Personalmagazin plus Kanzleien 7/2024

22 Kanzleien im Arbeitsrecht personalmagazin Kanzleien 2024 tematischer Berücksichtigung individueller Freizeit- und Arbeitszeitwünsche und -restriktionen. Tag- und Schichtdienst sollten nicht vermischt werden, um die jeweiligen Vorteile deutlich ausprägen zu können – zum Beispiel Tagesflexibilität versus im Schichtdienst höhere Arbeitszeitsicherheit. Dies gilt auch hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung. Methoden der Arbeitszeiterfassung Der Arbeitgeber kann zwischen drei Methoden minutengenauer Arbeitszeiterfassung wählen, die auch künftig gesetzeskonform sein werden: der indirekten, der direkten und der negativen Arbeitszeiterfassung (siehe Infokasten). Die ersten beiden Methoden passen zu tagesflexiblen, von den Mitarbeitenden selbst gesteuerten Arbeitszeitsystemen wie Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit, die dritte zu Arbeitszeitsystemen, in denen den Mitarbeitenden die tägliche Arbeitszeitlage einschließlich Pausen vorgeschrieben wird. Die Erfassung kann dabei durch den Arbeitgeber oder von ihm beauftragte Personen erfolgen, aber auch durch die Arbeitnehmenden selbst, wobei der Arbeitgeber für Vollständigkeit und Richtigkeit der Aufzeichnungen verantwortlich bleibt und dies zumindest durch Stichprobenkontrollen weitestmöglich sicherstellen muss. Letzteres ist aus meiner Sicht das Verfahren der Wahl, weil es potenziell am genauesten und vergleichsweise unaufwendig ist und bei Bedarf auch mobil funktioniert. Aktuell dominiert in der betrieblichen Praxis noch die elektronische Zeiterfassung mittels Buchungsterminals: eine in den 1970er-Jahren entwickelte Form technisch gestützter indirekter Arbeitszeitselbsterfassung. Diese gerät jedoch immer mehr an ihre Grenzen. Sie ist zum einen deshalb ungenau, weil die Zeiten zwischen Einbuchung und Arbeitsaufnahme und zwischen Arbeitsende und Ausbuchung keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind. Ob der Arbeitgeber sie als Arbeitszeit vergütet oder nicht, ist arbeitszeitschutzrechtlich ja irrelevant, sodass zum Beispiel nicht jedes Überschreiten von zehn Stunden Tages-Arbeitszeit rechtlich ein Problem darstellt. Ungenauigkeit entsteht darüber hinaus aber vor allem auch dadurch, dass bei dieser Form der Arbeitszeiterfassung die gesetzlichen oder auch betrieblich angesetzte längere Pausenzeiten in der Regel pauschal abgezogen werden. Das führt häufig dazu, dass Tagesarbeitszeiten zu niedrig ausgewiesen werden, weil viele Beschäftigte auf die ihnen zwingend zu gewährenden Pausen verzichten – wobei aber auch der umgekehrte Fall häufig vorkommt. Rechtskonform sind automatische Pausenabzüge nur dann, wenn die Arbeitnehmenden verpflichtet werden, Abweichungen hiervon minutenweise zu melden – was ich allerdings in meiner langjährigen einschlägigen Beratungsarbeit noch nie erlebt habe. Bei elektronischer Arbeitszeiterfassung wird die Anwesenheit im Betrieb, abgesehen von der automatisch abgezogenen oder gebuchten Pausenzeit, überwiegend als Arbeitszeit gewertet. Angesichts vielfältiger Privatzeiten am Arbeitsplatz – man denke an die verbreitete Smartphone-Nutzung – führt das in vielen White-Collar-Bereichen zu überhöhten Arbeitszeitnachweisen. Die herkömmliche elektronische Arbeitszeiterfassung verträgt sich naturgemäß nicht mit dem mobilen Arbeiten, das aber jedenfalls in den White-Collar-Bereichen nicht mehr wegzudenken ist. Im Schichtdienst mit vorgegebener Arbeitszeitlage schließlich dient eine „Kommt-/Geht-Zeiterfassung“ meist nur dazu, festzuhalten, dass Mitarbeitende anwesend sind. Dies kann jedoch weniger aufwendig auch durch andere Verfahren erreicht werden. Vor diesem Hintergrund sollten die Buchungsterminals abgeschafft und die Mitarbeitenden bei tagesflexibler Arbeitszeit verpflichtet werden, die indirekte oder direkte Erfassung ihrer Arbeitszeit digital – vorzugsweise per App – vorzunehmen. Im Schichtdienst sollte die Arbeitszeit dagegen negativ erfasst werden, was bei der hier unbedingt anzustrebenden hohen Verbindlichkeit der vorgegebenen Arbeits- und Pausenzeiten entsprechend wenig Aufwand mit sich bringt. Arbeitszeitkonto oder Vertrauensarbeitszeit? Diese Frage stellt sich nur im flexiblen Tagdienst, weil die Mitarbeitenden nur bei eigenverantwortlicher Arbeitszeitensteuerung für die Einhaltung ihrer Vertragsarbeitszeit verantwortlich gemacht werden können, was das zentrale Kennzeichen rechtskonformer Vertrauensarbeitszeit ist; sie ist nicht notwendig betriebseinheitlich zu beantworten. Dass sie auch heute überhaupt noch gestellt werden kann, liegt daran, dass das BAG – wie schon der EuGH – „nur“ die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen prüfbar machen will und sich nicht mit der Einhaltung der Vertragsarbeitszeit Die drei prinzipiellen Methoden der Arbeitszeiterfassung • Indirekte Erfassung. Hierbei werden Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie sämtlicher Pausen und sonstiger Arbeitsunterbrechungen, die nicht als Arbeitszeit gewertet werden sollen, erfasst. • Direkte Erfassung. Hierbei werden Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit erfasst. • N egative Erfassung. Hierbei werden die Abweichungen von vorgegebenen Arbeits- und Pausenzeiten erfasst. Diese Methoden zur Arbeitszeiterfassung sind auch künftig gesetzeskonform.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==