14 Kanzleien im Arbeitsrecht personalmagazin Kanzleien 2024 chung des BAG begründet auch ein Verstoß gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind – so das BAG – nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein. Der Achte Senat sprach in einer entsprechenden Entscheidung vom 14. Juni 2023 (Az. 8 AZR 136/22) einem schwerbehinderten Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund einer Schwerbehinderung zu. Der Kläger hatte sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf die bei der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines „Scrum Master Energy (m/w/d)“ beworben und wurde abgelehnt. Den geltend gemachten Entschädigungsanspruch begründete er damit, dass die Beklagte verschiedenen ihr obliegenden Pflichten aus dem SGB IX, insbesondere der Information des Betriebsrats über seine Bewerbung nach § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, nicht nachgekommen sei. Das BAG folgte der Auffassung des Klägers. Um die Vermutung nach § 22 AGG zu widerlegen, hätte der Arbeitgeber nachweisen müssen, dass der erfolglose Bewerber eine formale Qualifikation nicht aufgewiesen oder eine formale Anforderung nicht erfüllt hätte, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit oder des Berufs gewesen wäre. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Führt man sich vor Augen, dass die entsprechenden Verfahrenspflichten in der Praxis oftmals nur wenig Beachtung erfahren, stellt dies für Unternehmen ein erhebliches Risiko dar. Einwand des Rechtsmissbrauchs Eine mögliche Verteidigung von Unternehmen gegen die Forderung von Schadensersatz- und/oder Entschädigungsansprüchen durch AGG-Hopper ist der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dieser ist anzunehmen, sofern sich eine Person nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr einzig und allein darum ging, Ansprüche auf Schadensersatz und/oder Entschädigung geltend zu machen. Die Hürden für eine erfolgreiche Geltendmachung dieses Einwands in der Praxis sind jedoch hoch. Denn nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten führt stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Nur dann, wenn sich der Anspruchsteller die günstige Rechtsposition gerade durch treuwidriges Verhalten verschafft hat, liegt eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB vor. Die Rechtsprechung verlangt hierfür das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingung, welche dem AGG zugrunde liegt, das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden. Zu berücksichtigen sind hierbei sämtliche Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören bei AGG-Hoppern insbesondere sämtliche Schreiben des Bewerbers und auch sein Verhalten im Zusammenhang mit seiner Bewerbung unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Stellenausschreibung. Kann das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben als nur die Erlangung eines Vorteils, ist das Missbrauchsverbot nicht relevant. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regelungen der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast der Arbeitgeber. Die Darlegungslast ist jedoch abgestuft. Hat das Unternehmen hinreichende Tatsachen vorgetragen, die den Rechtsmissbrauch indizieren, so muss sich der Bewerber hierzu substantiiert, das heißt mit näheren positiven Angaben, äußern; mit bloßem schlichten Bestreiten darf er sich regelmäßig nicht begnügen. LAG Hamm schiebt AGG-Hoppern einen Riegel vor In einer aktuellen Entscheidung vom 5. Dezember 2023 (Az. 6 Sa 896/23) hat das LAG Hamm erfreulicherweise einem AGG-Hopper einen Riegel vorgeschoben. In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich ein ausgebildeter Industriekaufmann in der Vergangenheit mit weitgehend identischen Nachrichten auf eine Vielzahl von Stellenausschreibungen für eine „Sekretärin“ beworben und im Anschluss Entschädigungsprozesse wegen einer vermeintlichen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts geführt. Nachdem mehrere Klagen wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen worden waren, passte der Kläger seine Anschreiben und sein vorprozessuales Verhalten entsprechend an. Im Januar 2023 bewarb er sich auf eine Stellenanzeige als „Die Trauben für die erfolgreiche Durchsetzung des Einwands des Rechtsmissbrauchs hängen beim AGGHopping nach wie vor hoch.“ Fotos: Fotostudio Balsereit
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