Personalmagazin bAV Spezial 12/2024

Tarifrente für alle Ein Ausblick auf das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz Zeichen der Fürsorge Möglichkeiten der Gründung einer neuen Betriebskrankenkasse Doppelte Nachhaltigkeit Wie sich Altersversorgung und CSRD-Berichtspflichten ergänzen personalmagazin 12.24 bAV Sicherheit in unruhigen Zeiten Warum die betriebliche Altersversorgung heute so wichtig ist

Editorial 3 bAV personalmagazin bAV Titelbild und Making-of: Katrin Schacke; Foto K. Schmitt: Peter Granser Liebe Leserinnen und Leser, ziemlich genau vor einem Jahr hatte die Swiss Life Beschäftigte in Deutschland befragt, was deren Arbeitsalltag stressfreier gestalten könnte. Die Befragten waren sich mit 76 Prozent recht einig, dass die Sicherheit, im Rentenalter finanziell selbstbestimmt zu leben, ihr Stresslevel im Job senken würde. Aktuell zeigt die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“, dass nahezu jeder zweite junge Mensch in Deutschland Angst vor Altersarmut hat. Beide Ergebnisse sind alarmierend für HR, sie belegen den großen Einfluss einer guten Altersversorgung auf das psychische Wohlbefinden und damit auch die Leistungsfähigkeit. Gerade wird an allen drei Säulen unseres Altersvorsorgesystems gearbeitet – das ist gut und dringend notwendig. In unserem Schwerpunktthema haben wir den Fokus auf die Vorhaben und Modelle für die gesetzliche und betriebliche Rente gerichtet. Den Entwurf des Gesetzes zum Rentenpaket II, das das Rentenniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung stabilisieren und die Rente über ein Generationenkapital sichern soll, hat unser Autor Kay Schelauske für Sie analysiert. Kleiner Spoiler: Alleine wird das für eine zuverlässige Altersversorgung nicht ausreichen. Das sieht wohl auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil so, der seinem Versprechen „Niemand soll sich im Alter finanziell Sorgen machen müssen,“ schnell noch die Empfehlung einer Kombination aus gesetzlicher Rente und Betriebsrente „als der beste Weg dorthin“ nachgeschoben hat. Für Arbeitgeber ist das die Chance, jetzt Verantwortung zu übernehmen und eine betriebliche Altersversorgung im eigenen Unternehmen auszubauen. Methoden, Ideen und Modelle für eine breitere Verankerung der bAV finden Sie in diesem Heft. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Katharina Schmitt „ Kleiner Spoiler: Das neue Rentenpaket wird für eine stabile Altersversorgung nicht ausreichen.“ Inhalt 04 News 06 Sicherheit geben, Fachkräfte halten Eine Studie zu Bedeutung und Herausforderungen der bAV 12 Der Traum vom stabilen System Vorhaben im Rentenpaket II 16 „Das geht zulasten der bAV“ Aba-Geschäftsführer Stiefermann zur Reform der gesetzlichen Rente 20 Tarifrente für alle Ein Ausblick auf das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz 23 Betriebsrente 2.0 für die Chemie Die Zielrente Chemie als neues Sozialpartnermodell 26 Soli-Rente in der Diskussion Der Roundtable „Frauen in der bAV“ zu den Plänen der IG Metall 30 Aufreger Vorstandsversorgung Betriebliche Altersversorgung in öffentlichen Unternehmen 36 Ein Zeichen der Fürsorge Möglichkeiten der Gründung einer neuen Betriebskrankenkasse 40 Verantwortung in doppeltem Sinn Nachhaltige Betriebsrenten und CSRD-Berichterstattung MAKING-OF Die Buchgestalterin, Grafikdesignerin und Fotografin Katrin Schacke hat für die Visualisierung der Themen Altersversorgung, finanzielle Sicherheit und Fürsorge Vogeleier mit Materialien wie Fellen und Kissen kombiniert. Sollte es instabil und wackelig wirken, kam Schaumstoff zum Einsatz.

4 Betriebliche Altersversorgung Foto: Gary Miller / Kontributor/ gettyimages.de personalmagazin bAV Die Bundesregierung hat als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel neue Anreize für beschäftigte Rentner auf den Gesetzesweg gebracht. Die geplante Neuregelung sieht vor, dass Arbeitgeber die Arbeitgeberanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung, die sie nach derzeitigem Recht trotz Rentenversicherungsfreiheit des Beschäftigten entrichten müssen, ab Juli 2025 an beschäftigte Rentnerinnen und Rentner auszahlen können. Auch für den Aufschub des Rentenbeginns sollen neue Anreize gesetzt werden: Bei einer späteren Inanspruchnahme der Vollrente wegen Alters nach Erreichen der Regelaltersgrenze sollen die betreffenden Personen ab 2028 eine Rentenaufschubprämie wählen können. Dies setzt voraus, dass der Rentenbeginn mindestens um 12 Monate hinausgeschoben wird und in der Zeit bis zum späteren Rentenbeginn eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird. Die sich dann ergebende monatliche Rente wird bei Beantragung der Rentenaufschubprämie mit der Anzahl der Kalendermonate multipliziert, die die Rente später in Anspruch genommen wird, und einmalig bei Rentenbeginn ausgezahlt. Diese Inanspruchnahme soll auf einen Zeitraum der späteren Renteninanspruchnahme von maximal 36 Monate begrenzt sein. Wird die Inanspruchnahme der Vollrente wegen Alters noch weiter hinausgeschoben, gilt für die weitere Zeit wieder die Rentenerhöhung um 0,5 Prozent je Kalendermonat. Da die Auszahlung der Rentenaufschubprämie steuer- und sozialversicherungsfrei geplant ist, wird bei der Berechnung des Auszahlungsbetrags die Gesamtsumme um die Krankenversicherungsbeiträge erhöht, die der Rentenversicherungsträger in der Zwischenzeit eingespart hat. Um die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das Rentenalter erreichen, weiter zu erleichtern, soll auch das sogenannte Vorbeschäftigungsverbot bei Befristungen ohne Sachgrund für diesen Personenkreis entfallen. Nach der Neuregelung soll künftig ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag auch dann möglich sein, wenn bereits in der Vergangenheit ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestand. Die sachgrundlose Befristung darf allerdings die Gesamtdauer von acht Jahren oder die Anzahl von 12 Vertragsbefristungen nicht übersteigen. Wachstumsinitiative für längeres Arbeiten Unruhestand

5 News GRÜNDE FÜR DIE WEITERARBEIT Mehr als ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland kann sich vorstellen, auch nach dem Renteneintritt weiterzuarbeiten. Das zeigt die IW-Beschäftigtenbefragung 2024. Insbesondere Befragte mit Hochschulausbildung, ab 55 und Führungskräfte zeigen sich dieser Idee gegenüber aufgeschlossen. Denkbar sei, so die Interpretation der Studienautoren, dass geringere körperliche Belastungen, größere individuelle Spielräume für die Gestaltung von Arbeitsinhalten, Aufgaben und in Arbeitszeitfragen im jetzigen Job der Arbeit trotz Ruhestand den Weg ebnen. Finanzielle Erwägungen spielten dagegen aus Sicht der Befragten kaum eine Rolle. Die Sorge, trotz Rente auf zusätzliches Einkommen angewiesen zu sein, scheine eine in der Zukunft gelagerte Erwerbsentscheidung nicht stark zu prägen. Zukunftsmarkt Altersvorsorge Von 18,6 Millionen Rentnerinnen und Rentnern sind 1,35 Millionen erwerbstätig Die aktuellen Entwicklungen im Bereich der gesetzlichen Rente, der privaten Vorsorgemöglichkeiten und der betrieblichen Altersversorgung sind Thema des Zukunftsmarkts Altersvorsorge 2025 am 11. und 12. März in Berlin. Ganz neu wird der erste Kongresstag von Prof. Dr. Martin Werding, Lehrstuhl für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, moderiert werden. Werding, der Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung ist, übernimmt damit den Kongressvorsitz von Prof. Bert Rürup nach 25 Jahren Moderation. Die Veranstaltung findet am 11. und 12. März 2025 im DoubleTree by Hilton Berlin Ku’damm statt. Auch die Online-Teilnahme ist möglich. www.mcc-seminare.de Quelle: Deutsche Rentenversicherung, Stichtag Jahresende 2022

