den: Hat die Mehrheit der Unternehmen das Gesetz bereits umgesetzt? Wie kommen Arbeitgeber damit zurecht? Bestandsaufnahme: Skepsis von Arbeitgebern besteht weiterhin Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt als Ergebnis der EU-Whistleblower-Richtlinie, die bereits seit 2019 besteht und somit einen Vorlauf von vier Jahren schuf, während der sich Unternehmen auf Umstellungen vorbereiten konnten. Eine Umfrage von Civey und Rexx Systems aus dem Dezember 2023 ergab allerdings, dass in Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten nur jeder Fünfte von entsprechenden Maßnahmen wusste, in kleineren Unternehmen nur jeder Zehnte. Drei Viertel (77,7 Prozent) der Befragten gaben aber an, in ihrem Berufsleben schon Missstände wie Sexismus, Interessenskonflikte oder Betrug erlebt zu haben, auf die sie den Arbeitgeber gern aufmerksam gemacht hätten. Daraus lässt sich ableiten, dass kurz vor der Gesetzesänderung entweder viele Unternehmen noch keine Maßnahmen zum Hinweisgeberschutz etabliert hatten oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schlichtweg mangelhaft vom Arbeitgeber informiert wurden. Dennoch: Inzwischen hat eine Mehrheit der Unternehmen ein Hinweisgebersystem eingeführt, wenn auch zum Teil nur widerwillig. Viele Arbeitgeber beklagten anfangs den hohen organisatorischen Aufwand sowie mangelnde Transparenz und befürchteten ein hohes Missbrauchspotenzial im Fall von Falschmeldungen. Auch jetzt scheint bei Arbeitgebern eine Grundskepsis noch vorhanden zu sein: Kein Wunder, denn der Gedanke daran, dass Whistleblower den scheinbar heilen Firmen-Segen schiefrücken könnten, ist keinesfalls angenehm. Gegenseitiges Vertrauen und eine gute Firmenkultur halten dem aber stand. Vor allem kleinere, inhabergeführte Unternehmen pflegen eine Politik der „offenen Türen“ und sehen daher häufig keine Notwendigkeit für eine institutionalisierte Meldestelle. Es ist eindeutig festzustellen, dass wirtschaftliche Herausforderungen oder Krisen hier einen höheren Stellenwert als regulatorische Maßnahmen haben. Mehr als die Umsetzung einer gesetzlichen Vorschrift Laut Umfrageergebnissen befürworteten 65,9 Prozent der befragten Mitarbeitenden eine interne Meldestelle. Nach § 16 Abs. 3 HinSchG müssen interne Meldekanäle es ermöglichen, dass Whistleblower ihr Anliegen in mündlicher oder textlicher Form weitergeben können – Arbeitgeber müssen diese Kanäle aber nicht selbst betreiben, sondern können externe Anbieter als interne Meldestelle beauftragen. Mündliche Kanäle sind beispielsweise Hotlines oder Anrufbeantwortersysteme. Bei Hinweisen in Textform bieten sich IT-gestützte Plattformen im Internet oder Intranet sowie speziell eingerichtete E-Mail-Adressen an. Das Interesse an Softwarelösungen, die als Hinweisgebersystem fungieren, ist nach der Einführung des Gesetzes gestiegen. Der Grund: Sie gewährleisten eine sichere und simple Umsetzung. Whistleblower können benutzerfreundlich ihre Meldung in einem internen System einreichen und optional auch externe Sachverständige einbeziehen. Der vermutete „Ansturm“ auf Softwarelösungen blieb trotz steigender Nachfrage bis jetzt allerdings aus. Dass Arbeitgeber noch immer einen gewissen Missmut verspüren, liegt daran, dass das Gesetz, das einen positiven Ursprung hat, von der Politik und den Verantwortlichen nicht in den richtigen Rahmen gesetzt wurde. Viele Unternehmen haben das Gefühl, dass das Hinweisgeberschutzgesetz ihnen aufgezwungen wurde – dabei vergessen sie, dass der Umgang mit Whistleblowing mehr ist als die Umsetzung einer gesetzlichen Vorschrift. Hinweisgeberschutz als Teil positiver Unternehmenskultur In Gesprächen zeigt sich, dass viele Unternehmen die Vorgaben weiterhin als unnötige Belastung empfinden. Sie erfüllen das Gesetz formal und beauftragen einen externen Anwalt damit, als interne Meldestelle zu fungieren. Insbesondere weil der Aufbau von Hinweisschutz-Systemen Missstände wie Datenschutzverstöße, Korruption, Gewalt, Ungleichbehandlung oder Bruch der allgemeinen Compliance aufdecken soll, braucht es hier einen anderen und positiveren Denkansatz: Die Umsetzung sollte in erster Linie als Chance gesehen werden, um Krisen proaktiv zu erkennen und Unternehmen somit vor rechtlichen Konsequenzen und Imageschäden zu schützen. Trotz des Unmuts vieler Akteure ist das HinSchG sinnvoll: Es schafft eine Art „safe space“, in dem Mitarbeitende Verstöße melden und erwarten können, dass ihr Arbeitgeber angemessen reagiert. Unternehmen sollten im eigenen Interesse eine gesunde Handhabung zur Aufdeckung von Missständen etablieren und diese dann auch ohne gesetzliche Vorgaben umsetzen. Das bedeutet unter anderem, eine offene Kommunikationskultur zu etablieren oder die bestehende zu festigen und Verstöße wirklich anzugehen sowie sie ernst zu nehmen, anstatt davon auszugehen, dass sich Arbeitnehmer einen Spaß erlaubt haben oder Nichtigkeiten gemeldet wurden. Ein Blick in die Zukunft lässt vermuten, dass der gesetzliche „Zwang“ die deutsche Unternehmenskultur nachhaltig und positiv beeinflussen wird. ARNIM KÖPKE ist Head Of Sales bei Rexx Systems, einem führenden Anbieter von HR-Software. In seiner Position unterstützt er mit seinem Team Unternehmen dabei, ihr wertvollstes Gut, die Mitarbeitenden, bestmöglich zu managen. 25 Studie zum Hinweisgeberschutz
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