Das Hinweisgeberschutzgesetz ist im Juli 2023 in Kraft getreten. Unternehmen ab 50 Beschäftigten müssen nun eine interne Meldestelle haben. Worauf müssen sie achten? Jan Heuer: Die meisten Unternehmen nutzen digitale Hinweisgeberportale. Das ist auch empfehlenswert, denn diese sind leicht zugänglich, zum Beispiel können Hinweisgeber ihre Meldung online übers Handy abgeben. Zugleich erfüllen sie die rechtlichen Anforderungen hinsichtlich Dokumentationspflichten und Datensicherheit. Mit unserem Kooperationspartner EQS unterstützen wir unsere Mandanten bei der Einrichtung solcher Meldeportale und achten darauf, dass die rechtlichen Anforderungen von Schulung der Meldestellenbeauftragten bis zu Vertraulichkeitsvorgaben eingehalten werden. Martin Eisenbeis: Besonders herausfordernd sind die neuen gesetzlichen Regelungen für Konzerne. Der deutsche Gesetzgeber erlaubt zwar die Errichtung zentraler Meldeportale für mehrere Konzernunternehmen, verlangt aber, dass jede Gesellschaft die Letztverantwortung für das Beheben der bei ihr festgestellten Verstöße behält. Hier bedarf es sogenannter Intercompany Agreements zwischen den Konzerngesellschaften, in denen unter anderem die Inhalte und Intervalle von Reportings der zentralen Meldestelle an die Konzernunternehmen geregelt werden. Jan Heuer: Zentrale Meldestellen können übrigens auch in internationalen Konzernstrukturen errichtet werden. Mit unserem Partnernetzwerk Ius Laboris, das über 100 Länder abdeckt, beraten wir regelmäßig zu diesem Thema. ob die Meldung stichhaltig ist und geben Empfehlungen zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen ab. Jan Heuer: Teilweise werden wir auch erst involviert, wenn interne Meldestellenbeauftragte Unterstützung bei Aufklärungsmaßnahmen benötigen. Das betrifft etwa die Durchführung von Mitarbeiterinterviews. Da ist unsere Erfahrung gefragt, gerade bei Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz – ein Thema, zu dem seit „Me Too“ immer häufiger Meldungen eingehen und bei dem Unternehmen bewusst eine objektive Aufarbeitung durch eine Kanzlei wünschen. Unternehmen müssen nach dem Gesetz nicht ermöglichen, dass Hinweisgeber Meldungen auch anonym abgeben können, sie können dies aber freiwillig anbieten. Was empfehlen Sie? Martin Eisenbeis: Unternehmen sollten anonyme Meldungen ermöglichen, weil Hinweisgeber ansonsten auf die externen Meldeportale bei Behörden ausweichen könnten, die anonyme Meldemöglichkeiten anbieten. Und wenn eine Meldung erst einmal bei der Behörde landet, hat das Unternehmen nicht mehr die Kontrolle über ihre Aufarbeitung ... Jan Heuer: Die anonyme Meldemöglichkeit muss den Beschäftigten aber auch bekannt sein und sie müssen Vertrauen in das Meldesystem haben, ohne Sorge, dass ihre Identität ans Tageslicht kommt. In diesem Zusammenhang ist die Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Wir unterstützen Unternehmen dabei, Policies in diesem Sinne und im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben zu gestalten. KLIEMT unterstützt nicht nur bei der Errichtung von Hinweisgeberportalen. In welchen Bereichen rund ums Hinweisgeberschutzgesetz werden Ihre Leistungen noch angefragt? Martin Eisenbeis: Ein Schwerpunkt unserer Tätigkeit liegt in der Aufarbeitung eingegangener Hinweise. Für manche Unternehmen haben wir als ausgelagerte interne Meldestelle sozusagen den Erstzugriff auf die Meldungen und nehmen Kontakt mit dem Hinweisgeber auf. Neben Übernahme des Fristenmanagements bewerten wir, „ Unternehmen sollten anonyme Meldungen ermöglichen, weil Hinweisgeber sonst auf die externen Melde- portale bei Behörden aus- weichen könnten.“ Kliemt.Arbeitsrecht Interview mit Dr. Jan Heuer (links) und Martin Eisenbeis 41
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