Foto: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx Betriebliche Altersversorgung 6 personalmagazin bAV

Sicherheit in unruhigen Zeiten 7 Sicherheit geben, Fachkräfte halten Von Gunnar Hasselmann und Nina Arens Fotos Katrin Schacke Die bAV ist unverzichtbarer Teil des Rentensystems. Eine neue Studie zeigt ihre zentrale Bedeutung für die finanzielle Absicherung, Gewinnung und Bindung der Beschäftigten. Sie nennt aber auch Herausforderungen, vor denen Unternehmen bei der Umsetzung stehen.

Betriebliche Altersversorgung 8 personalmagazin bAV Urlaubsreisen, Restaurantbesuche, Kulturveranstaltungen und vieles mehr: Die Kosten dafür können viele Erwerbstätige in Deutschland ohne größere Probleme aufbringen. Im Alter, nach der Erwerbstätigkeit, sieht das oft anders aus und der gewohnte Lebensstil lässt sich in vielen Fällen nicht mehr halten. Fachleute nennen dies „Rentenlücke“ – und diese wächst in Deutschland stetig. Neben privater Altersvorsorge, etwa mit Lebensversicherungen, Investitionen in Immobilien oder Aktien, kann die betriebliche Altersversorgung (bAV) eine wichtige Rolle dabei spielen, die oft signifikante Lücke zwischen letztem Erwerbseinkommen und Rentenbezügen zu schließen. Die bAV ist zugleich ein zentrales Element der Personalpolitik vieler Unternehmen: Angesichts des demografischen Wandels und des damit verbundenen Fachkräftemangels ist sie ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um qualifizierte Beschäftigte . Beschäftigte nutzen die betriebliche Altersversorgung noch zu selten Doch mit der zunehmenden Bedeutung der bAV wachsen auch die Herausforderungen für Unternehmen, diese effektiv zu gestalten, zu verwalten und zu managen. So ist die bAV nicht nur ein Instrument, um mit dem Fachkräftemangel umzugehen, sondern gleichzeitig von diesem betroffen – weil insgesamt immer weniger Beschäftigte mit Fachwissen zur Verfügung stehen, das für die Verwaltung der bAV notwendig ist. Die finanziellen Belastungen und das Risikomanagement, die mit Pensionsverpflichtungen einhergehen, erhöhen die Komplexität der bAV zusätzlich. Kurzum: Die bAV ist unver72 % zichtbarer Teil des deutschen Rentensystems; doch kann sie diesen Anspruch nur erfüllen, wenn Unternehmen in der Lage sind, ihre Versorgungssysteme effizient zu steuern und wenn Mitarbeitende sie auch annehmen. Und dafür wiederum sind Kommunikation und Transparenz der bAV-Systeme in den Unternehmen entscheidend. Viele Organisationen verfehlen diesbezüglich jedoch häufig die gewünschten Effekte – zumal in einem anspruchsvollen regulatorischen Umfeld. Aus unserem Beratungsalltag wissen wir, dass die bAV für viele Unternehmen inzwischen unverzichtbar für die Mitarbeiterbindung und -gewinnung ist. Unsere aktuelle Studie Betriebliche Altersversorgung 2024, für die wir sektorübergreifend 300 Unternehmen befragt haben, bestätigt dies: Eine wettbewerbsfähige und marktgerechte bAV erachten fast alle – 95 Prozent – der Befragten als wichtig oder sehr wichtig. Mehr als 90 Prozent der Unternehmen bieten neuen Beschäftigten außerdem bereits eine bAV an, und 41 Prozent der Versorgungspläne sind erst in den vergangenen fünf Jahren eingeführt worden. Dies sind zunächst sehr positive Ergebnisse. Die Studie zeigt aber auch: Die bestehenden Versorgungssysteme sind häufig leider nicht so effektiv, wie sich die Unternehmen dies erhoffen. bAV verursacht einen enormen Ressourcenaufwand Ein zentrales Problem ist die Verwaltung der bAV: Mit ihr ist ein hoher Ressourcenaufwand verbunden, den immer komplexere Prozesse und immer mehr Schnittstellen zu externen Dienstleistern vergrößern. Denn Unternehmen müssen mit externen Pensionsanbietern, Steuerbehörden, Anlageausschüssen und insbesondere mit Fachleuten für Versicherungsmathematik zusammenarbeiten, um die bAV effektiv zu managen. Der Fachkräftemangel erschwert das Recruiting von Experten für Altersversorgung jedoch, was den Druck auf die vorhandenen Mitarbeitenden weiter erhöht. Hinzu kommt, dass viele Fachleute der sogenannten Babyboomer-Generation demnächst altersbedingt ausscheiden – und damit geht auch ein bedeutender Teil ihres Fachwissens verloren. Beide Aspekte zeigen sich auch deutlich in unseren Studienergebnissen: Gut zwei Drittel der Unternehmen (69 Prozent) rechnen damit, künftig gleich viele oder mehr interne Ressourcen aufwenden zu müssen, um ihre bAV sachgerecht zu betreuen. Und drei Viertel der Unternehmen geben an, dass sie sich bei der Verwaltung und Auszahlung der Betriebsrente externe Unterstützung wünschen. Mehr als 60 Prozent haben außerdem in neun weiteren abgefragten Kategorien – darunter Datenverarbeitung und Prozessautomatisierung, Accounting, Datenverarbeitung und Prozessautomatisierung – einen eher hohen oder sehr hohen Bedarf an externer Unterstützung. Unternehmen streben nach Sicherheit Auch die Finanzierung von Versorgungszusagen rückt bei den Unternehmen zunehmend in den Fokus. Für 96 Prozent der Befragten ist eine Ausfinanzierung in Form von Deckungsvermögen wichtig, und 84 Prozent der Direktzusagen sind sogar bereits über Deckungsvermögen finanziert. Gleichzeitig ist die Finanzierung bieten bAV an 23 % der bAV-Verantwortlichen wissen nicht, ob sie die baV-Beiträge als Absolut- betrag oder als Prozent- satz des versorgungsfähigen Gehalts zahlen.

