Die Akzeptanz von Homeoffice ermöglicht neue Büroflächenkonzepte. Viele Betriebe gehen zum Desksharing über. Welche Punkte sind hierbei zu berücksichtigen? Lars Kuchenbecker: Der Begrif Desksharing bezeichnet eine Arbeitsform, bei der in einem Bereich mehr Beschäftigte tätig als Arbeitsplätze vorhanden sind. Dies hat für die Beschäftigten zweierlei zur Konsequenz: Sie müssen bei Arbeitsbeginn einen freien Arbeitsplatz (z.B. mithilfe einer Buchungssoftware) suchen. Bei Arbeitsende müssen sie den Arbeitsplatz wieder aufgeräumt verlassen – eine persönliche Gestaltung des „eigenen“ Arbeitsplatzes ist nicht möglich. Individualrechtlich begegnet die Einführung von Desksharing keinen Bedenken. Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner unternehmerischen Freiheit und im Rahmen seines Weisungsrechts frei, diese Arbeitsform einzuführen. Eine solche Weisung wahrt regelmäßig auch die Grenzen der Billigkeit. Eine andere Beurteilung dürfte nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Schwieriger wird die Einführung von Desksharing, wenn im Betrieb ein Betriebsrat besteht. Je nach Ausgestaltung des Desksharing kommen verschiedene Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Betracht. Da deren Missachtung weitreichende Folgen, wie zum Beispiel Unterlassungsansprüche des Betriebsrats, nach sich ziehen kann, sollte vor Einführung von Desksharing eine vertiefte Prüfung erfolgen. Arbeitnehmende wünschen sich immer öfter, die mobile Arbeit vorübergehend ins Ausland zu verlegen („Workation“). Doch ist das rechtlich so einfach möglich? sätzlichen Mindestangaben vor Abreise ausgehändigt werden. Bei einem Verstoß drohen empfndliche Bußgelder. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Verhandlungsgeschick bei den Vertragsverhandlungen keine unterschiedliche Bezahlung vonMännern und Frauen rechtfertigt. Was bedeutet das für Arbeitgeber? Ralf-Dietrich Tiesler: Der Grundsatz „Jeder ist seines Glückes Schmied“ gilt bei Gehaltsverhandlungen nur eingeschränkt. Das BAG tendiert eher zum Musketierprinzip „Einer für alle“. Individuelle Gehaltsabreden bleiben zwar möglich. Wenn aber der Arbeitgeber die Gehaltsforderung eines/r Beschäftigten akzeptiert, muss er einer ebenso qualifzierten Person des anderen Geschlechts für die gleiche oder gleichwertige Arbeit gleichfalls ein höheres Entgelt zahlen. Das gilt für alle Entgeltbestandteile und wird vor allem im außertariflichen Bereich relevant. Künftig werden Beschäftigte auf gleichen Arbeitsplätzen auf Lohnunterschiede sensibler reagieren. Unternehmen, die noch keine transparente Vergütungspraxis leben, müssen vermehrt mit Auskunftsverlangen und Lohngleichheitsklagen rechnen. Die jüngst vom EU-Parlament beschlossene Lohntransparenzrichtlinie wird diese Entwicklung weiter fördern. Sind erst einmal Indizien für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung gesetzt, steht der Arbeitgeber im Rechtsstreit vor hohen Anforderungen an seine Darlegungs- und Beweislast. Gehaltsverhandlungen sind deshalb ausschließlich an sachlichen Kriterien auszurichten. Die Gründe für Diferenzierungen sollten gut dokumentiert werden. Kuchenbecker: Der Begrif Workation – die Verbindung von Arbeit (work) und Urlaub (vacation) – weckt die Vorstellung eines Arbeitsplatzes mit Blick auf Strand und Meer. Nicht aus dem Blick geraten dürfen dabei aber die rechtlichen Rahmenbedingungen. Bereits die Bestimmung des anwendbaren (Arbeits-)Rechts kann schwierig werden, wenn die Arbeit im Ausland erfolgt. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfehlen sich Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln. Zwingende arbeitnehmerschützende Vorschriften können jedoch nicht „abgewählt“ werden. Weitere Anforderungen folgen aus dem Nachweisgesetz: Bei einer Tätigkeit im Ausland von mehr als vier aufeinanderfolgenden Wochen muss dem Arbeitnehmer eine Niederschrift mit zu- „ Besonders in Unternehmen mit Betriebsrat sollte vor der Einführung von Desksharing eine vertiefte Prüfung erfolgen.“ Lars Kuchenbecker Menold Bezler Interview mit Lars Kuchenbecker und Ralf-Dietrich Tiesler 41
RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==