Personalmagazin plus Kanzleien 7/2024

23 Arbeitszeiterfassung oder der Vergütung von Überstunden befasst hat. Verlässt sich der Arbeitgeber im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeitregelung also darauf, dass seine Beschäftigten ihren vertraglichen Arbeitszeitverpflichtungen auch ohne Kontrolle nachkommen, darf er dies weiterhin tun. Er muss nur – was bei Vertrauensarbeitszeit bisher gern vergessen wurde – sicherstellen, dass er potenzielle ArbZG-Verstöße erkennen kann. Genau so ist dies im Übrigen im oben beiläufig erwähnten Referentenentwurf vorgesehen. Für eine moderne Zeiterfassungs-Software stellt dies kein Problem dar. Sie nimmt einfach keine Saldierung der Abweichungen von der Vertragsarbeitszeit vor, die zudem in einer Black Box, für den Arbeitgeber unzugänglich, für eventuelle behördliche Kontrollen aufbewahrt werden müssen. Sie informiert diesen jedoch automatisch zeitnah darüber, dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin an einem Tag mehr als zehn Stunden gearbeitet oder zwischen zwei Arbeitstagen weniger als die jeweilige gesetzliche Mindestruhezeit eingelegt hat. Aus diesen Meldungen kann jedoch nicht auf die insgesamt geleistete Arbeitszeit geschlossen werden, womit der Wesenskern der Vertrauensarbeitszeit erhalten bleibt. Die alternative Arbeitszeitkontoführung setzt aus meiner Sicht deshalb ein gewisses Maß an Arbeitszeitkontrolle voraus, weil die Mitarbeitenden durch den Aufbau von Plussalden geldwerte Forderungen gegenüber ihrem Arbeitgeber aufbauen. Da bei mobilem, aber auch schon bei hybridem Arbeiten Arbeitszeitkontrolle praktisch ausgeschlossen ist, kann meines Erachtens in solchen Fällen nur Vertrauensarbeitszeit infrage kommen. Dabei muss die betriebliche Regelung insbesondere einen Überlastmechanismus analog zum hochlaufenden Arbeitszeitkonto aufweisen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich bei Arbeitszeitkontoführung die indirekte und bei Vertrauensarbeitszeit die weniger aufwendige und noch stärker vertrauensbasierte direkte Arbeitszeiterfassung, bei der zudem Aufteilungen nach Verwendungszwecken besonders leicht umzusetzen sind. Betriebliche Klarstellung zur Arbeitszeit Unabhängig davon, ob ein Arbeitszeitkonto geführt wird oder Vertrauensarbeitszeit gilt, ist eine betriebliche Klarstellung erforderlich, welche Nicht-Arbeitszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit gewertet werden sollen und welche nicht. Vergütet der Arbeitgeber beispielsweise Pausenzeit, toleriert er Rauchen und private Smartphone-Nutzung innerhalb der vertraglichen Arbeitszeit und rechnet er Dienstreisetage unabhängig von der an diesen Tagen tatsächlich geleisteten Arbeitszeit pauschal beispielsweise mit acht oder zehn Stunden auf die Vertragsarbeitszeit an, muss es eigentlich eine „doppelte ArbeitszeitBuchhaltung“ geben. Wenn vergütungspflichtige mit der gesetzlichen Arbeitszeit gleichgesetzt wird, kann es zu potenziellen Gesetzesverstößen – insbesondere dem Arbeiten über zehn Stunden pro Tag hinaus – kommen, bei denen es sich bei genauer Betrachtung gar nicht um solche handelt. Bei Vertrauensarbeitszeit sollte daher nur die gesetzliche Arbeitszeit erfasst werden, sodass die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen direkt kontrolliert werden kann. Bei Arbeitszeitkontoführung sollten nur die auf die Vertragsarbeitszeit anzurechnenden Zeiten erfasst werden. Hierin ist in aller Regel die gesetzliche Arbeitszeit vollständig enthalten, weswegen meist zugleich ein Sicherheitsabstand zu den gesetzlichen Leitplanken erzeugt wird. Vollständig vermeiden lässt sich das Thema „doppelte Arbeitszeit-Buchhaltung“ dadurch leider nicht. Bei Vertrauensarbeitszeit können die Mitarbeitenden zur Selbstkontrolle ein Arbeitszeitkonto führen, ohne dass sie Ansprüche hieraus ableiten können. Diesem Konto schreiben sie dann alle Zeiten gut, die der Arbeitgeber innerhalb der Vertragsarbeitszeit vergütet. Praktisch bedeutet dies, dass auch bei Vertrauensarbeitszeit stets klar geregelt sein muss, welche Zeiten neben der eigentlichen Arbeitszeit auf die Vertragsarbeitszeit angerechnet werden und welche nicht. Einhaltung der arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen Gerade hier empfiehlt sich daher auch die Festlegung eines unabhängig vom Arbeitsort geltenden Arbeitszeitrahmens, außerhalb dessen Arbeitszeit nur nach Abstimmung mit der Führungskraft erbracht werden darf. Dieser sollte 13 Stunden an Werktagen Montag bis Freitag nicht überschreiten. Er könnte zum Beispiel um sieben Uhr beginnen, damit auch die „frühen Vögel“ unter den Mitarbeitenden morgens ausgeruht starten, und um 20 Uhr enden, damit vor dem Einschlafen ausreichend arbeitsfreie Zeit liegt. Damit wird zugleich die – in Vertrauensarbeitszeit ebenso wie bei flexiblem Arbeitsort besonders kritische – Einhaltung der arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen unterstützt: Solange Mitarbeitende innerhalb des Arbeitszeitrahmens arbeiten, ist die Einhaltung der gesetzlichen Mindestruhezeiten sichergestellt und wird die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten deutlich erschwert. Bei betrieblicher Arbeitszeitkontoführung ist, falls die Arbeitszeiterfassung einen Verstoß gegen eine ArbZG-Bestimmung anzeigt, stets im Einzelfall zu prüfen, ob die Überschreitung einer der Höchstarbeitszeiten bzw. die Unterschreitung einer der Mindestruhezeiten tatsächlich durch Arbeitszeit im gesetzlichen Sinne erfolgt ist. Zur Vermeidung eventueller Bußgelder muss dann zeitnah eine mögliche Ausnahme von den Arbeitszeitvorgaben gemäß § 14 ArbZG dokumentiert werden. Die Führungskraft ist dafür verantwortlich, dass solche Verstöße künftig unterbleiben. Liegt bei Zugrundelegung der gesetzlichen Arbeitszeit kein ArbZG-Verstoß vor, muss auch hierfür eine entsprechende Begründung festgehalten werden. DR. ANDREAS HOFF ist Wirtschaftswissenschaftler und Arbeitszeitexperte. Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt er sich professionell mit allen Aspekten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung.

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