Personalmagazin plus 7/2023

9 Modernisierung des Arbeitsrechts weit umfassender und sollte beispielsweise auch Möglichkeiten sozialen Engagements einräumen. Starre Arbeitszeiten, Ruhezeiten, Wochenarbeitszeiten erfüllen diese Anforderung nicht. Arbeiten wann und solange man möchte – unter Beachtung der betrieblich unabdingbaren Belange – ist ein wichtiges Ziel der Stakeholdergruppe der Beschäftigten. Hier wird man einwenden, dass das nicht für jeden gilt und nicht für jeden machbar sei. Das mag zum Teil sein, ist häufig aber eine nur wenig reflektierte Antwort. Eine Vielzahl von Unternehmen leben vor, was machbar ist – weite „Gleitzeiträume“, lange Verteilzeiträume, Wechsel der Arbeitszeitdauern, bis hin zur Viertagewoche. Mit den Vorstellungen und der Technik der 1960er-Jahre ist das nicht machbar, aber mit KI und Automatisierung, Virtual Reality und Collaborative Robots (cobot) ist vieles umsetzbar. Was wir aber brauchen, neben dem Mindset, nicht gleich eine Abwehrhaltung einzunehmen, sondern Lösungen zu suchen, ist ein flexibleres Arbeitsrecht. Mit Einführung der tariflichen 35-Stunden-Woche wollte man den Arbeitsschutz der Beschäftigten sicherstellen. Dieser muss erhalten bleiben, keine Frage, denn Beschäftigte sind das höchste Gut der Unternehmen. Aber der Schutz sollte der jeweiligen Tätigkeit angemessen sein. Natürlich gibt es Jobs, bei denen man nach vier Stunden dringend eine Pause braucht und man nach 35 Stunden in der Woche kaputt ist. Aber es gibt eben auch andere, und davon immer mehr. Daher ist Baustein Nr. 1 eines modernen Arbeitsrechts die Deregulierung in den Tarifverträgen, die Anpassung der starren Arbeitszeitregelungen auf die wirklichen Arbeitsschutzfunktionen, die Vereinfachung von Langzeitkonten sowie des Einsatzes von Cobots und KI. Flexibilisierung von Ort und Zeit Die Flexibilisierung der Arbeitszeit habe ich schon erwähnt und auch, dass Gesundheitsschutz nach wie vor „Nummer 1“ bleiben muss. Aber warum nicht auch hier moderne Technik einsetzen? Es gibt uns nichts vor: kein Beschäftigter bleibt wegen dieser „Leistungen“ bei einem Unternehmen und kein neuer Beschäftigter wird damit gewonnen. Modern wird dagegen wieder die betriebliche Altersversorgung. Gerade bei einer Generation, die mehr Flexibilität wünscht, denn das setzt sich bis ins Alter fort. Flexibilität würde auch bedeuten, Einmalzahlungen, wenn man das wünscht, in ein Langzeitkonto einzahlen – aber auch herausholen – zu können, die Arbeitszeit vom Entgelt abzukoppeln und sie vielmehr an die jeweils aktuellen Lebensabschnittsbedürfnisse anzupassen. Mit einem extrem flexiblen Langzeitkonto, das idealerweise portabel ist, ließe sich in der „Sturm und Drang-Zeit“ mehr arbeiten und weniger verdienen, in der Familienphase weniger arbeiten und mehr verdienen, je nach Wunsch. Technisch umsetzbar wäre so etwas, allerdings fehlen die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Instrumente dazu. Vielleicht fehlt auch (noch) die Fantasie der Tarifpartner, der Beschäftigten und Arbeitgeber. Baustein Nr. 3 wäre demnach die Möglichkeit der Trennung von Arbeitszeit und Vergütung, einfach zu führende Langzeitkonten und deren Portabilität sowie eine einfachere Handhabung im Steuerrecht. Einfach und Digital Wir erinnern uns, was die Generation Z beschreibt: Technologieaffin und immer online. Und in dieser Zeit wagt es der Gesetzgeber, in die 1960er-Jahre zurückzufallen: Originalschriftlicher Arbeitsvertragsnachweis, Betriebsversammlungen nicht mehr virtuell (unlängst ist § 129 BetrVG ausgelaufen) und zwingende Gängelei durch Arbeitszeiterfassung (der Entwurf liegt nun endlich vor). Bereiche, in denen das Arbeitsrecht politisch-dogmatisch gesteuert wird, statt durch die Bedürfnisse der Beschäftigten und das damit gerne mal in sich Widersprüche generiert. Nachweisgesetz, das heißt Nachweis nur in Papier und mit Unterschrift, digital ist Satanswerk. Arbeitszeiterfassung, das heißt keinesfalls Papier und Unterschrift, nur digital kommt von den Engeln. Das verstehe, wer will. mittlerweile „Uhren“, die - am Handgelenk getragen – signalisieren, wie müde man ist, ob man Erholung braucht und dergleichen. Die logische Weiterentwicklung wäre, dass diese Uhr mir sagt, ob ich noch arbeiten darf oder eine Pause oder Ruhezeit einlegen muss. Ein Gedanke, der den Verantwortlichen im BMAS vermutlich einen kalten Schauer über den Rücken fahren lässt (hoffentlich!). Von Bedeutung ist auch der Arbeitsort. Auch hier wieder keine Frage, dass der Arbeitsschutz wichtig ist. Aber Arbeitsschutz ist auch individuell: während ich beispielsweise in einer dieser modernen Kaffee-Verteilstationen oder Fastfood-Restaurants keine fünf Zeilen kreativ zusammenbrächte, arbeiten neue Generationen, Ergonomie hin oder her, an solchen Stätten höchst produktiv, effizient und effektiv. Und warum nicht im Ausland arbeiten? Die Antwort ist einfach: der Regulierung wegen. Arbeitserlaubnis oder zumindest -anmeldung, mangelnder Sozialversicherungsschutz, Steuerfragen und vieles mehr. Nochmal: wenn wir nicht agieren, unsere Beschäftigten in Deutschland zu halten, sind sie in der Lage und gewillt, dem Standort Deutschland den Rücken zu kehren! Stattdessen haben wir Papierkram ohne Ende, ich sage nur „A1-Bescheinigung“. Baustein Nr. 2 eines modernen Arbeitsrechts ist daher die Vereinfachung von Sozialversicherung und Steuer. Temporäre Arbeit im Ausland muss einfacher werden! Benefits – mehr Schein als Sein? Mit einem Obstkorb am Eingang ködert man niemanden. Das mag hübsch aussehen, aber einen Apfel kann sich jeder Beschäftigte selbst leisten. Entgeltumwandlung zugunsten eines Leasingfahrrads oder sogenannte Rabattplattformen kommen hingegen „gut an“. Unreflektiert mag das auch Vorteile bringen. Tiefer untersucht entpuppt sich das Leasingrad als teurer als bei Barzahlung, die Einsparungen gehen zulasten der Sozialversicherung – und der späteren Rente! – und Preissuchmaschinen im Internet sind auch nicht schlechter als die Rabattplattformen. Machen wir

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