Sicherheit in unruhigen Zeiten 9 eine der Kategorien, bei denen viele Unternehmen einen hohen Bedarf an externer Unterstützung angeben. Unternehmen bemühen sich verstärkt darum, ihre Versorgungszusagen abzusichern – sie sind sich ihrer Verantwortung und der Bedeutung der bAV also bewusst. Diese Sicherheit auch tatsächlich zu geben, ist jedoch noch mit nennenswerten Herausforderungen verbunden. Dass Unternehmen in puncto Altersversorgung heute weniger risikoaffin sind als früher, spiegelt auch die Ausgestaltung neu eingeführter bAV-Zusagen wider. So ist der Großteil der für Neueintritte geöffneten Pläne (70 Prozent) bei den befragten Unternehmen als beitragsorientierte bAV ausgestaltet, in die Arbeitgeber (und ggf. Mitarbeitende) Beiträge in Prozent des versorgungsfähigen Gehalts einzahlen (in einigen Fällen Absolutbeträge). Lediglich 46 Prozent der Unternehmen bieten für Neueintritte weiterhin leistungsorientierte Pläne an. Die erreichbare monatliche Rente liegt bei leistungsorientierten Plänen im Durchschnitt bei acht Prozent des letzten Jahresgrundgehalts; 7,4 Prozent beträgt sie für Zusagen, die erst in den vergangenen fünf Jahren eingeführt worden sind. Dass Unternehmen bestehende risikoreiche, leistungsorientierte Pläne in weniger riskante Pläne überführen möchten – sogenanntes De-Risking –, beobachten wir bereits seit einigen Jahren. Kommunikation der bAV birgt Schwierigkeiten Der mitunter wichtigste Aspekt für Unternehmen im Zusammenhang mit der bAV ist jedoch die interne Kommunikation und Verbreitung der bestehenden Angebote. Effektiv mit den Versorgungsberechtigten zu kommunizieren, ist essenziell, um Missverständnisse und Unzufriedenheiten zu vermeiden – und vor allem, um die gewünschte Nutzung und damit das Ziel der Mitarbeiterbindung zu erreichen. Die bAV kann ihren Beitrag zur Absicherung im Alter schließlich nur wirkungsvoll leisten, wenn Beschäftigte die Angebote frühzeitig in Anspruch nehmen und Beträge einzahlen. Bei der Kommunikation haben viele Unternehmen jedoch enorme Schwierigkeiten. Obwohl sie ihren Mitarbeitenden eigentlich gute bAV-Angebote machen, beteiligen sich diese häufig nicht so rege daran wie erwünscht. So bieten zwar 72 Prozent der Unternehmen unter anderem die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung an, doch diese Möglichkeit zur Absicherung im Alter nutzen meist weniger als 40 Prozent der Mitarbeitenden. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz? Ein wichtiger Grund ist, dass die in den Unternehmen verantwortlichen Personen die bAV-Angebote selbst nicht immer genau verstehen und ihre Inhalte dementsprechend nicht optimal vermitteln können. Die Frage in unserer Studie beispielsweise, ob in der beitragsorientierten bAV die Beiträge als Absolutbetrag oder als Prozentsatz des versorgungsfähigen Gehalts eingezahlt werden, konnten 23 Prozent der befragten Unternehmen nicht beantworten. Es überrascht also nicht, dass knapp drei Viertel der Unternehmen (74 Prozent) angeben, dass sie die Kommunikation mit Versorgungsberechtigten in Zukunft ohne Unterstützung nicht angemessen bewältigen können. Rechtliche und regulatorische Anforderungen an Einrichtungen der bAV verkomplizieren die Thematik zusätzlich. NehWieviele Mitarbeitende nutzen das bAV-Angebot ihres Arbeitgebers? In 20 Prozent der Unternehmen nutzt nur eine Minderheit eine bAV (unter 20 Prozent). In 30 Prozent der Unternehmen nutzt die Hälfte der Mitarbeitenden (40-60 Prozent) eine bAV. 20 In 41 Prozent der Unternehmen nutzen 20-40 Prozent der Mitarbeitenden bAV. 41 30 In 9 Prozent der Unternehmen nutzt die Mehrheit der Mitarbeitenden (60-80 Prozent) eine bAV. 9 In keinem der befragten Unternehmen nutzen alle (mehr als 80 Prozent) der Mitarbeitenden eine bAV. 0 N = 216 Unternehmen mit bAV-Angebot Quelle: PWC, Betriebliche Altersversorgung 2024

Betriebliche Altersversorgung 10 personalmagazin bAV men wir als Beispiel den Durchführungsweg der Pensionskasse. Dies ist der am weitesten verbreitete Durchführungsweg der bAV in Deutschland, und auch in unserer Studie sagten die befragten Unternehmen, dass 47 beziehungsweise 52 Prozent der für Neueintritte offenen beziehungsweise geschlossenen Pläne über Pensionskassen abgewickelt werden. Die regulatorischen Anforderungen an die Pensionskassen hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in den vergangenen Jahren immer weiter verschärft. Unternehmen benötigen anpassungsfähige Systeme Aus unseren Studienergebnissen folgt, dass aufgrund der zunehmenden Komplexität der bAV auch der Anspruch an externe Anbieter von Verwaltungs- und Beratungsleistungen hoch ist und stetig wächst. Unternehmen wünschen sich deren Expertise, sie ist geradezu unerlässlich. Aus unserer Sicht empfehlenswert ist hier ein modularer Beratungsansatz, mit dem Unternehmen ihre bAV-Systeme optimal an ihre wirtschaftlichen und personellen Strategien anpassen können. Wichtig ist ebenfalls die Anpassungsfähigkeit an regulatorische Änderungen. Auf bAV spezialisierte Berater und Beraterinnen müssen Veränderungen stets antizipieren und Unternehmen vorausschauend helfen, Risiken zu mindern und Chancen im sich wandelnden Pensionsumfeld zu nutzen. Zudem muss sichergestellt sein, dass Pensionspläne stets alle regulatorischen, sich mitunter rasch ändernden Anforderungen erfüllen und dass sie wettbewerbsfähig bleiben. Auch hierzu ein bedenkenswertes Studienergebnis: Obwohl 96 Prozent der Unternehmen anerkennen, dass eine marktgerechte und wettbewerbsfähige bAV wichtig ist, vergleicht sich ein Drittel von ihnen nicht mit Wettbewerbern. Externe Fachleute können Unternehmen auch dabei unterstützen, die Kommunikation mit den Versorgungsberechtigten zu verbessern. Schulungen und Workshops beispielsweise dienen dazu, die Beschäftigte über die bAV zu informieren und komplexe Themen verständlich zu vermitteln. Dies stärkt das Vertrauen der Mitarbeitenden in die bAV und verdeutlicht ihnen, wie wichtig und wertvoll die bAV für ihre Alterssicherung ist, sodass sie im Ergebnis die Angebote oft häufiger nutzen. Die betriebliche Altersversorgung wirkungsvoll umsetzen Insgesamt zeigt unsere Studie Betriebliche Altersversorgung 2024, vor welch immensen Herausforderungen die Unternehmen in Deutschland bei der betrieblichen Altersversorgung stehen. Sie haben zwar erkannt, wie wichtig die bAV und deren finanzielle Sicherung sind, bleiben bei der Umsetzung jedoch oftmals hinter ihren eigenen Erwartungen und Ansprüchen zurück. Dazu trägt insbesondere die zunehmende Komplexität der administrativen, rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen bei. Sie erfordert spezifisches Wissen, das Unternehmen jedoch wegen des Fachkräftemangels und des Ausscheidens der Babyboomer-Generation immer häufiger fehlt. Erheblich sind auch die Schwierigkeiten vieler Unternehmen, die oft komplexen Informationen zur bAV verständlich und transparent zu vermitteln – nicht zuletzt, weil das spezifische Wissen teilweise auch bei den bAV-Verantwortlichen selbst gering ist. Fest steht daher: Wollen Unternehmen den Wert ihrer bAV-Angebote besser verständlich machen, müssen sie in der Lage sein, ihre Mitarbeitenden gezielter und detaillierter über die einzelnen bAV-Leistungen zu informieren. Andernfalls bleibt die Nutzung bestehender Versorgungsangebote auch künftig hinter den Erwartungen zurück. Das wäre fatal, da die bAV dann dauerhaft ihre wichtigsten Ziele verfehlen würde: dass sie die langfristige Mitarbeiterbindung erhöht und einen wertvollen Beitrag zum deutschen Rentensystem leistet. GUNNAR HASSELMANN ist Partner bei PWC Deutschland. NINA ARENS ist Associate bei PWC Deutschland. 96 % der Mitarbeitenden halten eine arbeitgeberfinanzierte bAV für ein wichtiges oder eher wichtiges Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitgebers.

