Frau Prof. Rock, was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, warum PropTechs im Immobilienbereich scheitern? Am häufigsten treffen die PropTechs mit ihren Produkten nicht die Herausforderungen (den „Pain“) der immobilienwirtschaftlichen Kunden. Hier besteht noch eine Lücke in der zielgerichteten Vernetzung und im Verständnis für die Besonderheiten der Immobilienwirtschaft und ihrer Prozesse. Hinzu kommt die Tradiertheit der Branche, die aber zunehmend schwindet, insbesondere in der aktuellen schwierigen Marktphase. Und was sind die Gründe, warum sie erfolgreich sind? Sie haben ein skalierbares Produkt, das bei Kunden ein echtes Problem löst und nachweislich einen Return of Invest bringt. Das Produkt ist einfach zu implementieren. Sie sprechen die Sprache der Immobilienwirtschaft und sind in den relevanten Zirkeln sehr gut vernetzt. Ihr Team vereint Tech- und Immobilienkompetenz. Sie verfügen über ausreichend Startkapital über Business Angels oder Seed-Finanzierungen. Sie definieren in Ihrer Studie Bereiche, in denen PropTechs in der Immobilienwirtschaft eher erfolgreich sein werden als in anderen Bereichen. Ist das ein genereller Trend? Ich denke, dies ist ein Trend, der sich aus den aktuellen Anforderungen der letzten Jahre im Immobilienmanagement und im Markt ergibt. Die Umsetzung der ESG-Taxonomie erfordert vor allem Änderungen im Betrieb der Immobilie. Dies sind Bereiche, in denen PropTechs durch smarte digitale Lösungen einen hohen Mehrwert in der effizienten Umsetzung der Regularien leisten können. Abgesehen von der Projektentwicklung sind digitale Lösungen auch am ehesten im Betrieb, also in den Managementebenen der Immobilienwertschöpfungskette, skalierbar. In der Wohnungswirtschaft sind die Potenziale für den Einsatz von PropTech-Lösungen am größten. Wo hapert es bei der Umsetzung? Es hapert häufig daran, dass PropTech-Projekte nicht zwingend Business Priority Nr. 1 sind. Wenn dazu die vorherigen Hausaufgaben, die das Wohnungsunternehmen selbst machen muss, umfangreich sind, etwa bei der eigenen Datenerhebung und -sammlung, werden solche Projekte oft verlangsamt. Im tatsächlichen PropTech-Implementierungsprojekt ist darauf zu achten, dass das PropTech die bestehenden Prozesse und IT-Systeme des Wohnungsunternehmens genau analysiert und seine Lösung möglichst nahtlos darin einfügt. Alles auf neu und null zu stellen, ist häufig schwierig. Die Umsetzung wird einfacher, wenn man auf bestehende Systeme aufbauen kann. Die von Ihnen angegebenen 2,5 Jahre von der Gründung bis zur Produktentwicklung sind Ihrer Meinung nach zu lang … Dies liegt an der hohen Komplexität mancher PropTech-Produkte, gerade im Bereich ConTech. Aber auch die von einigen PropTechs versprochene oder beworbene All-inOne-KI-Lösung lässt sich nicht über Nacht entwickeln. Bei einem KI-Tool braucht man vor allem eine große Datenbasis, die nicht schnell über neue Kunden beschafft werden kann. Ändern könnte man das über Entwicklungspartnerschaften zwischen PropTech und Immobilienunternehmen. Das beschleunigt ungemein. Ist ein PropTech erfolgreicher, wenn es in mehr Nutzungsklassen und mehr Wertschöpfungsstufen aktiv ist – oder ist eine stärkere Spezialisierung der Weg zum Erfolg? Ich habe da ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Zum einen gibt es sehr kleine, spezialisierte Lösungen, die aufgrund ihres perfekten Fits sofort eine große Kundenbasis akquiriert haben – auch wenn das PropTech nur ein kleines, aber sehr relevantes Problem löst. Zum anderen beschweren sich viele Immobilienunternehmen über Insellösungen und die starke Fragmentierung der PropTech-Szene. Grundsätzlich wünscht sich der Kunde eine Komplettlösung, die die von ihm bespielten Bereiche der Wertschöpfungskette abdeckt. Hier liegt der Schlüssel in Kooperationsmodellen mehrerer PropTechs und vor allem in schnittstellenoptimierten digitalen Ökosystemen. Immobilienunternehmen müssen von PropTechs lernen. Doch auch die PropTechs müssen die Sprache der Immobilienwirtschaft sprechen können, um zukunftsfähig zu sein. Davon ist Prof. Dr. Verena Rock überzeugt. Ein Gespräch über die Bestandteile eines ERFOLGSREZEPTS für PropTech-Unternehmen. I N T E R V I E W VERENA ROCK Professorin für Immobilienmanagement an der TH Aschaffenburg mit den Schwerpunkten Immobilieninvestment, -portfoliomanagement. "ES BESTEHT NOCH EINE LÜCKE IM VERSTÄNDNIS FÜR DIE BESONDERHEITEN DER IMMOBILIENWIRTSCHAFT." 83 · Digital Guide · Real Estate 2024
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