Betriebliche Altersversorgung 16 personalmagazin bAV Unternehmen setzen auf betriebliche Maßnahmen und Eigenverantwortung, Gewerkschaften auf kollektive Rahmenbedingungen und Reformen. Im Interview erläutern Martina Baptist von Henkel und Judith Kerschbaumer von Ver.di ihre unterschiedlichen Perspektiven, die doch ein gemeinsames Ziel haben: die Schließung der Rentenlücke zwischen Frauen und Männern. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Ursachen für das Gender Pension Gap? Judith Kerschbaumer: Diese Lücke hat vor allem etwas mit den gesellschaftlichen und strukturellen Rahmenbedingungen zu tun. Ein wesentlicher Grund sind die meist geringeren Erwerbseinkommen von Frauen. Denn die Renten hängen unmittelbar von den eingezahlten Beiträgen ab. Frauen zahlen in der Regel weniger in die Rentenkassen ein, da sie häufiger in Berufen mit niedrigeren Gehältern arbeiten oder ihre Erwerbstätigkeit zugunsten von Sorgearbeit reduzieren. Zudem verdienen Frauen selbst bei vergleichbaren Qualifikationen im Schnitt weniger pro Stunde als Männer. Das bereinigte Gender Pay Gap zeigt, dass die Arbeitswelt nach wie vor strukturelle Ungleichheiten aufweist. Obwohl die Monatsverdienste von Frauen in den letzten Jahren gestiegen sind und die Entgeltlücke kleiner geworden ist, bleibt diese weiterhin bestehen. Die hohe Teilzeitquote bei Frauen kommt auch daher, dass sie im Schnitt deutlich mehr unbezahlte Haus- und Familienarbeit leisten als Männer. Das reduziert sowohl ihre Erwerbsarbeitszeit als auch ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und damit das Einkommen. Obendrein unterbrechen Frauen ihre Berufstätigkeit häufiger und länger als Männer, etwa zur Kindererziehung oder Pflege Angehöriger. Interview Utta Kuckertz-Wockel „ Wir können mehr zusammenwirken“ Ein weiterer Faktor sind steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen wie das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung. Das sind finanzielle Anreize, Erwerbstätigkeit zu reduzieren oder Minijobs anzunehmen. Martina Baptist: Über alle Branchen hinweg betrachtet, stellt sich das Gender Pension Gap als Ergebnis einer Vielzahl dieser Einzelfaktoren dar. Dazu kommt: Frauen zeigen tendenziell weniger Interesse an besser vergüteten technischen Berufen. Daher haben sie im Durchschnitt weniger Geld für zusätzliche Altersvorsorge. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die unzureichend organisierte Betreuung von Kindern in Deutschland, insbesondere der unter Dreijährigen. Auch die Betreuung schulpflichtiger Kinder könnte besser sein. Das erschwert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besonders Frauen sehen sich dadurch häufig gezwungen, ihre Erwerbstätigkeit zeitweise zu reduzieren oder ganz auszusetzen – mit den bekannten finanziellen Folgen. Martina Baptist ist Head of Total Rewards, Pension & Payroll DE/CH bei Henkel
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