12 Betriebliche Altersversorgung Der Traum vom stabilen System Von Kay Schelauske Der Gesetzentwurf zum Rentenpaket II befindet sich im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. Deutlich erkennbar: Das Rentenniveau soll stabilisiert werden. Doch der Blick ins Paket zeigt auch einige Unwägbarkeiten, die eine sichere und stabile Finanzierung der Altersvorsorge gefährden könnten.

13 Sicherheit in unruhigen Zeiten

14 Betriebliche Altersversorgung personalmagazin bAV Ende September 2024 begannen im Bundestag die parlamentarischen Beratungen des „Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung“, kurz des Rentenpakets II. Der Name ist somit Programm, wie auch die Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales (BMAS) Hubertus Heil im Plenum zeigte. Ohne das Rentenpaket II würde das Rentenniveau nach Einschätzung der Bundesregierung bald unter 48 Prozent sinken. Das Rentenniveau gibt an, wie hoch die Altersbezüge eines Rentners, der 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, im Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn ausfallen. Der Wert spiegelt damit die Entwicklung der Renten im Verhältnis zu den Löhnen wider. Sinkt das Rentenniveau, koppeln sich die Renten von der Lohnentwicklung ab und das würde zulasten aller Generationen gehen, vor allem aber die Kaufkraft der Rentner gegenüber den Beschäftigten verringern, begründet der Bundesarbeitsminister und will gegensteuern. Die Sicherung des Rentenniveaus auf einen Wert von 48 Prozent soll durch Einbeziehung der Niveauschutzklausel in der Rentenanpassungsformel erreicht werden. Auf Basis der Formel wird die jährliche Rentenanpassung berechnet. Wegfallen soll gleichzeitig der Nachhaltigkeitsfaktor, der sich infolge von demografischen Belastungen dämpfend auswirkt und nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund dazu geführt hätte, dass das Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent unterschritten würde. Deshalb soll stattdessen die Niveauschutzklausel laut BMAS bis zur Rentenanpassung im Juli 2039 gesetzlich verankert werden, sodass sie bis Juni 2040 wirkt. Fünf Jahre zuvor setzt sich die Bundesregierung selbst zur Aufgabe, einen Bericht darüber vorzulegen, ob bzw. welche Maßnahmen erforderlich sind, um das Rentenniveau über das Jahr 2040 hinaus auf einen Wert von 48 Prozent zu halten. Als Durchschnittswert hat das Rentenniveau primär Symbolcharakter. Dennoch trägt dessen Stabilisierung nach Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Bund dazu bei, das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung zu stärken. Da mit dem neuen Entwurf die bisherige „doppelte Haltelinie“ früherer Rentenreformen, die auch auf die Höhe der Rentenbeiträge abstellt, nicht mehr fortgesetzt werde, werde für die Beitragszahler allerdings zukünftig eine solche „verlässliche obere Belastungsgrenze“ fehlen. Einstieg in die kapitalgedeckte Finanzierung Die Rentenbeiträge werden daher, nachdem sie sehr lange stabil bei 18,6 Prozent liegen, wie es im Parlamentsbericht zur ersten Lesung des Rentenpakets II heißt, mittelfristig auf 22,3 Prozent steigen. Um dieses Niveau, das ab 2035 erreicht werden wird und einen Anstieg um 3,7 Prozentpunkte bedeutet, bis 2045 stabil zu halten, will die Bundesregierung in eine teilweise kapitalgedeckte Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. Gemeint ist das sogenannte Generationenkapital, das künftig neben den Beiträgen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, der Arbeitgeber und den Bundeszuschüssen als zusätzliche Finanzierungsquelle dienen soll. So soll das Generationenkapital funktionieren: Der Bund überführt jährlich Darlehen an eine öffentlich-rechtliche Stiftung, die das Kapital weltweit investiert. Der Startschuss ist noch in diesem Jahr mit einer Zuführung in Höhe von zwölf Milliarden Euro geplant. Diese Zuführungen sollen in den Folgejahren um jährlich drei Prozent steigen. Außerdem sollen Eigenmittel in Form von Vermögenswerten des Bundes zur Eigenkapitalunterlegung in Höhe von 15 Milliarden Euro bis Ende 2028 an die Stiftung übertragen werden. Gesetztes Ziel ist, dass das Generationenkapital bis 2036 über ein Vermögen von mindestens 200 Milliarden Euro verfügt. Dieser Kapitalstock soll Bestand haben und nicht angetastet werden. Bei der öffentlich-rechtlichen Stiftung handelt es sich um den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO). Der Fonds ist bisher als professioneller globaler Asset Manager tätig, um die Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle sicherzustellen. Hierfür verwaltet er derzeit ein Die tatsächliche Entlastung hängt ab vom Anlagevolumen, der Entwicklung der Finanzmärkte und den Kosten der Refinanzierung der Bundesanleihen.

