Controller Magazin 6/2019
101 CM November / Dezember 2019 Klassische Wege des Lernerfolgscontrollings Schon bei der 1. Stufe des Lernprozesses, der Aneignung von Wissen und Kompetenzen, fehlt beim Fernstudium die „lenkende Hand“ im Hin- tergrund, die verpflichtend vorgibt, was bis wann zu erledigen ist. Im Rahmen der Fernstu- dienkonzepte ist gewollt, dass die Studieren- den die Lerngeschwindigkeit und die Lern intensität ihren individuellen Bedürfnissen an- passen können. Gerade die damit verbundene Freiheit ist für bestimmte Personengruppen und deren spezifische Lernsituationen eine Al- ternative zu traditionellen Bildungsangeboten, die sie nicht nutzen können. Diese Freiheit des Lernens geht einher mit der Verantwortung, Ziele zu setzen und deren Ein- haltung auch zu überprüfen. Auf Seiten des Bil- dungsanbieters führt das dazu, didaktische Hilfestellungen für erfolgreiches Fernlernen zu leisten. Mindestanforderungen sind – neben der durch den Bologna-Prozess vorgenomme- nen Modularisierung der Bildungsinhalte – eine klare Formulierung von Lernzielen für die Lehreinheiten, eine erkennbare Struktur der Themen und eine transparente Form der Über- prüfung der Lernziele in thematischer und me- thodischer Dimension. Neben der Beantwor- tung von Übungsaufgaben im Rahmen des Studienmaterials haben sich in jüngster Zeit di- verse Formen von Online-Tests etabliert. Wie rasant hier die mediale Entwicklung in den vergangenen 30 Jahren verlaufen ist, lässt sich im Rückblick an den Postkarten verdeutlichen, die die Lernenden bei Funkkolleg (Radio) oder Telekolleg (Fernsehen) damals zu festgegebe- nen Terminen zurückzusenden hatten. Doch wie läuft Lernerfolgscontrolling bzw. Lernzielerreichung im digitalen Umfeld ab? Instructional Design Instructional Design (zu Deutsch: Instruktions- design oder Didaktisches Design, abgekürzt ID) bezeichnet die systematische Planung, den Ablauf und die Auswertung von Lernumgebun- gen und Lernmaterialien. Der Begriff Instruc- tional Design stammt aus den USA und wurde von Robert Gagné geprägt. Ziel von ID ist die Schaffung und Ausgestaltung von Umge- bungsbedingungen, die geeignet sind, Kompe- tenzen zu fördern. Im deutschen Sprachge- brauch wurden diese Aktivitäten traditionell mit dem Begriff „Didaktik“ bezeichnet. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ID durch lern- und kognitionspsychologische Grundlagen geprägt ist, die Effektivität des Vorgehens gezielt empirisch überprüft wird und daraus gegebenenfalls Anpassungen abgelei- tet werden. Der im deutschen Sprachraum ver- breitete Begriff Didaktik hingegen war lange Zeit durch eine rein geisteswissenschaftliche Tradition geprägt und ist daher nicht so weitrei- chend wie ID. Instruktionsdesign bezeichnet somit den Pro- zess, durch den Inhalte in Lerninhalte umge- wandelt werden – sie werden gesichtet und sortiert (teilweise auch aussortiert) und in ein Format gebracht, das für die Lernenden sinn- voll, interessant und zu verstehen ist. Der Instruktionsdesign-Prozess basiert in der Regel auf einem der gängigen Theoriemodelle. Eines der bekanntesten Modelle ist das ADDIE- Modell – weitere der eher allgemein gehalte- nen Instruktionsdesign-Modelle wie beispiels- weise das SAM-Modell sind weniger bekannt und werden seltener angewandt. ADDIE steht dabei für die fünf Phasen im Mo- dell: Analyze (Analysieren), Design (Gestalten), Develop (Entwickeln), Implement (Umsetzen/ Einführen) und Evaluate (Auswerten), die nun in einem kurzen Überblick betrachtet werden: ❙ ❙ A Analyze/Analysieren: Diese erste Phase des Instruktionsdesign-Prozesses ist wohl die wichtigste. Darin werden die Schlüssel- elemente identifiziert, die gebraucht werden, um einen effektiven Lernprozess in Gang zu setzen. Dazu gehört zunächst eine Analyse der Zielgruppe – sind es beispielsweise Ba- chelor-, Master-Studierende oder Teilnehmer eines Hochschulzertifikatskurses. Angepasst an die Zielgruppe sind für das Studienmodul bzw. den Kurs klare Lernziele zu formulieren. ❙ ❙ D Design/Gestalten: In der Designphase wird auf der Grundlage der Ergebnisse bzw. Er- kenntnisse aus der Analysephase mit der Planung und Strukturierung der Inhalte, ein- schließlich Lernaktivitäten, Übungen, Lern- tests, visuelles und Interface-Design begon- nen. Das Dokument, das all diese Details be- inhaltet, ist das Storyboard – quasi der „Bauplan“ des Moduls bzw. Kurses. ❙ ❙ D Develop/Entwickeln: In der Entwicklungs- phase wird die Lerneinheit anhand des Sto- ryboards erstellt. Dabei werden neben der Darlegung der textlichen Inhalte auch die Grafiken, Interaktionen, Übungen und zu- sätzlichen Angebote entwickelt. Diese Phase umfasst idealerweise auch das Beta-Testen und das Beseitigen aller Probleme, die wäh- rend der Tests auftauchen. ❙ ❙ I Implement/Umsetzen/Einführen: Das ist die Phase, in der die gesamten Lernmaterialien und begleitenden Informationen bzw. Materi- alien auf ein Learning Management System (LMS) hochgeladen oder online gestellt wer- den, so dass die Lernenden darauf zugreifen können. ❙ ❙ E Evaluate/Auswerten: Nach der Bereitstel- lung und dem Einsatz der Lernmaterialien sowie der Durchführung des Moduls bzw. Kurses wird der Verlauf ausgewertet, um zu messen, ob und wie gut die in der Analyse- phase definierten Ziele tatsächlich erreicht wurden. Diese Auswertung kann zu Revisio- nen und einer aktualisierten Version des Moduls bzw. Kurses führen. Ausgehend von diesem „Rahmenkonzept“ gilt es nun, die einzelnen Aspekte auf die Zielgrup- pen und die formulierten Lern- und Kompe- tenzziele hin zu differenzieren und auszuge- stalten. Die große Herausforderung besteht darin, die Lerninhalte auf die Bedürfnisse der Lernenden zuzuschneiden. In der Abbildung 1 ist die Ziel- Thomas Schempf, thomas.schempf@mobile-university.de
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==