Personalmagazin plus 7/2023

le des Bundes begründet. Die Elternschaft und die Fürsorge für pflegebedürftige Angehörige gehört bislang nicht zu den aufgezählten Merkmalen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Das ist unbefriedigend, schon weil manchmal hinter der Benachteiligung wegen einer Fürsorgeleistung indirekt oder direkt eine Benachteiligung wegen des Geschlechts steckt. Das kann eine Benachteiligung von Frauen wegen des Geschlechts sein, weil überwiegend Frauen wegen der Fürsorge für ihre Kinder oder pflegebedürftige Angehörige in Teilzeit arbeiten. Gleichbehandlungsgrundsatz und Diskriminierungsverbote Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist – entgegen seinem Namen – kein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Es verfolgt sein Ziel durch besondere Diskriminierungsverbote. Es wird keine generelle Pflicht zur Gleichbehandlung aufgegeben, sondern nur das Verbot der Benachteiligung aus bestimmten, ausdrücklich normierten Gründen statuiert. Dies unterscheidet das Gesetz vom allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieses Rechtsinstitut – etabliert in der Rechtsprechung seit den Tagen des Reichsarbeitsgerichts – verbietet dem Arbeitgeber eine Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer aus sachfremden Gründen gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Der allgemeine Gleichheitssatz spricht die Verteilungsgerechtigkeit bei der Zuweisung von Gütern oder Lasten an. Die besonderen Diskriminierungsverbote haben ihre Wurzeln in der Anerkennung der Menschenwürde; sie verbieten es, bestimmte Merkmale als Unterscheidungskriterium einer Regelung oder einseitigen Maßnahme zu benutzen, wenn dadurch Personen herabgesetzt, ausgegrenzt oder sonst benachteiligt werden. Die Unterschiede dieser Rechtsinstitute führen dazu, dass in der Gewährleistung eines besonderen Gleichheitsschutzes eine Ungleichbehandlung liegt, die einer Rechtfertigung bedarf. Der Diskriminierungsschutz wurde durch das AGG erheblich erweitert, aber dennoch bleibt er unvollkommen. Solange man sich auf eine Liste unzulässiger Diskriminierungsmerkmale beschränkt, wird es immer auch sachfremde Diskriminierungen geben, die zulässig bleiben. Unterschiedliche nationale Schwerpunkte Verschiedene nationale Regelungen zeigen, dass hier durchaus unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden können. Irland kennt etwa zusätzlich noch das Verbot, wegen des Familienstatus oder der Zugehörigkeit zum fahrenden Volk zu diskriminieren, Frankreich verbietet dem Arbeitgeber die Diskriminierung aufgrund der politischen Überzeugung seines Arbeitnehmers, seines Familienstands und seiner Sitten, sowie seiner Vermögenssituation, das niederländische allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet die Diskriminierung aufgrund der Nationalität. Ein Blick auf die andere Seite des Atlantiks zeigt eine noch größere Vielfalt verbotener Differenzierungsmerkmale, verfügen doch die meisten Einzelstaaten der USA über ihre eigenen Antidiskriminierungsgesetze. In Massachusetts sind beispielsweise Ungleichbehandlungen anhand der Merkmale „race, color, religious creed, national origin, sex, sexual orientation“ untersagt, Wisconsin fügt dieser Liste weitere hinzu: „age, race, creed, color, disability, marital status, sex, national origin, ancestry, arrest record, conviction record, membership in the national guard“. Einen noch längeren Verbotskatalog kennt das Gleichbehandlungsgesetz Südafrikas: „race, gender, sex, pregnancy, marital status, ethnic or social origin, colour, sexual orientation, age, disability, religion, conscience, belief, culture, language and birth“ gehören dort zu den verbotenen Unterscheidungsmerkmalen. All dies sind vielleicht nicht minder wichtige Diskriminierungsgründe, und dennoch lässt sie das deutsche Recht außen vor. Wer einzelne Gruppen herausgreift und sie unter einen Gleichheitsschutz stellt, den er anderen nicht gewährt, trifft eine Ungleichbehandlung, für die Gründe nicht immer zu finden sind, die jedenfalls selbst der Rechtfertigung bedarf. Eben daher finden sich im Mutterland des Diskriminierungsrechts, den Vereinigten Staaten, auch Anti-Antidiskriminierungsgesetze. Der Landesgesetzgeber verbietet darin den Städten und Gemeinden, Gesetze zu schaffen, die bestimmte Personengruppen – meist Homosexuelle – unter einen besonderen Diskriminierungsschutz stellen. Weiterentwicklung des Diskriminierungsschutzes muss diskutiert werden Diskriminierungsschutz entwickelt sich schrittweise. Am Anfang stand in den USA der Diskriminierungsschutz wegen der Rasse und Ethnie, doch wurde Title VII Civil Rights Act direkt schon im Gesetzgebungsverfahren auch auf Geschlecht und Religion erweitert. Spätere Erweiterungen dieses Rechtsinstituts folgten: Der Age Discrimination in Employment Act verbietet seit 1967 die Diskriminierung wegen des Alters, der Americans with Disabilities Act seit 1990 die Diskriminierung wegen der Behinderung. Zeitlich verzögert tastete man sich in Europa Schritt für Schritt voran. Auch der europäische Diskriminierungsschutz entwickelt sich fort. Knüpfte er ursprünglich allein am Geschlecht an, folgte der Diskriminierungsschutz wegen besonderer Beschäftigungsformen (Teilzeitrichtlinie 97/81/EG, Befristungsrichtlinie 1999/70/ EG), um dann um weitere, personenbezogene Merkmale erweitert zu werden (RL 2000/43/EG, RL 2000/78/EG). Der Diskriminierungsschutz ist also offen für Weiterentwicklung und Fortbildung. Jede Diskussion, die hier Notwendigkeiten – oder eben auch fehlende Notwendigkeiten – neuer Regelungen nüchtern, ideologiefrei und evidenzbasiert aufzeigt, ist zu begrüßen. PROF. DR. GREGOR THÜSING ist Inhaber und Direktor des Lehrstuhls für Arbeitsrecht am Institut für Arbeitsrecht der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. 15 Diskriminierungsschutz

RkJQdWJsaXNoZXIy Mjc4MQ==