15 Sicherheit in unruhigen Zeiten Vermögen von 24 Milliarden Euro weltweit breit gestreut in Aktien, Anleihen und illiquiden Anlagen. Künftig soll der Fonds auch für das Generationenkapital die langfristigen Renditepotenziale globaler Kapitalmärkte nutzen und dies unter Berücksichtigung nachhaltiger Grundsätze, insbesondere sozialer Aspekte. Ab Mitter der 2030er-Jahre rechnet die Bundesregierung mit jährlichen Erträgen aus dem Generationenkapital in Höhe von durchschnittlich zehn Milliarden Euro, die dann die gesetzliche Rentenversicherung entlasten sollen. Entscheidend dafür wird sein, dass die Investments an den Kapitalmärkten höhere Renditen abwerfen als die herausgegebenen Bundesanleihen an Zinsaufwand erzeugen. Denn die Zuführungen des Bundes speisen sich nicht aus Beitragsgeldern, sondern aus den vom Bund herausgegebenen Anleihen. Entlastungen hängen von Annahmen ab In welchem Ausmaß die gesetzliche Rentenversicherung tatsächlich entlastet werden kann, hängt nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund von drei Faktoren ab: vom Anlagevolumen, der Entwicklung an den Finanzmärkten und den Refinanzierungskosten der Bundesanleihen. Mit einem nennenswerten Kapitalaufbau und somit einer spürbaren Entlastung rechnen die Rentenexperten aber nicht. Der Grund: Der Zeithorizont für Kapitalmarktgeschäfte im Verhältnis zum Aufbau einer Altersvorsorge ist relativ kurz. Über die konkrete Höhe der Ausschüttungen wird aber erst im Lichte der tatsächlichen Entwicklung des Generationenkapitals entschieden, heißt es. Sollten die Kapitalerträge aber kleiner ausfallen als erwartet, müssten die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die Arbeitgeber dies durch höhere Beiträge zusätzlich ausgleichen, sofern der Bund dafür nicht einspringt. Als dritten Schwerpunkt nannte Heil im Parlament die Schaffung von Anreizen für flexible Übergänge in den Ruhestand. Dies soll durch Formulierungshilfen gelingen, die im Rahmen des Wachstumspakets bereits auf den Weg gebracht wurden. Hingegen soll die Rente für langjährig Versicherte weiterhin abschlagsfrei bleiben. Auch die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters ist für den Bundesarbeitsminister tabu. Zwei weitere rententechnische Neuregelungen wurden ebenfalls ins Rentenpaket gepackt. Die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung sind im Jahresverlauf ungleich verteilt. Deshalb könnte es laut Bundesregierung zu Liquiditätsengpässen bei der Rentenversicherung kommen, sollte die Nachhaltigkeitsrücklage von aktuell 0,2 durchschnittlichen Monatsausgaben in den kommenden Jahren bis zur Untergrenze abschmelzen. Der Gesetzentwurf sieht daher eine Anhebung der Rücklage auf das 0,3-Fache einer durchschnittlichen Monatsausgabe vor. Dadurch soll das Risiko von Liquiditätsengpässen deutlich sinken, weshalb die Deutsche Rentenversicherung Bund diesen Schritt begrüßt. Außerdem ist vorgesehen, die Vorschriften zu den Bundeszuschüssen an die gesetzliche Rentenversicherung zu überarbeiten und transparenter zu gestalten. Damit will die Bundesregierung auf eine entsprechende Kritik des Bundesrechnungshofs reagieren. Umfangreiche redaktionelle Bereinigungen, wie zum Beispiel die Streichung veralteter Beträge der Bundeszuschüsse werden ebenfalls aufgeführt. Vonseiten der Wirtschaft wurde die erste Lesung des Gesetzentwurfs von starker Kritik begleitet, die sich vor allem an zwei Punkten festmacht. Erstens seien die Maßnahmen nicht generationengerecht. Denn während das Rentenniveau stabilisiert werde, werden die Beschäftigten durch steigende Beiträge zunehmend belastet. Zweitens erhöhen sich dadurch die Arbeitskosten der deutschen Wirtschaft mit der Folge, dass der Standort für Unternehmen und der Faktor Arbeit für Beschäftigte immer unattraktiver werde. KAY SCHELAUSKE ist Finanz- und Wirtschaftsjournalist. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich Kapitalanlage und Altersvorsorge. Eckpunkte Rentenpaket II Gesetz zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung (Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz) Festschreiben des Rentenniveaus Das Rentenniveau von 48 Prozent soll bis einschließlich der Rentenanpassung im Juli 2039 festgeschrieben werden. Ohne diese Maßnahme würde das Niveau bis 2040 auf 44,9 Prozent sinken. Erhöhung des Rentenbeitragssatzes Der Beitragssatz soll schrittweise erhöht werden: 2028 auf 20 Prozent, 2030 auf 20,6 Prozent und ab 2035 auf 22,3 Prozent. Ohne die Änderungen würde der Satz ab 2040 bei 21,3 Prozent liegen. Generationenkapital Von 12 Milliarden Euro Bundesdarlehen, das 2024 am Kapitalmarkt investiert wird, sollen ab 2036 jährlich durchschnittlich zehn Milliarden Euro an die Rentenversicherung ausgeschüttet werden, um die Beitragssatzentwicklung zu stabilisieren.

Foto: aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. Betriebliche Altersversorgung 16 personalmagazin bAV Interview Kay Schelauske „ Das geht Klaus Stiefermann ist Geschäftsführer der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. zulasten der bAV“

Sicherheit in unruhigen Zeiten 17 Das Generationenkapital ist der falsche Weg in die kapitalgedeckte Vorsorge. Auch sonst bietet das Rentenpaket II wenig Gutes. Teure politische Geschenke belasten die gesetzliche Rentenversicherung, während Komplexität und Bürokratie die bAV ausbremsen. Doch Aba-Geschäftsführer Stiefermann ist zuversichtlich, dass sich gerade Letzteres noch ändern könnte. Wie meinen Sie das? Na ja, ich möchte mir nicht vorstellen, wie sich die Politik angesichts der Corona-Folgekosten, der enormen Kosten für die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland oder der Kosten für die Finanzierung der gewaltigen Transformationsprozesse verhalten würde, wenn es da ein großes Kapitalvermögen gäbe. Würde die Politik wirklich nicht versuchen, auf das Kapital zuzugreifen oder Einfluss auf die Kapitalanlage zu nehmen, um Transformationsziele zu erreichen, losgelöst davon, ob es auch den Ertragszielen des Generationenkapitals dienlich ist? Und die dritte Herausforderung? Es besteht die Gefahr, zumal das schon diskutiert wurde, dass das Anfangsvolumen von zwölf Milliarden Euro lediglich eine Anschubfinanzierung darstellt und das Generationenkapital anschließend durch Rentenbeiträge finanziert werden soll. Überhaupt haben wir es in den zurückliegenden Jahren immer wieder erlebt, dass der Staat Milliardenzahlungen an die gesetzliche Rentenversicherung zugesagt, aber am Ende nicht eingehalten hat. Okay, wenn der Staat auf das Generationenkapital verzichtet, müsste das gesetzliche Rentensystem auf andere Weise für demografische Veränderungen wie die zunehmende Alterung der Gesellschaft fit gemacht werden. Was schlagen Sie vor? Das Wichtigste wäre, dass die Politik aufhört, die gesetzliche Rente für politische Geschenke wie zum Beispiel die Mütterrente, die Rente mit 63 oder ein Bürokratiemonster wie die Grundrente zu missbrauchen. Denn diese Zahlungen belasten das System enorm. Darüber hinaus gibt es andere Stellschrauben wie das Renteneintrittsalter und die Abschläge für einen vorgezogenen Rentenbezug, bei denen durch Anpassungen gegengesteuert werden könnte. Personalmagazin: Das Rentenpaket II hat zwei Kernziele: die Sicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent bis 2040 und den Einstieg in eine kapitalgedeckte Finanzierung durch das Generationenkapital. Wie bewertet die aba diese Stoßrichtung? Klaus Stiefermann: Es ist natürlich wichtig, dass wir eine leistungsfähige gesetzliche Rente haben. Gleichzeitig muss aber im Interesse der Generationengerechtigkeit sichergestellt werden, dass sie finanzierbar bleibt. Die demografischen Veränderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte werden unser umlagefinanziertes gesetzliches Rentensystem, das am Faktor Arbeit anknüpft, vor enorme Herausforderungen stellen. Daher muss man anerkennen, dass der persönliche Lebensstandard nicht mehr allein über die gesetzliche Rente gesichert werden kann. Es bedarf also ergänzend eines kapitalgedeckten Systems, bei dem die Beiträge international angelegt werden, wie es in der bAV und in der individualisierten privaten Vorsorge geschieht. Kapitaldeckung sollte dort und nicht unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung geschehen. Sie halten das Generationenkapital für den falschen Zugang in die kapitalgedeckte Vorsorge? Richtig, denn aus den erwarteten Ausschüttungen lassen sich ab 2036 nur rund 2,5 Prozent der aktuellen Rentenausgaben von fast 400 Milliarden Euro pro Jahr bestreiten. Die Finanzierungsgrundlagen der Rentenversicherung blieben damit nahezu unverändert. Außerdem liegen die Mehrausgaben durch das Rentenpaket II um ein Vielfaches über den erwarteten Erträgen aus dem Generationenkapital. Hinzu kommt, dass wir vor drei politischen Herausforderungen stehen. Erstens, lässt sich wirklich sicherstellen, dass der Staat in Zukunft selbst bei einer festgestellten Notlage nicht auf das Kapital zugreifen kann? Wie steht es zweitens um das Risiko, dass der Gesetzgeber beispielsweise im Zuge der Finanzierung von Transformationsprozessen Einfluss auf die Kapitalanlage nehmen könnte?

