6 Kanzleien im Arbeitsrecht personalmagazin Kanzleien 2024 mir nicht mehr in die Firma!“, aber dann in der Kündigungsschutzklage ebenso unterliegt wie er einen Auflösungsantrag nicht durchbekommt? Beide Male nichts. Die Entscheidung für eine Mediation beruht also nicht zuletzt darauf, dass die rechtlichen Risiken richtig eingeschätzt werden. TIPP 1: Anwälte mit einer Zusatzausbildung „Mediator/Wirtschaftsmediator“ können die richtige Wahl sein. Ranking oder Feld-Wald-Wiesen-Anwalt? Ich habe nichts gegen Rankings; ich bin hin und wieder selbst Teil einer „Jury“. Wichtig ist, auf welcher Basis die Beurteilung erfolgt – und ob sie transparent ist. Gerne genommen wird das Bewertungskriterium „Empfehlung durch Kollegen“. Das ist allerdings recht subjektiv: während ich beurteile, ob jemand jemandes Interessen berücksichtigt, beurteilen andere nach „Erfolg“. Die Anzahl der Partner, die Berufserfahrung, die Anzahl der Veröffentlichungen? Schwierig. Es ist wie bei Ärzten: das Vertrauen zählt und das ist nicht messbar. Ich habe viele „Feld-Wald-Wiesen“-Anwälte erlebt, die einen tollen Job vor dem Arbeitsgericht machen; weil sie integer sind, weil sie ihre Grenzen kennen, weil sie im Umgang mit Partei, Gericht und Gegner fair sind und mit offenem Visier agieren. Viele Jung-Anwälte, die sich auf ihrem Karriereweg gerade in den ersten Jahren besonders viel Mühe geben. Natürlich auch viele etablierte Anwälte mit großer Reputation und Erfahrung und ebensolchem großartigen Stakeholder-Management. Aber, leider, auch das Gegenteil: Arroganz, Besserwissertum, Streithansel – auch vor Gericht nicht unbedingt gerne gesehen. TIPP 2: Geben Sie sich die Mühe, mal ein, zwei Tage zum Arbeitsgericht zu gehen. Am besten in Güteverhandlung. Beobachten Sie die Anwälte. Von wem würden Sie sich persönlich oder als Unternehmen „gut vertreten“ fühlen? Den nehmen Sie! Der Forsche oder der Zurückhaltende Nicht selten, dass man zu einem Anwalt geht, seine Geschichte erzählt und er diktiert sofort darauf los. Das lässt zwei Möglichkeiten zu: er ist so routiniert, dass ihm das wirklich leicht fällt, oder er will seinem Mandanten imponieren. Zurückhaltende Kollegen, die viel fragen, auch einmal klar sagen „das muss ich nachlesen“ oder „mit einem Kollegen diskutieren“ werden häufig, zu häufig, als „schlecht“ wahrgenommen. Bitte verstehen Sie: kein Anwalt kann auf jede Rechtsfrage sofort eine (richtige) Antwort geben. Und juristische Sachverhalte sind (fast) immer so komplex, dass es ohne Nachfragen selten geht. TIPP 3: Haben Sie den Eindruck, es handelt sich um einen „Überflieger“, ist er das vermutlich nicht – seien Sie dann besonders kritisch! Was machen Sie, wenn Sie eine Versicherung auswählen, einen EDV-Service, einen Installateur … oder Beschäftigte? Richtig, Sie sehen sich mehrere an (bei Handwerkern mag das gerade etwas schwierig sein und auch bei Beschäftigten ist die Situation eher angespannt, aber dennoch, Sie würden es versuchen). Warum nicht bei einem Interessenvertreter? Natürlich wird jeder mit seinen Erfolgen glänzen wollen. Das ist auch gut so, aber hinterfragen Sie, worin der Erfolg wirklich besteht: Den Fall gewinnen? Oder nachhaltig Rechtsfrieden generieren? Fragen Sie beispielsweise in Rechtsstreiten mit Betriebsräten, ob der Anwalt auch später noch Fälle vertreten hat. Wenn nicht, kann das zwei Gründe haben: entweder er hat vielleicht gewonnen, aber einen solchen Flurschaden angerichtet, dass der Auftraggeber lieber gewechselt hat oder die Situation ist nachhaltig befriedet und es braucht keinen Anwalt mehr. Lassen Sie sich Referenzen geben und prüfen Sie sie nach. Das ist bei einer kleinen Zahlungsklage (vielleicht) nicht wichtig, aber bei einem Beschlussverfahren zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gegebenenfalls existenziell! TIPP 4: Machen Sie sich vor einer Anwalts-Auswahl eine Checkliste, was Ihnen wichtig ist: Gewinnen? Rechtsfrieden? Ihre Reputation gegenüber allen Stakeholdern? Sie sind nie alleine - Ihre Stakeholder Kein Arbeitsrechtsstreit ist eine „Sache zwischen uns zwei“ – das gilt für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer! Natürlich sind erst einmal die zwei Parteien beteiligt. Aber dann kommen noch etliche Stakeholder hinzu: Beim Arbeitnehmer sind das die Kollegen, der Betriebsrat, die Familie, die Nachbarn. Die Nachbarn? Ja: kommt der fristlos Gekündigte plötzlich mit dem Bus statt mit dem Dienstfahrzeug nach Hause, generiert das Fragen; und wenn er jeden Tag zu Hause ist, statt ins Büro zu gehen, wird man wissen wollen, warum. Obwohl das neuerdings auch Homeoffice bedeuten könnte. Wie es in einer Familie aussieht, in der einer plötzlich zu Hause bleibt, kann man sich bei „Papa ante Portas“ – Loriot in einer seiner Glanzrollen – anschauen, ganz abgesehen davon, dass es auch darum gehen kann, den Lebensstandard zu halten. Sind Kinder in der Familie? Behinderte Menschen? Weiß man ein paar Details mehr, kann schon vieles eine andere Sichtweise erfordern. Eine Freundin fragte mich vor Jahren „jetzt habe ich meine Assistentin schon zwei Mal abgemahnt und schon wieder hat sie es getan, was soll ich tun“? Übrigens eine Freundin aus der Schweiz, wo es praktisch keinen Kündigungsschutz gibt. Nein, sie hatte mich nicht nach Rechtsrat gefragt, sondern nach Stakeholder-Management: In einer kleinen Stadt trifft man sich, trifft die Familie, der Metzger, der Bäcker, alle wissen „A hat B ALEXANDER. R. ZUMKELLER ist Vorstand und Arbeitsdirektor bei ABB und Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler im Unternehmen.
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