Tagen 1/2024

55 Verhaltenspsychologie besteht darin, dass die Eventveranstalter einen „Marktplatz der Ideen“ während des Events einrichten, damit die Teilnehmenden die Chance haben, sich untereinander auszutauschen und das Kennenlernen von Fremden und der Erfahrungsaustausch mit ihnen zu einem eigenen Programmpunkt wird. Das genau Gegenteil von Autonomie besteht darin, die Besucher und Besucherinnen eines Kongresses zur Teilnahme an einem bestimmten Vortrag oder Workshop zu motivieren, dass man ihnen eine Belohnung (Zertifikat, Gutschein, Incentive …) verspricht. 2. Kompetenz Das Bedürfnis nach Kompetenz bezieht sich auf das Gefühl der Lernenden, eigentlich schon effektiv zu arbeiten und auf ihr Selbstvertrauen, gewünschte Ergebnisse erreichen zu können. Eine Messe oder ein Kongress wird dann von den Teilnehmenden als gelungen empfunden, wenn er zu ihren Themen passt. Es sollte inhaltlich weder zu einer Unterforderung noch zu einer Überforderung kommen. So gut wie jeder sollte bei eventuell geplanten Interaktionen geistig mithalten und aktiv werden können. Die Teilnehmenden wollen ernstgenommen werden. Der Veranstalter und seine Vertreter auf den unterschiedlichen Podien sollten dem Publikum auf Augenhöhe begegnen. Der Idealfall besteht darin, dass die Teilnehmenden etwas Konkretes mit zur Arbeit nehmen, dass ihnen bei ihren Problemen weiterhilft. Sollten die Teilnehmenden in Workshops Arbeitsergebnisse entwickeln und vielleicht dem Plenum vorstellen, dann sollten diese Ergebnisse für die Berufswelt auch eine bestimmte Relevanz haben. Laut den Professoren Deci und Ryan können auch Spiele, die zu einem Kräftemessen unter den Teilnehmenden führen, zum Kompetenzerleben („Ich bin über mich hinausgewachsen“) beitragen, wenn die Spiele oder Wettbewerbe (Gamification) einen stark spielerischen Charakter haben und keine gekränkten Verlierer und Verliererinnen hinterlassen. 3. Zugehörigkeit Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Verbundenheit bezieht sich auf die Erfahrungen der Lernenden, dass gemeinsames Lernen mit Gleichgesinnten in der Regel ein Gefühl der Nähe und des Vertrauens entstehen lässt. Events eignen sich gut, eine Gemeinschaft sichtbar zu machen. „Kirche entsteht durch gemeinsame Gottesdienste“, wussten schon die Theologen im Mittelalter. Ein möglicher Verband der Change-Profis könnte sich schnell dadurch etablieren, dass er jedes Jahr den Change-Profi-Kongress veranstaltet – wo die entsprechenden Beschäftigten aus den PE/OE-Abteilungen hinstrebten, weil sie sich dort als Change-Rockstars fühlen könnten und von Gleichgesinnten akzeptiert würden. Zugehörigkeit erreichen Veranstalter auch dadurch, dass sie über die Eventhomepage oder über SocialMedia-Kanäle das Networking fördern. Insbesondere zu Beginn einer Tagung oder eines Kongresses muss darauf hingearbeitet werden, dass die Teilnehmenden ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln. Eine „Welcome-Wall“ sollte alle Teilnehmenden (mit Steckbrief oder Foto) begrüßen. Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin sollte ein typisches Symbol für ihre Arbeit mitbringen und in einem Teilnehmermuseum ablegen. Falls möglich sollte der oberste Chef oder die oberste Chefin alle mit Handschlag begrüßen. Ein Trommel-Event am Abend könnte zum gemeinsamen Musizieren einladen. Manchmal müssen Veranstalter aber auch Informationen unters Volk bringen, die sich keiner freiwillig anhören würde. Die Professoren raten dann, dass der entsprechende Redner – um die Grundbedürfnisse nicht völlig zu ignorieren – zuerst eine nachvollziehbare Begründung liefern sollte, warum die nun folgenden, oft als „nervtötend“ geltenden Inhalte doch nützlich sind. Viele Faktoren können diese hier vorgestellten drei Bedürfnisse befriedigen. Als besonders wichtig gilt die Art und Weise, wie motivierend ein Moderator oder eine Moderatorin mit dem Publikum umgeht. Viele Studien haben die Vorteile eines bedürfnisfördernden Motivationsstils (positives Feedback, Einfühlungsvermögen, Wahlmöglichkeiten und die Bereitstellung von Begründungen) nachgewiesen. Auch die Nachteile eines bedürfnishemmenden Stils sind sehr gut dokumentiert. Die schädlichen Auswirkungen von emotionalen Belohnungen, Bestrafungen, Tests mit hohen Anforderungen, sozialen Vergleichen und verschiedenen Arten von Druck oder kontrollierendem Feedback wurde umfassend untersucht. Für Event- und Kongressplaner gilt die alte Weisheit: „Frage nicht, wie du andere motivieren kannst. Frage, wie du die Bedingungen schaffst, in denen andere sich selbst motivieren.“ Dazu gehört, die Perspektive der anderen einzunehmen, ihnen Wahlmöglichkeiten einzuräumen, ihnen die Gelegenheit für Eigeninitiative zu geben und überzeugende Begründungen fürs Lernen zu liefern. Was ist Self-Determination Theory SDT? Die Motivation für ein bestimmtes Verhalten hängt laut SDT davon ab, inwieweit drei Grundbedürfnisse (1. Kompetenz zeigen können, 2. soziale Eingebundenheit erleben, 3. Autonomie genießen können ) befriedigt werden. Die Unmöglichkeit der Befriedigung dieser psychologischen Grundbedürfnisse führt zur Entwicklung von Ersatzbedürfnissen bis hin zu selbstzerstörerischen Handlungen oder völliger Antriebslosigkeit. Buchtipp: Mehr Infos in der „Toolbox Eventthinking: Veranstaltungen perfekt planen“ von Georg Lichtenegger, Beltz, Weinheim 2022, 270 Seiten plus Karten und Poster, 173,99 Euro „ Tagungsgäste wollen nicht die eine Lösung, sondern freuen sich über ein Bündel an Quick Tipps, die ihnen verschiedene Zugänge zu ihrem Problem bieten.“ Georg Lichtenegger

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