Betriebliche Altersversorgung 18 personalmagazin bAV Zur Minderung der demografischen Lasten wurde auch der Nachhaltigkeitsfaktor geschaffen, der laut Gesetzentwurf zugunsten eines Mindestsicherungsniveaus abgeschafft werden soll. Halten Sie diesen Schritt für richtig? Nein, keineswegs. Durch den Nachhaltigkeitsfaktor werden Veränderungen des Zahlenverhältnisses zwischen Beitragszahlenden und Rentenbeziehenden bei der Rentenanpassung berücksichtigt. So werden die Renten durch den Nachhaltigkeitsfaktor etwas weniger stark steigen als die Löhne und Gehälter, aber sie werden voraussichtlich dennoch stärker steigen als die Preise und damit weiter an Kaufkraft gewinnen. Diese Anpassungen sind im Interesse der Generationengerechtigkeit wichtig, da sie sicherstellen, dass auch die Rentner an den Lasten der demografischen Veränderungen beteiligt werden. Denn der erhebliche Zuwachs an verbleibender Lebenszeit im Ruhestand war so früher nicht absehbar, sollte aber heute auch ein Stück weit von den Rentnern mitgetragen werden. Kommen wir zum zweiten Kernziel, der Sicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent. Was sagen Sie dazu, dass die Politik an diesem Wert derart festhält? Das Rentenniveau ist kein wirklich aussagekräftiger Wert und sollte daher nicht der alleinige Maßstab für Reformen sein. Es ist ein statistischer Wert, der das Verhältnis einer gesetzlichen Standardrente nach 45 Jahren Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens zum aktuellen durchschnittlichen Einkommen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers angibt. Das Rentenniveau wird als Nettowert vor Steuern angegeben, also nach Abzug der durchschnittlichen Sozialabgaben, aber ohne Berücksichtigung von Steuern. Über die tatsächliche Höhe einer individuellen Rente sagt das Rentenniveau daher nichts aus. Die Relevanz des Rentenniveaus wird aus meiner Sicht klar überschätzt. So bedeutet ein sinkendes Rentenniveau nicht, dass Renten gekürzt werden, sie steigen „nur“ weniger stark an als die Löhne. Trotzdem wird auch künftig der Abstand der Renten zur Grundsicherung größer, weil sie stärker als diese steigen. Von den beiden Kernzielen ausgehend, sind Sie mit dem Rentenpaket II nicht zufrieden, oder? Das stimmt. Wir finden es zunächst gut, dass an dem DreiSäulen-System festgehalten wird. Ebenso bewerten wir die im Betriebsrentenstärkungsgesetz II geplante Änderung am Paragrafen 187a Sechstes Sozialgesetzbuch als positiv. Dabei geht es um die Klarstellung, dass für einen Rückkauf beziehungsweise eine Vorfinanzierung von erwarteten Frühverrentungsabschlägen vor Vollendung des 50. Lebensjahrs kein berechtigtes Interesse bestehen kann. Das ist insofern wichtig, weil es verstärkt Forderungen dahingehend gibt, dass es möglich sein müsste, seine umlagefinanzierte gesetzliche Rente freiwillig durch Zusatzbeiträge erhöhen zu können. Das war im Übrigen auch einer der Gründe, warum das Sozialpartnermodell auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall abgelehnt wurde. Eine solche Regelung könnte aber, wie wir es in Zeiten der Pandemie erlebt haben, im großen Stil zweckentfremdet werden. Seinerzeit hatten viele diese Regelung zur Aufstockung ihrer gesetzlichen Rente genutzt, weil sie das nötige Kapital besaßen und in dieser Zeit keine attraktiveren und vergleichbar sicheren Geldanlagen vorfanden. Die daraus resultierenden Rentenansprüche müssen aber von der jüngeren Generation finanziert werden, was wir für ungerecht halten. Und wenn Sie darüber hinaus ins Rentenpaket schauen? Es ist nicht zu übersehen, dass sich die Koalitionäre verzettelt haben. Denn jeder war darauf aus, sein Kernvorhaben durchzubringen, sodass die Sicherung des Gesamtsystems aus dem Blick geraten ist. Hinzu kommt, dass auf Anfrage zwar bestätigt wird, dass die gesetzliche Altersrente allein nicht den Lebensstandard sichern kann. Gleichzeitig wird aber durch das ständige Reformieren der Eindruck vermittelt, dass das vielleicht doch noch irgendwie klappen könnte, und das führt dazu, dass viele Menschen gerade mit knappen Budgets erstmal abwarten. Das ist ein großes Problem. Würde den Menschen deutlicher gesagt werden, dass sie kapitalgedeckt vorsorgen und damit möglichst frühzeitig beginnen sollten, könnte der „ Es ist nicht zu übersehen, dass sich die Koalitionäre verzettelt haben. Jeder wollte sein Kernvorhaben durchbringen, dabei ist die Sicherung des Gesamtsystems aus dem Blick geraten.“

