen ein hohes OKR-Potenzial, das diese deutlich erhöhte gegenwärtige Aufmerk- samkeit rechtfertigt? Was ist das Besondere, Spezifische an OKRs? Flinspach: Die OKRs haben ein enormes Po- tenzial , den Fokus des Steuerungssystems von der stark rückwärtsorientierten Diskussion von Budget-Abweichungen hin zu einer vorwärts- und maßnahmenorientierten Ausrichtung zu verlagern. Die OKRs haben dann eine nachhal- tige Chance, wenn das gesamte Steuerungs- system aufeinander abgestimmt wird. Kurzum: Das „klassische“ Budget um OKRs zu ergänzen ist aus meiner Sicht zu kurz gesprungen. Die erhoffte Agilität wird ausbleiben. Biel: Das Silicon Valley ist der Ursprung der OKRs. Google und andere bedeutende Techno- logie-Unternehmen werden mit OKRs in Verbin- dung gesetzt. Diese spezifische Herkunft kann die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung und damit einen Hype beflügeln, aber auch als Zei- chen für Inspiration und damit für innovative Steuerung stehen. Unter welchen wirtschaft lichen Verhältnissen und Umständen wird dort über OKRs diskutiert? Flinspach: Unternehmen stehen vor dem zu- nehmenden Druck, ihre Geschäftsmodelle und Strategie anzupassen . Daher suchen sie nach neuen Tools, um unter den Stichworten Digitalisierung, VUCA etc. erfolgreich zu sein. Hierzu liegt es nahe, in das Silicon Valley zu schauen, und dort finden sie die OKRs bei pro- minenten und sehr erfolgreichen Unternehmen. Mit meinen Kollegen habe ich gerade die deut- sche Version des Buches „Measure what mat- ters“ von John Doerr, dem Venture Kapitalge- ber von u. a. Google, fertiggestellt. Biel: Wenn wir einen Blick in die Wirtschafts- presse werfen, ist oft von Orientierungsproble- men sowohl der großen als auch der mittleren Unternehmen die Rede, manchmal auch von Hektik und Ratlosigkeit. Was machen die Ma- nager aus dem Silicon Valley anders? Wie set- zen sie in diesem Zusammenhang OKRs ein? Flinspach: In der Zusammenarbeit mit Mana- gern aus dem Silicon Valley fällt sehr schnell auf, dass die OKRs Teil des Führungsstils sind und nicht nur eine Methode. Ein transfor- mationaler Führungsstil entspricht viel eher den Prinzipien von OKRs. Der Manager ist viel mehr Coach, Unterstützer und Sparringspart- ner als Kontrolleur und Antreiber. Zudem wur- den die OKRs in einer sehr frühen Phase von John Doerr bei Google eingeführt. Insofern konnten sie nicht mit einem anderen, bereits bestehenden Steuerungssystem kollidieren. In diesem Kontext leisten die OKRs einen sehr großen Beitrag zur Umsetzungsstärke und An- passungsfähigkeit dieser Unternehmen. Bei ei- ner nachhaltigen Umsetzung haben die OKRs auch in traditionellen Unternehmen ein enor- mes Potenzial. Das zeigt sich bei einigen Unter- nehmen auch schon sehr deutlich. Biel: Kurzgefasst bestehen OKRs aus den Grundbestandteilen Objectives und Key Results bzw. aus Zielen und Kernergebnissen. Sowie aus den vier Grundregeln 1.) Fokussierung auf wichtige Ziele, 2.) Partizipation, 3.) Transparenz und 4.) Bewertung. Auf den ersten Blick ein schlüssiges und systematisches Konzept, das zudem relativ einfach erscheint – oder? D ie einfache Verständlichkeit fördert eine schnelle Verbreitung des Konzepts. Flinspach: In der Tat ist die große Stärke des Konzepts die einfache Verständlichkeit, die eine schnelle Verbreitung des Konzepts si- cher fördert. Es scheint sofort logisch, die meist eher vagen groben strategischen Ziele in konkrete Ziele zu zerlegen und deren Um- setzung dann systematisch nachzuhalten. Die OKRs arbeiten mit transparentem, schnellem Feedback, brechen die Strategie auf eine kon- krete und handlungsorientierte Weise in das Tagesgeschäft der Mitarbeiter herunter. Diese können ihre OKRs selbst mitbestimmen. Ein partizipativer Führungsstil ist damit eine we- sentliche Voraussetzung. In Verbindung mit der ambitionierten Setzung der Ziele wird eine maximale Förderung der Motivation erreicht. Somit in der Tat ein sehr einfaches und schlüs- siges Konzept. Biel: Wirklich nur eitel Sonnenschein? Keine Schwierigkeiten, die der Verwirklichung eines OKR-Vorhabens im Wege stehen? Flinspach: Ja, ich möchte schon anmerken, dass die Einfachheit und der ganzheitliche An- satz auch die Stärke der BSC sind. Diese konn- te ihr wahres Potenzial in den Unternehmen nie ausspielen. Insofern liegt darin auch die Gefahr, die OKRs ohne die nötige Disziplin einzufüh- ren. Auch gerade, weil sie vermeintlich so ein- fach sind. Es ist eben gerade kein weiteres Tool für transaktional geprägte Kontrolleure zum zentralen Tracking von Maßnahmen, deren Sa- vings dann nachverfolgt werden. Die Abstim- mung mit den bestehenden Instrumenten, den Führungsstilen und der Kultur im Unternehmen stellt regelmäßig eine Herausforderung bei der Implementierung dar. Biel: Also Einfachheit und Verständlichkeit, die vielfach vor allem von Praktikern als auch von Wissenschaftlern gefordert werden, sind Stär- ke und Schwäche zugleich? Dr. Flinspach: Komplexe Konzepte zur Steue- rung von Unternehmen scheitern häufig an der fehlenden Akzeptanz im Unternehmen . Die OKRs fördern die Umsetzung der Strategie, die in vielen Unternehmen zentral an der man- gelnden Kommunikation strauchelt. Hier sind Einfachheit und Verständlichkeit ein zentrales Asset der Methode. Auf der anderen Seite ver- leitet dies allerdings zu einer gewissen Leicht- fertigkeit bei der Einführung. Gerade die richti- ge „Flughöhe“ bei der Definition der OKRs zu finden ist eine weitere Herausforderung: Es sind eben keine langfristigen strategischen (und häufig unkonkreten) Ziele, zugleich sollten sie nicht reine (repetitive) Aufgaben des Tagesge- schäfts beinhalten. Der Zeitraum „erreichbar in 3-6 Monaten“ sowie die Forderung „Bezug zur Strategie“ helfen, diese Fehler zu vermeiden. Interview zum Thema: OKR
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