Personalmagazin bAV Spezial 12/2024

Sicherheit in unruhigen Zeiten 19 Zinseszins deutlich länger das angesammelte Kapital mehren. Das wäre umso wichtiger, weil das Gesetzesvorhaben zulasten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge geht. Was bedeutet das genau? Arbeitgeber zahlen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung und vielfach in die bAV. Dabei müssen sie die Lohnkosten im Blick behalten und schauen, welchen Gesamtaufwand sie betreiben können. Gelingt es also nicht, für eine stabile gesetzliche Rentenversicherung zu sorgen und Beitragssteigerungen zu vermeiden, geht das auch zulasten von finanziellen Freiräumen in der bAV, die der auch politisch gewünschten weiteren Verbreitung entgegenstehen. Deshalb melden wir uns auch beim Thema gesetzliche Rente zu Wort, sobald es Rückkoppelungen auf unseren Kernbereich, die bAV, gibt und wir mit bestimmten Entwicklungen größere Probleme haben. Die Verbreitung der bAV ist trotz Entgeltumwandlungsanspruch im mittelständischen Bereich immer noch unzureichend. Wie kann hier gegengesteuert werden? Im Zuge der sogenannten Riester-Reform Anfang der 2000erJahre sollte unter anderem der bAV ein Verbreitungsschub gegeben werden, der Anspruch auf Entgeltumwandlung war dabei nur ein Anreiz von mehreren. In den ersten Jahren stiegen die Verbreitungszahlen auch an. Man hat aber gesehen, dass wir nun gerade für den Mittelstand neue Verbreitungsanreize brauchen. Wir haben die große Hoffnung, dass uns die Öffnung der Sozialpartnermodelle für Dritte einen großen Schritt voranbringt. Denn im Betriebsrentenstärkungsgesetz 2 ist vorgesehen, diese Modelle für andere Tarifbereiche ebenso zu öffnen wie für Arbeitgeber von nicht tarifgebundenen Unternehmen, immer unter der Voraussetzung, dass die Mitarbeiter bei einer das Sozialpartnermodell mittragenden Gewerkschaft Mitglied werden könnten. Damit können renditestarke Sozialpartnermodelle, die stets hohe Sicherheitsstandards erfüllen müssen, mehr Arbeitnehmern zu guten Betriebsrenten verhelfen. Wenn ein Sozialpartnermodell sektorübergreifend gilt, verliert zudem das Thema Portabilität an Bedeutung. Die Mitnahme einer bAVLösung zu einem neuen Arbeitgeber ist zwar deutlich einfacher geworden, lässt Arbeitnehmer dennoch oftmals Abstand von einer bAV nehmen. Da Sozialpartnermodelle keine Garantien aussprechen dürfen, entfällt aufseiten von Unternehmen außerdem ein starker Kritikpunkt, der viele Arbeitgeber vom Einsatz einer bAV immer noch abschreckt, nämlich das Risiko, dass sie oder künftige Nachfolger für bestimmte betriebliche Verpflichtungen in der Zukunft einstehen müssen. Gibt es weitere Hürden, welche die bAV derzeit ausbremsen? Ja, das sind insbesondere die Komplexität, die überbordende Bürokratie und die Doppelverbeitragung. Durch falsche politische Entscheidungen hat gerade die Doppelverbeitragung massiven Schaden verursacht. Das Image der bAV hat darunter stark gelitten, auch wenn die finanzielle Belastung durch Freibeträge ein ganzes Stück weit entschärft wurde. Und verständlicherweise schrecken besonders kleine mittelständische Unternehmen die mit der Einführung und Verwaltung einer bAV verbundene Komplexität ab, wenngleich hier in der Umsetzung schon einiges leichter geworden ist. Aber aufgrund fehlender personeller Ressourcen scheitert das Thema oftmals schon bei der Suche nach dem richtigen Partner und am Ende vor allem, wenn von den Beschäftigten kein entsprechendes Interesse signalisiert wird. Warum sind die Beschäftigten so desinteressiert? Abgesehen von der oft schwer vermittelbaren Komplexität und möglichen Einschränkungen bei der Portabilität, stört Arbeitnehmer, dass sie das erwirtschaftete Kapital im Fall eines frühzeitigen Todes häufig nicht vererben können. Eine Hinterbliebenen-Versorgung wird zum Beispiel von Beschäftigten, die keine Familie gründen wollen, nicht als adäquate Alternative wahrgenommen. Viel kritisiert wird auch die mangelnde Flexibilität, was oft daran festgemacht wird, dass Teilauszahlungen während der Vertragslaufzeit oder eine Komplettauszahlung zum Rentenbeginn nicht möglich sind. Diese Restriktionen haben ihre Gründe, da es um Altersversorgung geht und nicht um Vermögensbildung, führen aber dazu, dass die bAV als antiquiert und nicht mehr zeitgemäß wahrgenommen wird. Und in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, in denen viele mit Sorgen in die Zukunft schauen, werden so langfristige Maßnahmen gemieden. Was heißt das konkret? Beispielsweise wird mit Blick auf die Kapitalanlage vonseiten der Verbraucherschützer hervorgehoben, dass mit börsengehandelten Indexfonds, kurz ETF, gut und effizient für den Ruhestand vorgesorgt werden kann. Tatsächlich bieten ETF attraktive Renditechancen und eignen sich, um Kapital für das Alter aufzubauen, aber nicht, um Versorgung sicherzustellen. Hier ist der Anleger selbst gefordert, einen Auszahlungsplan aufzustellen oder vermutlich eher einen Produktanbieter zu suchen, der regelmäßige Auszahlungen des Kapitals ermöglicht. Die stetig wachsende Restlebenserwartung wird nämlich häufig unterschätzt. Selbstgestrickte Auszahlungsmodelle berücksichtigen das nicht. Und im Gegensatz zum ETF mussten bAV-Lösungen bisher eine Kapitalgarantie darstellen. Das hat sich erst im Zuge des Niedrigzinsniveaus und der Einführung von Sozialpartnermodellen geändert – und trifft jetzt offenbar den Puls der Zeit. Was macht solche Anlagemodelle zeitgemäß? Die Jugendstudie, in der das Versorgungswerk Metallrente alle zwei Jahre junge Menschen im Alter von 17 bis 27 Jahren befragt, zeigt seit 2010 eine interessante Veränderung: Die Befragten verabschieden sich radikal von der Sparbuch-Mentalität. Für die Altersvorsorge werden nicht mehr Sparbuch, Bausparvertrag oder Lebensversicherung genannt, sondern Investmentfonds und Aktien. Die Bereitschaft, ins Risiko zu gehen, um die Ertragschancen zu erhöhen, wächst. Mit solchen gesellschaftlichen Veränderungen sollten sich auch die Gewerkschaften beschäftigen, wenn es um die Notwendigkeit einer hundertprozentigen Kapitalgarantie beim langfristigen Aufbau von Betriebsrentenansprüchen geht. Genau hier bieten Sozialpartnermodelle eine große Chance, weil sie Sicherheit durch andere Mechanismen darstellen, die mehr Anlagefreiräume eröffnen, aber kommuniziert werden müssen.

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