Sicherheit in unruhigen Zeiten 19 Zinseszins deutlich länger das angesammelte Kapital mehren. Das wäre umso wichtiger, weil das Gesetzesvorhaben zulasten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge geht. Was bedeutet das genau? Arbeitgeber zahlen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung und vielfach in die bAV. Dabei müssen sie die Lohnkosten im Blick behalten und schauen, welchen Gesamtaufwand sie betreiben können. Gelingt es also nicht, für eine stabile gesetzliche Rentenversicherung zu sorgen und Beitragssteigerungen zu vermeiden, geht das auch zulasten von finanziellen Freiräumen in der bAV, die der auch politisch gewünschten weiteren Verbreitung entgegenstehen. Deshalb melden wir uns auch beim Thema gesetzliche Rente zu Wort, sobald es Rückkoppelungen auf unseren Kernbereich, die bAV, gibt und wir mit bestimmten Entwicklungen größere Probleme haben. Die Verbreitung der bAV ist trotz Entgeltumwandlungsanspruch im mittelständischen Bereich immer noch unzureichend. Wie kann hier gegengesteuert werden? Im Zuge der sogenannten Riester-Reform Anfang der 2000erJahre sollte unter anderem der bAV ein Verbreitungsschub gegeben werden, der Anspruch auf Entgeltumwandlung war dabei nur ein Anreiz von mehreren. In den ersten Jahren stiegen die Verbreitungszahlen auch an. Man hat aber gesehen, dass wir nun gerade für den Mittelstand neue Verbreitungsanreize brauchen. Wir haben die große Hoffnung, dass uns die Öffnung der Sozialpartnermodelle für Dritte einen großen Schritt voranbringt. Denn im Betriebsrentenstärkungsgesetz 2 ist vorgesehen, diese Modelle für andere Tarifbereiche ebenso zu öffnen wie für Arbeitgeber von nicht tarifgebundenen Unternehmen, immer unter der Voraussetzung, dass die Mitarbeiter bei einer das Sozialpartnermodell mittragenden Gewerkschaft Mitglied werden könnten. Damit können renditestarke Sozialpartnermodelle, die stets hohe Sicherheitsstandards erfüllen müssen, mehr Arbeitnehmern zu guten Betriebsrenten verhelfen. Wenn ein Sozialpartnermodell sektorübergreifend gilt, verliert zudem das Thema Portabilität an Bedeutung. Die Mitnahme einer bAVLösung zu einem neuen Arbeitgeber ist zwar deutlich einfacher geworden, lässt Arbeitnehmer dennoch oftmals Abstand von einer bAV nehmen. Da Sozialpartnermodelle keine Garantien aussprechen dürfen, entfällt aufseiten von Unternehmen außerdem ein starker Kritikpunkt, der viele Arbeitgeber vom Einsatz einer bAV immer noch abschreckt, nämlich das Risiko, dass sie oder künftige Nachfolger für bestimmte betriebliche Verpflichtungen in der Zukunft einstehen müssen. Gibt es weitere Hürden, welche die bAV derzeit ausbremsen? Ja, das sind insbesondere die Komplexität, die überbordende Bürokratie und die Doppelverbeitragung. Durch falsche politische Entscheidungen hat gerade die Doppelverbeitragung massiven Schaden verursacht. Das Image der bAV hat darunter stark gelitten, auch wenn die finanzielle Belastung durch Freibeträge ein ganzes Stück weit entschärft wurde. Und verständlicherweise schrecken besonders kleine mittelständische Unternehmen die mit der Einführung und Verwaltung einer bAV verbundene Komplexität ab, wenngleich hier in der Umsetzung schon einiges leichter geworden ist. Aber aufgrund fehlender personeller Ressourcen scheitert das Thema oftmals schon bei der Suche nach dem richtigen Partner und am Ende vor allem, wenn von den Beschäftigten kein entsprechendes Interesse signalisiert wird. Warum sind die Beschäftigten so desinteressiert? Abgesehen von der oft schwer vermittelbaren Komplexität und möglichen Einschränkungen bei der Portabilität, stört Arbeitnehmer, dass sie das erwirtschaftete Kapital im Fall eines frühzeitigen Todes häufig nicht vererben können. Eine Hinterbliebenen-Versorgung wird zum Beispiel von Beschäftigten, die keine Familie gründen wollen, nicht als adäquate Alternative wahrgenommen. Viel kritisiert wird auch die mangelnde Flexibilität, was oft daran festgemacht wird, dass Teilauszahlungen während der Vertragslaufzeit oder eine Komplettauszahlung zum Rentenbeginn nicht möglich sind. Diese Restriktionen haben ihre Gründe, da es um Altersversorgung geht und nicht um Vermögensbildung, führen aber dazu, dass die bAV als antiquiert und nicht mehr zeitgemäß wahrgenommen wird. Und in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, in denen viele mit Sorgen in die Zukunft schauen, werden so langfristige Maßnahmen gemieden. Was heißt das konkret? Beispielsweise wird mit Blick auf die Kapitalanlage vonseiten der Verbraucherschützer hervorgehoben, dass mit börsengehandelten Indexfonds, kurz ETF, gut und effizient für den Ruhestand vorgesorgt werden kann. Tatsächlich bieten ETF attraktive Renditechancen und eignen sich, um Kapital für das Alter aufzubauen, aber nicht, um Versorgung sicherzustellen. Hier ist der Anleger selbst gefordert, einen Auszahlungsplan aufzustellen oder vermutlich eher einen Produktanbieter zu suchen, der regelmäßige Auszahlungen des Kapitals ermöglicht. Die stetig wachsende Restlebenserwartung wird nämlich häufig unterschätzt. Selbstgestrickte Auszahlungsmodelle berücksichtigen das nicht. Und im Gegensatz zum ETF mussten bAV-Lösungen bisher eine Kapitalgarantie darstellen. Das hat sich erst im Zuge des Niedrigzinsniveaus und der Einführung von Sozialpartnermodellen geändert – und trifft jetzt offenbar den Puls der Zeit. Was macht solche Anlagemodelle zeitgemäß? Die Jugendstudie, in der das Versorgungswerk Metallrente alle zwei Jahre junge Menschen im Alter von 17 bis 27 Jahren befragt, zeigt seit 2010 eine interessante Veränderung: Die Befragten verabschieden sich radikal von der Sparbuch-Mentalität. Für die Altersvorsorge werden nicht mehr Sparbuch, Bausparvertrag oder Lebensversicherung genannt, sondern Investmentfonds und Aktien. Die Bereitschaft, ins Risiko zu gehen, um die Ertragschancen zu erhöhen, wächst. Mit solchen gesellschaftlichen Veränderungen sollten sich auch die Gewerkschaften beschäftigen, wenn es um die Notwendigkeit einer hundertprozentigen Kapitalgarantie beim langfristigen Aufbau von Betriebsrentenansprüchen geht. Genau hier bieten Sozialpartnermodelle eine große Chance, weil sie Sicherheit durch andere Mechanismen darstellen, die mehr Anlagefreiräume eröffnen, aber kommuniziert werden müssen.

