Das BAG verlangt, dass ein Arbeitnehmer auch nach Feierabend sein Smartphone checkt, um den Dienstplan für den nächsten Tag zu prüfen. Ist das vielbeschworene Recht auf Unerreichbarkeit damit gekippt? Ralf-Dietrich Tiesler: Ein „Recht auf Unerreichbarkeit“ hat es nie gegeben. Die Diskussion hierüber führt in die Irre. Es geht vielmehr um die Frage, unter welchen Umständen Erklärungen des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer auch außerhalb der Arbeitszeit zugehen und Rechtswirkung entfalten können. So kann zum Beispiel eine Kündigung dem Arbeitnehmer in der Freizeit, sogar während Urlaub oder Krankheit, zugehen. Für eine Konkretisierung der Arbeitspflicht gilt im Ausgangspunkt nichts anderes. Zugegangen ist eine Willenspotential“ davon zu überzeugen, dass Deutschland „the place to be“ ist. Gesuchte Fachkräfte werden oft bundesweit rekrutiert und arbeiten häufig weit weg vom Unternehmensstandort im Homeoffice. Woran sollten die Unternehmen bei dieser Konstellation denken? Ralf-Dietrich Tiesler: Zunächst ist zwischen Telearbeit und mobiler Arbeit zu unterscheiden: Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten. Der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, dass die Einrichtung allen gesetzlichen Anforderungen an Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz entspricht. Mobile Arbeit kann an beliebigen Orten ausgeführt werden. Vorsicht ist geboten, wenn mobile Arbeit (auch) im Ausland geleistet wird („Workation“). Dann werden Fragen nach einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, der Sozialversicherung und der Besteuerung des Arbeitseinkommens aufgeworfen. Im schlimmsten Fall wird unbemerkt eine steuerpflichtige Betriebsstätte begründet. Bei Tele- und mobiler Arbeit gleichermaßen sind folgende Punke besonders zu beachten: • Gewährleistung umfassender Datensicherheit • Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetzes • Vorgaben für Erreichbarkeit und Präsenz im Betrieb • Klare Regelungen über eine etwaige Einschränkung oder Beendigung der Tele-/Mobilarbeit („back to office“) Die Ausgestaltung mobiler Arbeit unterliegt zudem der Mitbestimmung des Betriebsrats. erklärung, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass er sie unter normalen Verhältnissen zur Kenntnis nehmen kann und die Kenntnisnahme nach der Verkehrsanschauung zu erwarten ist. Das BAG hat über den Fall eines Notfallsanitäters entschieden. Die Arbeitszeitregelung sah vor, dass er für bestimmte Springerdienste kurzfristig (bis 20 Uhr des Vortags) eingeteilt werden konnte. Das BAG hat hier eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers angenommen, nach 20 Uhr einmal kurz zu prüfen, ob er für einen Springerdienst eingeteilt worden ist. Das BAG hat auch klargestellt, dass die bloße Kenntnisnahme einer kurzen dienstlichen Nachricht nicht zu Arbeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne führt. Das macht Hofnung für die überfällige Reform des Arbeitszeitrechts. Der Fachkräftemangel ist ein großes Problem. Wo liegen die größten Hürden, wenn ein Unternehmen Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren möchte? Lars Kuchenbecker: Staatsangehörige der EU sowie aus Norwegen, Liechtenstein, Island und der Schweiz dürfen in Deutschland arbeiten, ohne dafür eine Erlaubnis einzuholen. Angehörige von Drittstaaten können unter bestimmten Voraussetzungen zum deutschen Arbeitsmarkt zugelassen werden. Eine Herausforderung liegt häufg darin, die Vergleichbarkeit der im Ausland erlangten Abschlüsse nachzuweisen. Für die Ausübung staatlich reglementierter Berufe muss hierfür ein formales Anerkennungsverfahren durchlaufen werden. Abgesehen von juristischen Hürden, ist es im internationalen Wettbewerb auch nicht immer einfach eine/n „high „ Ein Recht auf Unerreichbarkeit hat es für Beschäftigte nie gegeben. Die Diskussion führt in die Irre.“ Ralf-Dietrich Tiesler Menold Bezler Interview mit Lars Kuchenbecker und Ralf-Dietrich Tiesler 43
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==