Personalmagazin plus 7/2023

Workstation, Homeoffice, CoworkingSpaces, Desksharing. In vielen Unternehmen hat ein enormer Wandel der Arbeitswirklichkeit stattgefunden. Welche rechtlichen Herausforderungen bringen diese neuen Formen des Arbeitens mit sich? Dirk Freihube: Hier gab es tatsächlich einen unglaublichen Wandel. Ich erinnere mich an harte Verhandlungen mit Betriebsräten, in denen lediglich ein bis zwei Tage Home-Office im Monat gefordert wurden. Heute geht es oft um 60-70 Prozent der Arbeitszeit. Wichtig für den Arbeitgeber ist, sich die Rückbeorderung in die Betriebsstätte vorzubehalten, da sich das betriebliche Interesse diesbezüglich auch wieder schnell ändern kann. Vielfach wird hierbei mit Widerrufsvorbehalten gearbeitet, die einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würden. Ferner ist bei mobiler Arbeit im Ausland Vorsicht geboten. Längere Tätigkeiten im mobileoffice im Ausland können erhebliche sozialversicherungs- und steuerrechtliche Folgen bis hin zur Begründung einer Betriebsstätte im Ausland haben. Dies muss bei entsprechenden Vereinbarungen über mobile Arbeit bzw. Homeoffice berücksichtigt werden. Bei den modernen Formen der Arbeit spielt auch die betriebliche Mitbestimmung eine große Rolle. Betriebsräte berufen sich insoweit auf verschiedene Mitbestimmungstatbestände, etwa zum Gesundheitsschutz oder zu technischen Einrichtungen bei der Einführung von Coworking-Space und Desksharing mit Buchungstools. Eine einheitliche Linie zeichnet sich insoweit in der Rechtsprechung noch nicht ab. Gleiches gilt für die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ausgestaltung von mobiler Arbeit aufgrund des neuen men, etwa die Arbeitsvertragsgestaltung, künftig vollständig von legal tech übernommen wird. Davon habe ich bislang noch nicht viel gemerkt. Im Gegenteil. Fortlaufende Neuerungen in der Rechtsprechung und in Gesetzen erfordern auch hier nach wie vor juristische Handarbeit. Außerdem: Überall, wo verhandelt wird und deshalb Erfahrung und Verhandlungsgeschick gefragt ist, sei es vor Gericht, in der Einigungsstelle oder bei Unternehmenskaufverhandlungen, wird die Maschine uns nicht ersetzen. Im Übrigen haftet ChatGPT auch nicht, wenn es mal schiefgehen sollte. Wir werden also so schnell nicht arbeitslos werden. § 87 Abs, 1 Nr. 14 BetrVG. Der Betriebsrat sollte auch deshalb bei den genannten Themen immer frühzeitig eingebunden werden. Corona ist abgeebbt, der Ukrainekrieg hat die Wirtschaft bislang weniger schlimm inMitleidenschaft gezogen, als befürchtet. Wo liegen derzeit die Schwerpunkte Ihrer arbeitsrechtlichen Beratung? Einen Schwerpunkt bildet schon immer die Prozessvertretung und Beratung im gesamten kollektivrechtlichen Bereich. Neue Entscheidungen des BAG haben Bewegung in das Thema Entgeltgleichheit und Entgelttransparenzgesetz gebracht, das bislang keine große Praxisrelevanz hatte. Hier erwarte ich einen Anstieg der Klagen. Eine immer größere Rolle spielen auch der Beschäftigten-Datenschutz und entsprechende Schadensersatzklagen, wobei dem EuGH hierzu verschiedene praxisrelevante Fragen vorliegen, etwa zu Enthaftungsmöglichkeiten des Arbeitgebers und Bagatellgrenzen. Wie erwartet, ist auch der Auskunftsanspruch nach § 15 DSGVO ein Dauerbrenner. Internal investigations zu verschiedenen Compliance-Themen, etwa sexuelle Belästigungen, spielen eine immer größere Rolle. Schließlich liegt der Schwerpunkt bei GÖRG schon immer auch in der arbeitsrechtlichen Beratung, bei Restrukturierungen und Transaktionen, die wieder an Fahrt aufgenommen haben. Wie sehen Sie die mittel- und langfristige Entwicklung der anwaltlichen HR-Beratung? Die Diskussion über den Einfluss von Legal Tech und KI auf die anwaltliche Tätigkeit ist ja schon lange im Gang. Seit Jahren wird vorausgesagt, dass viele The- „ Neuerungen in der Rechtsprechung und in Gesetzen erfordern nach wie vor juristische Handarbeit.“ Dirk Freihube Görg Interview mit Dr. Dirk Freihube 33

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