20 Betriebliche Altersversorgung personalmagazin bAV Tarifrente für alle

21 Sicherheit in unruhigen Zeiten Von Jan Andersen Ein neuer Aufschlag zur Verbesserung der Betriebsrente wurde im September als Entwurf des Betriebsrentenstärkungsgesetzes II verabschiedet. Geringverdiener sollen damit einfacher in den Schutz einer Altersvorsorge kommen, für Arbeitgeber soll die Einführung einer Betriebsrente attraktiver werden. Ein erster Überblick. rentenstärkungsgesetzes im Bundestag. Insgesamt werden so die „Ausgaben“ für Arbeitgeber besser planbar. Es wird nur noch in Ausnahmefällen vorkommen, dass alleine durch normale Gehaltserhöhungen im Laufe der Zeit die relevante Einkommensgrenze überschritten und dadurch die Förderung beendet“ wird. Die geplanten Optimierungen tragen dazu bei, dass die Anreize zur Schaffung einer betrieblichen Grundversorgung mit einem geringen Nettoaufwand für den Arbeitgeber attraktiver werden. Eine erhebliche Erleichterung beim administrativen Aufwand bringen sogenannte Opting-Out-Modelle. Automatisch wird dabei eine bAV über Entgeltumwandlung aufgebaut, wenn der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich widerspricht. Diese Möglichkeit besteht zwar schon seit 2018, konnte in der Praxis aber nur selten umgesetzt werden. Sie war nur in tarifgebundenen Unternehmen entweder durch den Tarifvertrag selbst oder eine Betriebsvereinbarung, der ein Tarifvertrag zugrunde liegt, möglich. Diese Einschränkung entfällt jetzt zum Teil. Unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber einen Zuschuss von mindestens 20 Prozent des Umwandlungsbetrags gewährt (womit dann auch der verpflichtende Arbeitgeberzuschuss aus § 1a Abs. 1a BetrAVG abgegolten ist), soll künftig ein Opting-Out-System auch über eine Betriebsvereinbarung eingeführt werden können, wenn die Entgeltansprüche nicht in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelt sind und dort auch nicht üblicherweise geregelt werden. Der Kreis der infrage kommenden Unternehmen erweitert sich dadurch deutlich, weil die Voraussetzung grundsätzlich nur noch die Existenz eines Betriebsrats ist. Opting-Out-Modelle sind ein guter Weg, die Komplexität des Themas Alterssicherung zu reduzieren. Das wird auch von vielen Arbeitnehmern als Vorteil empfunden. Sozialpartnermodell für mehr Unternehmen Bereits mit dem ersten Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde 2018 mit dem sogenannten Sozialpartnermodell ein rein beitragsorientiertes System eingeführt. Der Arbeitgeber garantiert dabei nicht mehr die Höhe der Rente, sondern nur noch die einzuzahlenden Beiträge. Das reduziert die Risiken für die Unternehmen und eröffnet durch den Wegfall der Garantien auch die Möglichkeit zu einer renditestärkeren Anlage des Pensionsvermögens. Bisher kann das Sozialpartnermodell nicht unbedingt als Erfolgsgeschichte gelten. Trotz der Vorteile reiner Beitragszusagen ist es bisher nur in wenigen Branchen gelungen, entsprechende Tarifverträge abzuschließen. Die enge Tarifbindung hat eine weitere Verbreitung verhindert. Die Neuregelung wird die Hürden für die Einführung eines Sozialpartnermodells deshalb niedriger machen, wenn auch nicht im eigentlich erwünschten Umfang. Wie bisher ist die Grundlage der Einführung eine tarifliche Regelung. Ziel des Betriebsrentenstärkungsge- setzes II ist unter anderem die betriebliche Altersversorgung (bAV) für bisher kaum erfasste Personengruppen, wie beispielsweise Geringverdiener, attraktiver zu machen. Außerdem gibt es eine Reihe von neuen Regelungen, die es den Unternehmen erleichtern sollen, Betriebsrentenmodelle einzuführen und zu verwalten. Fürsorge für Geringverdiener wird belohnt Verbesserungen gibt es für Geringverdiener bei der Alterssicherung. Um die Verbreitung der bAV bei dieser Gruppe weiter zu fördern, sind Verbesserungen in § 100 EStG vorgesehen. So wird die für die Inanspruchnahme der Förderung relevante Einkommensgrenze erhöht und dynamisiert. Sie liegt künftig bei drei Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 2025 wird die Einkommensgrenze dadurch voraussichtlich bei monatlich 2.898 Euro statt bisher bei unveränderlich 2.575 Euro liegen. Der maximal förderfähige Beitrag des Arbeitgebers steigt auf 1.200 Euro pro Jahr (vorher 960 Euro). Der Förderhöchstbetrag steigt dadurch bei gleichbleibender Förderquote von 30 Prozent auf 360 Euro pro Jahr. Diesen Betrag kann der Arbeitgeber mit der Lohnsteuer verrechnen und dadurch seinen Nettoaufwand reduzieren. Die steuerlichen Neuregelungen sollen im Januar 2025 in Kraft treten, unabhängig vom weiteren Fortgang der Beratungen des Betrieb-

22 Betriebliche Altersversorgung personalmagazin bAV Foto: Aon Solutions Germany GmbH Die Tarifvertragsparteien müssen aber nicht mehr zwingend an der Durchführung und Steuerung eines Sozialpartnermodells beteiligt sein. Für dessen Einführung ist auch nicht mehr ein für das Unternehmen einschlägiger Tarifvertrag Voraussetzung. Nur dann konnten bisher auch nichttarifgebundene Unternehmen derselben Branche davon Gebrauch machen. Künftig können auch Unternehmen anderer Branchen bestehende Modelle übernehmen und zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren. Das kann zum Beispiel ein für das Arbeitsverhältnis anwendbarer Tarifvertrag möglich machen. Statt ein eigenes Modell zu entwickeln, kann so eine bestehende Lösung übernommen werden. Diese steht dann auch nicht-tarifgebundenen Unternehmen aus dieser Branche offen. Auch besteht die Möglichkeit, ein bereits existierendes Modell zu übernehmen, wenn die das Sozialpartnermodell tragende Gewerkschaft nach ihrer Satzung für das Arbeitsverhältnis tarifzuständig ist. So können zum Beispiel Regelungen, an denen Verdi im Banken- und Energiebereich beteiligt ist, in einer ganzen Reihe von Branchen übernommen werden, für die Verdi ebenfalls zuständig ist. Für alle diese Öffnungen gilt, dass die das Sozialpartnermodell tragenden Tarifvertragsparteien der Übernahme zustimmen müssen. Betriebsrente auch bei einer gesetzlichen Teilrente Um den Anreiz zu erhöhen, länger zu arbeiten, wird es künftig auch möglich sein, Leistungen aus der bAV bereits dann zu beziehen, wenn nur eine Teilrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen wird. Dabei handelt es sich um eine Option, keine Verpflichtung des Arbeitgebers. Das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bleibt als Anspruchsvoraussetzung für die vorgezogene betriebliche Altersrente weiterhin zulässig. Auch besteht kein gesetzlicher Anspruch auf eine betriebliche Teilrente. Die diesbezügliche Änderung in § 6 BetrAVG gilt außerdem erst ab dem Januar 2026, um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Systeme entsprechend anzupassen. Arbeitnehmer wissen die Möglichkeit zu schätzen, bei der Auszahlung der bAV-Leistungen zwischen Rente, Einmalzahlung und Ratenzahlung zu wählen. Künftig wird die Ratenzahlung auch möglich sein, wenn die bAV über einen Pensionsfonds durchgeführt wird. Das war bisher nicht zulässig. Evaluierung bis 2028 – Erfolgsaussichten ungewiss Ausdrücklich in den Gesetzentwurf aufgenommen wurden zwei Vorschriften zur Evaluierung der Änderungen. Im Jahr 2028 soll das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) untersuchen, ob das Ziel einer weiteren Verbreitung der bAV erreicht worden ist. Sollte das nicht der Fall sein, wird die Einführung obligatorischer Betriebsrenten auf Basis reiner Beitragszusagen als Handlungsmöglichkeit genannt. Damit wäre die Finanzierung durch den Arbeitgeber nicht mehr freiwillig. Ebenfalls im Jahr 2028 soll das BMAS „die Nettorenditen bei repräsentativen Einrichtungen der bAV in den mittelbaren Durchführungswegen“ untersuchen. So zeigt sich: Das neue Gesetz bietet einige Möglichkeiten, Angebote für die bAV einfacher und attraktiver zu machen. Opting-out-Modelle, die Öffnung bestehender Sozialpartnermodelle für weitere Unternehmen und Branchen sowie die bessere Förderung für Geringverdiener sind Chancen, die bAV weiter zu verbreiten. Das sollte genutzt und entsprechend kommunikativ begleitet werden. Ob es jedoch gelingen wird, die Teilnahmequoten in kleineren Unterneh- men, die den größten Nachholbedarf haben, zu erhöhen, bleibt abzuwarten. JAN ANDERSEN ist Head of Legal bei Aon Solutions Germany. 42,4 Risikoabsicherung (Leben/ Unfall/Berufsunfähigkeit) Hohes Interesse an Altersversorgung 75,4 Rente/Altersversorgung Quelle: Aon Angaben in Prozent Mehrfachnennungen möglich Bei welchen Themen wünschen Sie sich Unterstützung durch den Arbeitgeber, beispielsweise durch arbeitgeberfinanzierte Programme, Information, Beratungen oder Schulungen? 22,3 Finanzielle Allgemeinbildung 25,3 Vermögensaufbau 17,7 Wohneigentum 19,8 Ausbildungskosten

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